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# taz.de -- US-Öko-Netzwerker sieht die Zukunft grün: "Runter vom Ölfass"
> Grüne Arbeitsplätze können die Welt verändern, meint Jerome Ringo. Der
> wichtigste US-amerikanische Ökologie-Netzwerker über amerikanische
> Nachhhaltigkeitspolitik.
Bild: Grüne Autos haben Wirkung. Nur die grünlackierten CO2-Sünder sind im S…
tazlab: Herr Ringo, die Ökofrage ist längst zu einer politischen geworden.
In Deutschland besteht allerdings die Gefahr, dass sie zu einer wird, die
nur die Mittelklasse betrifft. Wie verhält sich bei Ihnen in den USA?
Jerome Ringo: Es ist tatsächlich eine Herausforderung, alle Schichten zu
erreichen. In den USA geht es vor allem darum, die Mittelklasse zu
involvieren. Gerade weil diese besonders schwer durch die Wirtschaftskrise
getroffen wurde - weltweit. Gleichzeitig sind wir mit Umwelteinflüssen
konfrontiert, die das Ergebnis schlechter Praktiken sind und die
Auswirkungen auf alle haben. Vor allem aber auf die materiell ärmeren
Menschen. Es ist wichtig, dass wir die Mittelschicht dazu bringen, die
Vorteile einer nachhaltigen Zukunft zu sehen. Etwa mit neuen grünen Jobs,
die dabei helfen, die Ökonomie anzukurbeln.
Eine nachhaltige Umweltpolitik bedingt also auch eine nachhaltige
Wirtschaft. Das kauft Ihnen die Mittelschicht in Ihrem Land ab?
Vor allem erkennt sie allmählich die Dringlichkeit, neue Jobs zu schaffen.
In den USA realisieren wir jetzt erst, dass grüne Jobs Chancen bieten, die
Ökonomie überhaupt zu ändern - in erster Linie im Hinblick auf die
Produktion.
Afroamerikaner gehören zu den ärmsten Menschen in Ihrem Land. Inwieweit
spielt die Hautfarbe eine Rolle in ihren Bemühungen, eine
Nachhaltigkeitsbewegung zu schaffen?
Zwei von drei Afroamerikanern leben in unmittelbarer Nähe einer Müllhalde.
Industrie- und Kläranlagen liegen in unseren Nachbarschaftsvierteln.
Außerdem belastet die Wirtschaftskrise die armen Menschen mehr, weil in den
ärmsten Communitys die Jobs verschwinden. Arme Menschen fangen gerade erst
an, Einfluss auf Nachhaltigkeit zu haben. Nicht nur was Arbeitsplätze
angeht, sondern auch was die Verringerung von Energiekosten betrifft.
Inwiefern?
Arme Menschen geben mehr Geld für Energie aus als reiche, weil ihre Häuser
keine Doppelverglasung oder angemessene Isolierung haben. Reiche kaufen
energiesparende Autos. Arme können sich das nicht leisten, deshalb fahren
sie diese Benzinschlucker, die sie natürlich letztendlich mehr kosten. Arme
Menschen beginnen nun erst, starken Wert auf Nachhaltigkeit zu legen, weil
es wirtschaftlich für sie Sinn macht.
Wenn man zu alternativen Energien wechselt, treibt man normalerweise die
Energiepreise zuerst in die Höhe, weil man für den Wechsel zur
Nachhaltigkeit zahlt.
Ja, das ist richtig. Aber indem wir von öffentlicher und privater Seite
mehr in die Forschung für effektivere und nachhaltigere Produkte
investieren, werden die Preise sinken. Das wird armen Menschen weltweit die
Vorteile einer nachhaltigen Zukunft vereinfachen.
Hat die Präsidentschaft von Barack Obama ihr Vorhaben beeinflusst?
In der Tat - mit einem 800-Milliarden-Dollar-Paket, das die Wirtschaft
ankurbeln sollte. Davon wurden 110 Milliarden Dollar für Forschung und
Entwicklung alternativer Energien und nachhaltiger Produkte beiseitegelegt.
5,5 Milliarden dieses Geldes wurden benutzt, um amerikanische Häuser
wetterfest zu machen - sprich: ihre Energiekosten zu reduzieren,
hauptsächlich die Häuser der Ärmsten.
Sehen Sie persönlich die Zukunft eher optimistisch oder pessimistisch?
Auf globaler Ebene bin ich optimistisch. Wir sind sicherlich noch nicht am
Ziel, was Nachhaltigkeit angeht. Natürlich nicht, dafür waren die
Versäumnisse in der Vergangenheit zu stark. Aber wir machen Fortschritte.
Angesichts der schwankenden Benzinpreise und der Instabilität der Länder,
die uns das Öl liefern, werden die meisten Länder grüne Technologien
fördern. In den USA importieren wir 70 Prozent unserer fossilen Brennstoffe
aus anderen Ländern. Viele dieser Länder mögen uns nicht, etwa Venezuela,
Irak oder Iran.
Diese Länder aber bedienen Amerikas Appetit auf Energie. Eine Möglichkeit,
Unabhängigkeit von ausländischen Energiequellen zu erreichen, besteht in
der Entwicklung von Einsparungs- und Nachhaltigkeitsprogrammen für die
Zukunft. Das wird die Wirtschaft mit grünen Jobs ankurbeln, gleichzeitig
die Umwelt schützen und uns vom Ölfass holen. Also jenes, das uns an fremde
Regierungen bindet.
Ihr Bild kommt mit allzu schönen Farben daher. Die Regierung von Präsident
Obama drückt doch auf die Bremse, sobald Europa Energiespargesetze
vorschlägt. Haben sie eine Erklärung für diese politische Bremsung?
Unglücklicherweise liegt das in der Natur der Politik. Weil wir ein System
haben, in dem es Republikaner und Demokraten gibt. Es gibt aber Leute auf
beiden Seiten, die den Klimawandel ernst nehmen. Die Ölunternehmen
allerdings haben immer noch einen großen Einfluss. Aspekte des
Klimawandels, die nicht nur Demokraten, sondern auch Republikaner betreffen
- wie Wirbelstürme in Kombination mit hohen Benzinpreisen -, werden
hoffentlich einen Anstoß geben, der über Parteilinien hinausgeht.
Das ist die Hoffnung auf eine nationale Lösung. Machen Klimagipfel wie jene
in Kioto und Kopenhagen überhaupt noch Sinn?
Wenn die größten Länder der Welt nicht mit gutem Beispiel vorangehen, sind
sie nicht viel wert. Wenn sie auch ein gutes Forum sind, sich eine Stimme
zu verschaffen. Die USA sind das fünftgrößte Land der Welt, wir produzieren
35 Prozent des weltweiten CO2. Wir verbrauchen ein Viertel der Energie
weltweit - und trotzdem haben wir Kioto noch nicht ratifiziert. Solange die
USA, China und Indien in Sachen Klimawandel nicht die Führung übernehmen
und ihren CO2-Ausstoß reduzieren - so lange machen solche Gipfel wenig
Sinn.
In Ihrer konkreten Arbeit in den USA kommt eine Koalition seltsamer
Bettgenossen aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltorganisationen als
Lösung vor. Warum sollen sie alliieren?
Diese merkwürdigen Bettgenossen müssen ihre Differenzen beiseitelegen, um
der Humanität willen, um sich auf etwas zu konzentrieren, worüber sie
tatsächlich einer Meinung sind. Sie sind sich etwa alle einig, dass die
amerikanische Wirtschaft in Schwierigkeiten steckt und dass grüne Jobs
dabei helfen können, die Wirtschaft anzukurbeln. Ob sie nun die Arbeiter
vertreten oder die Umweltschutzbewegung oder die Glaubensgemeinschaften,
jeder hat ein wirtschaftliches Interesse an einer nachhaltigen Zukunft, die
die Lebensqualität aller Bürger verbessert.
Die großen Firmen sitzen also mit am Tisch. Sind Sie nicht besorgt, dass
diese Unternehmen Sie nur dazu benutzen, um sich ein imagefreundliches
grünes Image zu verpassen?
Nein, das bin ich nicht. Ich glaube, dass die großen Unternehmen unbedingt
mit dabei sein müssen. Ich habe selbst lange in der petrochemischen
Industrie gearbeitet und weiß daher, dass sie von Profitgier getrieben
werden. Wenn die großen Unternehmen erst einmal den Profit sehen, den ihnen
eine Investition in die Nachhaltigkeit bringt, dann werden auch die großen
Unternehmen dabei sein wollen.
BP zum Beispiel investiert enorme Summen in die Forschung und Entwicklung
von alternativen Energien. Es ist wichtig ,dass diese großen Unternehmen
mit von der Partie sind, weil sie die Mittel und die Gelder haben, die
Forschung und Entwicklung alternativer Energien zu fördern. Und sie können
dabei helfen, Jobs auf jeder wirtschaftlichen Ebene zu schaffen.
BP ist ein gutes wie schlechtes Beispiel. BP hatte seine Investition in
alternative Energien verstärkt und nannte das "Beyond Petroleum".
Unterdessen sind sie wieder zurück im Ölgeschäft und ihre Umweltabteilungen
sind schwer geschrumpft.
Wir haben den Punkt noch nicht erreicht, den ich für erfolgreich halte. Die
Ölkonzerne geben mehr Geld für ihre Fernsehwerbung aus als für ihre grüne
Entwicklung. Sie werden immer dafür werben, weiter zu bohren. Hier muss
sich die Regierung einmischen. Wir müssen Ölfirmen mehr zur Verantwortung
ziehen und wir müssen weg von den Steuervergünstigungen, die wir diesen
Unternehmen einräumen. Die Regierung sollte Firmen die Steuern
vergünstigen, die in alternative Energien investieren. Einige der Ölfirmen
kapieren das. Die meisten tun das nicht.
In Deutschland gibt es eine Art Gleichgewicht durch die Industrie der
Erneuerbaren. Wir haben grüne Energieunternehmen, die erkennen, dass
Nachhaltigkeit auf lange Sicht gut für ihren Profit ist. Und wir haben die
großen Energiekonzerne, die in dieser Hinsicht viel langsamer sind. Ist das
in den USA auch der Fall?
Ja, das wird kommen. Zum Teil hat das mit den Richtlinien zu tun, die
gerade entwickelt werden. 31 Staaten haben ein Gesetz verabschiedet, die
den Unternehmen Steuervergünstigungen bieten, wenn sie vor Ort alternative
Energien entwickeln. Das schafft Jobs. Diese Staaten fördern auch ein
bundesweites Verfahren, das einen gewissen Prozentsatz an Energie festlegt,
wie viel im Land produziert wird und wie viel davon alternative Energie
sein muss.
Wie viel Prozent?
Das ist von Staat zu Staat unterschiedlich. In Pennsylvania müssen zum
Beispiel 19 Prozent der gesamten Energie alternativ sein. Und sie schaffen
Steuervergünstigungen, um sicherzustellen, dass sie dieses Ziel erreichen.
Viele grüne Unternehmen ziehen jetzt nach Pennsylvania.
Handelt es sich dabei nur um einige Staaten, oder ist das schon eine
breitere Bewegung?
Es gibt Bemühungen sowohl auf der lokalen wie auch auf der staatlichen
Ebene. Nach Kioto haben viele amerikanischen Städte und Staaten dieses
Thema selbst in die Hand genommen und angefangen, Richtlinien für die
CO2-Reduktion festzulegen. Ich glaube, das amerikanische Volk wird
letztlich vorangehen, einfach weil es das Richtige ist.
Titel des tazlabs ist "Das gute Leben: Es gibt Alternativen". Welche gibt
es in Ihrem Land?
Wir müssen die amerikanische Produktion wiederbeleben. Staaten wie
Michigan, Illinois, Ohio oder Pennsylvania haben Millionen Arbeitsplätze
verloren. Nun gibt es eine Wende. General Motors hat begonnen,
energiesparende Autos herzustellen. Die meisten Fahrzeughersteller bauen
heute auch Elektroautos. Die Investitionen der Regierung und ihre
Forderungen nach leistungsfähigeren und grüneren Autos scheinen sich
auszuzahlen. Es gibt wieder Arbeit. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die
Nachhaltigkeitsbewegung wirkt. Ich bin sicher, das wird in der ganzen Welt
nachhallen.
24 Feb 2012
## AUTOREN
M. Barmeyer
R. Metzger
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
Schwerpunkt Klimawandel
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