# taz.de -- Landesparteitag der Berliner Piraten: "Vorstand sein ist Drecksarbe… | |
> Am Samstag wird der Landeschef gewählt, Katja Dathe kandidiert. Sie will | |
> sich im Fall ihres Sieges um die Organisation kümmern und sich politische | |
> Aussagen sparen. | |
Bild: Wer wird die Piraten künftig anführen? | |
taz: Frau Dathe, Sie bezeichneten sich mal als "keine große Rednerin" und | |
jemanden, der zu vielem "nur über gefühltes Wissen verfügt". Prädestiniert | |
Sie das für den Landesvorsitz der Piraten? | |
Katja Dathe: Na ja, das war 2009. Seitdem ist das schon besser geworden mit | |
dem Reden und Wissen. Mein Gefühl ist heute: Ich kann den Job machen. | |
Für die Partei wäre das eine Chance: Sie sind altgediente Schatzmeisterin | |
und Frau - eine der wenigen bei den Piraten. | |
Dieses Frauending ist piratenintern so gut wie kein Thema. Schwierig wirds | |
an der Schnittstelle zur Außenwelt. Als Abgeordnete zum Beispiel gibt es | |
Pflichten und Spielregeln, auf die ich keine Lust habe, weshalb ich lieber | |
innerhalb der Partei arbeite, wo ich mir meine Aufgaben flexibler einteilen | |
kann. Anderen Piratinnen dürfte es ähnlich gehen. | |
Unter den 15 Abgeordneten der Fraktion ist nur eine Frau. Sie sehen nicht, | |
dass Ihre Partei ein Frauenproblem hat? | |
Klar, haben wir. Wir sind Teil und Spiegel unserer Gesellschaft. Wir haben | |
Frauenprobleme, Männerprobleme, Ernährungsprobleme, soziale Probleme, und | |
alle anderen Probleme haben wir wohl auch. Wir machen es uns vielleicht | |
nicht ganz so einfach mit den Lösungsansätzen und diskutieren unter den | |
Augen der Öffentlichkeit. Da wirkt vieles dramatischer als anderswo. | |
Sie hätten kein Problem, als Landesvorsitzende mehr in die Öffentlichkeit | |
zu rücken? | |
Ich würde mir offenhalten, wie weit ich dieses Repräsentanzspiel mitspiele. | |
Öffentliche Termine würde ich auch mit großem Spaß delegieren. Wir sind | |
Vorstand, weil das Parteiengesetz einen Vorstand vorschreibt. Und so | |
verstehen wir uns auch. | |
Auch der amtierende Landeschef Gerhard Anger verwaltet lieber, als | |
politisch vorzupreschen. Sie wollen das nicht ändern? | |
Nein. Wenn jemand politische Statements haben will, dann soll er sie selbst | |
anstoßen. Der Vorstand gibt nur eine Direktive: Das ist eure Partei, machts | |
selber! | |
Entmündigen Sie sich da nicht selbst? | |
Ich bleibe ja Mitglied, und da werde ich mich auch inhaltlich äußern. | |
Gefühlte 70 Prozent der Mitglieder aber sind nur mit Verwaltung | |
beschäftigt: Zettel sortieren, Anfragen beantworten. Obwohl sie in die | |
Partei gekommen sind, um Politik zu machen. Die wichtigste Aufgabe des | |
Vorstands muss sein, ihnen diese Drecksarbeit abzunehmen, damit sie Zeit | |
zum Denken haben. | |
Und das finden Sie reizvoll? | |
Sagen wirs so: Ich kann das. Immer wenn jemand kommt, der sagt, das geht | |
nicht anders, fange ich an, nachzudenken, wie mans doch anders machen kann. | |
Was wollen Sie denn anders als Gerhard Anger machen? | |
Nicht viel. Der Vorstand ist ein Team, es gibt keinen Machtkampf. Gerhard | |
ist eher der ruhige Diplomat, ich bin der Troll. Die Mitglieder können | |
jetzt aussuchen, wen sie wo haben wollen. Natürlich könnte Gerhard auch | |
weiter amtieren und alles wäre völlig in Ordnung - aber langsam eben auch | |
ein bisschen so wie bei allen anderen Parteien, wo Vorsitzende oft gesetzt | |
sind. | |
Die Mitgliederzahl der Berliner Piraten sprang von 800 auf 2.500. Wie | |
managen Sie das? | |
Wir haben die Mechanismen ja in der Hand. Mit dem Onlinetool LiquidFeedback | |
haben wir ein Instrument, über das sich jeder einbringen kann und mit dem | |
wir hierarchiefrei Positionen erarbeiten können. Das müssen wir nur nutzen! | |
Der Boom birgt auch Probleme. Ihr Vorstand führt gerade ein | |
Ausschlussverfahren gegen ein Mitglied wegen einer Rufmordkampagne. | |
Dazu werde ich mich nicht äußern. Der Fall liegt beim Landesschiedsgericht. | |
Da liegt er gut. | |
Wohin sollte der Landesverband inhaltlich steuern? | |
Der Berliner Landesverband ist ja etwas linker und mutiger als andere. Wenn | |
das so bliebe, wäre mir das ganz lieb. Wichtig ist die Diskussion über | |
unsere Politikkultur: Wie treffen wir Entscheidungen? Das Schöne an den | |
Piraten ist ja, dass wir alles grundsätzlich betrachten. Da gehts eben | |
nicht um 3 Euro Hartz IV mehr oder weniger, sondern ums bedingungslose | |
Grundeinkommen. | |
Der Makel: Zu aktuellen Fragen fehlen den Piraten oft Antworten. | |
Manche Dinge dauern eben. Okay, wir haben noch keinen kompletten Plan für | |
ein neues Urheberrecht. Die anderen aber übrigens auch nicht. Weils nämlich | |
kompliziert ist. Es ist okay, dass von außen ein Anspruch auf Antworten da | |
ist. Es ist aber auch okay, zu sagen, wir können das jetzt noch nicht | |
erfüllen. | |
Sie sitzen in der BVV Mitte. Was können Sie dort bewegen? | |
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich meinen Platz dort erst noch finden | |
muss. Dieses Parlament hat schon was Groteskes. Ich bin immer noch am | |
Beobachten, um die Bedeutung oder Nichtbedeutung zu verstehen von dem, was | |
da passiert. | |
Das Aushängeschild der Piraten ist die Fraktion im Abgeordnetenhaus. Sind | |
Sie zufrieden mit deren Arbeit? | |
Die machen das schon ganz gut. Ich sehe, dass sie sich da unheimlich | |
reinfuchsen und die Sache sehr ernst nehmen. Unsere Aufgabe als Vorstand | |
ist es, dafür zu sorgen, sie immer wieder zurück in die Partei zu holen und | |
bei den Mitgliedern anzudocken. | |
Wo sehen Sie die Berliner Piraten in einem Jahr? | |
Ich glaube, wir werden diesen Betrieb weiter unglaublich nerven. Wir werden | |
weiter Dinge infrage stellen, die "schon immer so gemacht" wurden. Unsere | |
Aufgabe sollte sein, zu zeigen, dass es doch anders geht. | |
25 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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