# taz.de -- Waffeneinsatz der Polizei: Zwölf Pistolenkugeln und keine Antwort | |
> Ein Student wird von der Polizei mit zwölf Kugeln erschossen - angeblich | |
> aus Notwehr. Jetzt will der bayrische Landtag Aufklärung über diesen | |
> katastrophal fehlgeschlagenen Polizeieinsatz. | |
Bild: Zwei Magazine verschoss die Polizei. | |
MÜNCHEN taz | Der Innenminister nennt die Ereignisse "unbegreifbar". Die | |
Opposition spricht von "Hinrichtung". Der Landespolizeichef schweigt. | |
Eigentlich soll der Innenausschuss des bayerischen Landtags an diesem | |
Mittwoch einen katastrophal fehlgeschlagenen Polizeieinsatz beleuchten. | |
Doch es gibt auch nach wochenlangen Ermittlungen keine Antworten. Niemand | |
kann erklären, warum der 24-jährige Regensburger Musikstudent Tennessee | |
Eisenberg sterben musste, erschossen von der Polizei, getroffen von zwölf | |
Kugeln. | |
So berichtet Innenminister Joachim Herrmann (CSU), was sich nach den | |
Aussagen der beteiligten Polizisten abgespielt haben soll: Am 30. April | |
geht kurz vor 11 Uhr bei der Regensburger Polizei ein Notruf ein. Es ist | |
Eisenbergs Mitbewohner. Eisenberg habe ihn mit einem Messer bedroht, | |
berichtet er. Er habe aus der Wohnung fliehen müssen. Wenig später fahren | |
Polizisten dorthin. Sie klingeln, doch niemand öffnet. Die Beamten drücken | |
die Tür zur Wohnung im ersten Stock auf. Dann hätten sie gesehen, wie sich | |
Eisenberg ihnen mit dem Messer nähere, sagten die Polizisten aus. Sie | |
hätten versucht, ihn mit Pfefferspray und Schlagstock außer Gefecht zu | |
setzen, doch Eisenberg sei weiter auf sie zugegangen. Die Beamten weichen | |
zurück ins Treppenhaus. Dann fällt der erste Schuss. | |
Der habe nichts bewirkt, berichten die Polizisten, deshalb hätten sie | |
weiter gefeuert. Aus zwei Pistolen werden 16 Schuss abgegeben. Anscheinend | |
schossen zwei Polizisten ihre Magazine leer. Mindestens 12 Kugeln treffen | |
Eisenberg. Er stirbt. Es sei wahrscheinlich Notwehr gewesen, sagt der | |
zuständige Staatsanwalt nach wenigen Tagen. | |
"Die Aussagen sind widersprüchlich, das lässt an Notwehr zweifeln", sagt | |
der Anwalt Helmut von Kietzell, der Eisenbergs Vater vertritt. "Und nach | |
den Obduktionsbefunden gibt es auch Schüsse, die Eisenberg vom Rücken her | |
getroffen haben." Peter Paul Gantzer von der SPD sagt im Landtag, er habe | |
Informationen, dass am Körper von Eisenberg keine Spuren von Pfefferspray | |
oder einem Schlagstockhieb gefunden worden seien. Warum insgesamt acht | |
Polizisten, die am Tatort waren, den schmächtigen Musikstudenten nicht | |
einfach überwältigen konnten, ist ebenfalls nicht geklärt. Offenbar verlief | |
der Polizeieinsatz völlig chaotisch. Die Beamten trafen erst nach und nach | |
an Eisenbergs Wohnung ein, es gab keine klare Koordination. Susanna | |
Tausendfreund von den Grünen sagt: "Der Tod des jungen Mannes wäre durchaus | |
vermeidbar gewesen." Innenminister Herrmann verteidigt sich und sagt nur: | |
"Ich will bis zum Abschluss der Ermittlungen keine Spekulationen | |
verbreiten." | |
Doch die Ermittlungen stocken. Die Staatsanwaltschaft wartet schon seit | |
Wochen auf ein ballistisches Gutachten des Landeskriminalamts. "Für die | |
Familie ist das eine Quälerei", sagt der Anwalt von Kietzell. Denn bis die | |
Untersuchungen abgeschlossen seien, könne Eisenberg nicht beerdigt werden. | |
Seine Bitten, das Verfahren zu beschleunigen, habe der Staatsanwalt | |
abgelehnt, so von Kietzell. Dieser versicherte in der Süddeutschen Zeitung, | |
die Ermittlungen würden nicht verzögert. Von einer Vertuschungstaktik der | |
Justiz will auch der Innenminister nichts wissen. "Es ist für jeden | |
Betrachter offenkundig: Da wird nichts vertuscht", sagt Joachim Herrmann. | |
In ähnlichen Situationen wie dem Einsatz in Regensburg fielen häufig | |
Schüsse, sagt Norbert Pütter, Experte beim Institut für Bürgerrechte und | |
öffentliche Sicherheit in Berlin. "Ein randalierender Mann in der Wohnung | |
ist der klassische Fall", erklärt Pütter. Nur die wenigsten Schüsse aus | |
Polizeiwaffen würden als sogenannte finale Rettungsschüsse abgefeuert. | |
Gezielt zu schießen, um zu töten, dürfen deutsche Polizisten laut | |
Polizeirecht eigentlich nur, wenn dies das einzige Mittel zur Abwehr einer | |
Lebensgefahr oder der Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung für Dritte | |
ist - zum Beispiel bei Geiselnahmen. | |
Meist schossen die Beamten jedoch in Routinesituationen, die eskalierten. | |
"Dass dabei das ganze Magazin leer geschossen wird, ist jedoch selten", | |
sagt Pütter. "Verglichen mit anderen Ländern schießt die deutsche Polizei | |
sehr wenig auf Menschen." | |
Warum das in Regensburg anders war, soll das ballistische Gutachten des LKA | |
ermitteln. Einen Termin, an dem es fertig ist, gibt es bislang noch nicht. | |
Doch schon jetzt ist wahrscheinlich, dass die Konsequenzen für die zwei | |
Todesschützen wohl eher gering ausfallen werden. Polizeiexperte Pütter | |
meint: "Fatal ist, dass so etwas strafrechtlich und disziplinarisch meist | |
ohne Folgen bleibt." | |
17 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Hübner | |
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