# taz.de -- Innenminister Hans-Peter Friedrich: Minister Meinetwegen | |
> Als Innenminister hatte Hans-Peter Friedrich einen Fehlstart. Nach den | |
> Neonazi-Morden hat er viel richtig gemacht – nur manchmal kommt der alte | |
> Kommunistenjäger durch. | |
Bild: "Er bemüht sich". In einem Zeugnis wäre dieser Satz vernichtend. | |
BERLIN taz | Zweieinhalb Stunden vor dem Rücktritt von Bundespräsident | |
Wulff sitzt Hans-Peter Friedrich im Air-Berlin-Flug 6493 nach Köln. Kein | |
einfacher Tag, aber der Besuch bei den Muslimen muss sein. Friedrich ist | |
auf Friedensmission. Er hat sich vorgenommen, alle Organisationen zu | |
besuchen, die in der von seinem Vorvorgänger gestarteten Islamkonferenz | |
versammelt sind. Heute ist der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) | |
dran. | |
Wulff und Friedrich verbindet ein Thema. Christian Wulff hat mal gesagt, | |
der Islam gehöre zu Deutschland, das wird sein wichtigster Satz. Friedrich | |
hat ihm an seinem allerersten Amtstag widersprochen. Die hier lebenden | |
Muslime mögen dazugehören, aber dass „der Islam zu Deutschland gehört, ist | |
eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt“. Bei | |
Muslimen war er erst mal unten durch. | |
In Köln-Buchheim steht Friedrich kurz darauf in der schmucken Villa | |
Hahnenburg, einem neoklassizistischen Bau, der im 19. Jahrhundert einer | |
Bierbrauerfamilie gehörte. Heute nutzt sie der VIKZ. Verbandsvertreter | |
Ibrahim Cavdar zeigt Friedrich stolz die Moschee und erzählt, dass man | |
nicht nur Imame ausbilde, sondern auf Türkisch und auf Deutsch predige. Da | |
nickt der Innenminister anerkennend. „Ah ja!“, sagt er, am Revers seines | |
schwarzen Anzugs prangen die Deutschlandfarben. | |
Kurz darauf holt ihn sein Satz wieder ein. Es wäre schön, wenn alle | |
Politiker so klare Aussagen machen könnten wie Bundespräsident Wulff, sagt | |
einer. Friedrich guckt auf die Uhr, er weiß: In wenigen Minuten tritt Wulff | |
zurück. Er sagt nur: „Ich will das jetzt nicht vertiefen.“ In Köln kann er | |
sich um die Diskussion rummogeln. Doch in der Islamkonferenz nehmen sie es | |
ihm bis heute übel, dass er seinen Satz nie revidiert hat. „Friedrich ist | |
so spannend wie die 542. Bud-Spencer-Wiederholung auf Super RTL“, ätzt | |
einer der Teilnehmer. | |
## Eigene Ideen? Fehlanzeige | |
Am Samstag ist Friedrich ein Jahr im Amt. Die Bilanz fällt gemischt aus. | |
Einerseits blieb er nach seinem Fehlstart lange blass. Sein Vorgänger | |
startete einen großen Internetdialog. Eigene Ideen bei Friedrich: | |
Fehlanzeige. Als „Azubi der inneren Sicherheit“ verspottete ihn der Grüne | |
Wolfgang Wieland anfangs. | |
Andererseits hat Friedrich im Laufe der Monate nicht den Hardliner gegeben, | |
wie manche in der Opposition befürchteten – und manche in der Union | |
hofften. Er malte nicht wie einst Schäuble Horrorszenarien von atomaren | |
Anschlägen an die Wand und forderte auch nicht ständig neue | |
Sicherheitsgesetze. | |
Inzwischen bekommt Friedrich sogar Lob von manchen Grünen. „Er macht nicht | |
den strammen Max“, sagt der einstige Kritiker Wieland. Und nachdem die | |
Neonazi-Mordserie bekannt wurde, habe der CSU-Mann sogar „im Wesentlichen | |
richtig gehandelt“. | |
Dabei wollte Hans-Peter Friedrich gar nicht Innenminister werden. Er war | |
zufrieden mit seinem Job als CSU-Landesgruppenchef, der den | |
Hauptstadtjournalisten dienstags bei Weißwurst und Weißbier die Weltsicht | |
darlegt. Als Wirtschaftsminister oder Verkehrsminister hätte man sich | |
Friedrich vorstellen können, das waren seine Themen. Dass und wie er dann | |
aber sein heutiges Ministerium bekam, sagt mehr über den Zustand der CSU | |
aus als über Friedrich. | |
Früher hätten sie sich in der Partei um das Innenministerium gekloppt. | |
Hans-Peter Friedrich wurde nur Innenminister, weil nach dem Rücktritt eines | |
Plagiators im Kabinett rochiert wurde – und gleich drei andere kniffen. Als | |
CSU-Chef Horst Seehofer schließlich Friedrich fragte und der das erst in | |
der Familie besprechen wollte, sagte Seehofer den legendären Satz: „Jetzt | |
redet keiner mehr mit seiner Frau.“ Friedrich ist ein | |
Dann-mach-ich’s-halt-Minister. Der Minister Meinetwegen. | |
„Er hat nicht damit gerechnet, Innenminister zu werden“, sagt Michael Glos | |
in seinem Büro mit Blick auf das Reichstagsgebäude. Der | |
Exwirtschaftsminister und einstige CSU-Landesgruppenchef machte ihn 1993 | |
zum persönlichen Referenten, später verschaffte er ihm ein Ticket für den | |
Bundestag. | |
## Aus „bayerisch Sibirien“ | |
## | |
Wie tickt Friedrich? Da muss Glos ausholen. Er selbst sei ja Katholik und | |
komme vom Main, wo der Wein wächst. Friedrich dagegen sei Protestant und | |
komme von der Zonengrenze, auch „bayerisch Sibirien“ genannt. Was er damit | |
sagen will: Glos, der joviale Müllermeister, war froh, einen nüchternen | |
Juristen wie Friedrich zu haben, promoviert zum Thema | |
„Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen“. | |
Ein „disziplinierter Schreibtischarbeiter“ sei der gewesen, sagt Glos. Sein | |
Aktenfresser. Rasche Entscheidungen seien dagegen nicht so seine Sache, „er | |
zögert und zaudert immer etwas“, jedenfalls sei er nicht ganz so ein | |
„Raufbold“ wie er. | |
Früher muss das mal anders gewesen sein. Naila heißt die Kleinstadt nahe | |
Hof, in der Friedrich aufgewachsen ist. Als er ein Kind war, seien sie | |
sonntags oft durch das Höllental gewandert, erzählt Friedrich im Auto auf | |
dem Weg zu einem Termin. Am Ende kamen sie an die innerdeutsche Grenze, „da | |
war die Welt zu Ende“. Später landete eine Familie, die mit einem | |
selbstgebastelten Ballon aus der DDR geflohen war, bei ihnen hinter dem | |
Haus. | |
Und so wurde der Kampf gegen den real existierenden Sozialismus in den | |
70ern zu seinem Thema, am 17. Juni verteilten sie in der Jungen Union | |
Flugblätter gegen die Mauer. Die 68er, die Linken, Dutschke die Kommune I, | |
das seien seine „politischen Gegner“ gewesen, sagt Friedrich. „Für mich | |
standen die für eine Zerstörung der Ordnung.“ | |
Von diesem Furor ist heute nicht mehr viel übrig. Geblieben ist aber ein | |
aufdringliches Faible für Schwarz-Rot-Gold. Journalisten ließ er wissen, | |
dass seine Kinder schon mit vier die Nationalhymne auswendig konnten, weil | |
er sie ihnen immer abends vorsang. [1][„Der Deutschmann“ hieß eine | |
taz-Satire], die darin gipfelte, dass er seinen Topfpflanzen die Hymne | |
vorträllert. | |
## Die dunkelste Seite Deutschlands | |
Als Innenminister muss sich der Patriot Friedrich nun um die dunkelste | |
Seite Deutschlands kümmern. Mit Auffliegen der Zwickauer Zelle im November | |
hat er ein Thema bekommen, mit dem er nie gerechnet hätte: Terror von | |
Rechts. Doch selbst frühere Kritiker loben, dass der lange so blasse | |
Friedrich hier schnell gehandelt hat. Es gibt jetzt ein Abwehrzentrum gegen | |
Neonazis. Und eine Zentral-Datei, in der alle gewalttätigen Rechtsextremen | |
gespeichert werden. | |
Doch manchmal fällt auch der neue Friedrich, der Macher-Minister, wieder in | |
die alte Rolle des Minister-Azubis zurück. So wie in dieser Woche, als | |
Friedrich wagte, den Griechen zum Euroaustritt zu raten und dann ruckzuck | |
vor der Kanzlerin einknicken musste. Es gibt aber auch Beispiele im | |
Kleinen. | |
Ein Hintergrundgespräch im Ministerium am Spreebogen. Die Journalisten | |
sitzen um ein langes Holzoval. Über den Inhalt solcher Runden darf | |
eigentlich nicht geschrieben werden. Hier kann man aber über den ersten | |
Teil berichten, der ist freigegeben. Friedrich will etwas loswerden: Man | |
müsse die zivilgesellschaftlichen Kräfte gegen Rechtsextremismus stärken. | |
„Ich habe gerade die Vorsitzende der …“, hebt er an. Doch dann fällt ihm | |
der Name der wichtigsten Institution in diesem Bereich nicht mehr ein. „Der | |
Am…, der Am…“, stottert er. „Der Antonio-Amadeu-Stiftung.“ Richtig he… | |
sie Amadeu-Antonio-Stiftung. | |
Vielleicht war es nur ein Verhaspler. Vielleicht hat Friedrich aber auch | |
noch viel zu lernen über all die Vereine, die seit Jahren gegen Rassismus | |
kämpfen und von der Politik nicht nur unterstützt werden. „Er bemüht sich�… | |
sagt Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung. In einem Arbeitszeugnis | |
wäre so ein Satz vernichtend. | |
## Kleinlaute Entschuldigung | |
Vor Kurzem ist Friedrich auch noch wegen der Überwachung der Linkspartei in | |
die Kritik geraten. Die und ihre Vorgängerin PDS beobachtet der | |
Verfassungsschutz zwar schon seit 1995, doch als bekannt wird, dass unter | |
den 27 Linke-Abgeordneten auf der Liste auch Realos wie Bundestagsvize | |
Petra Pau sind, herrscht Empörung. Sogar vom konservativen Münchner Merkur | |
muss sich Friedrich nun fragen lassen, was das soll. | |
Doch Friedrich sieht sich gezwungen, die Praxis zu verteidigen, wettert im | |
Bundestag über linksextremistische Chaoten in der Partei und „bedeutende | |
Kräfte“, die zentrale Verfassungswerte beseitigten wollten. Kurz hört man | |
den Kommunistenjäger aus den 70ern durchklingen. Als er dann noch indirekt | |
die Linkspartei mit der NPD vergleicht, empört sich Bundestagsvize Pau. | |
Den Tränen nahe sagt sie im Parlament: „Ich finde es unverschämt, mich mit | |
diesem braunen Gesindel auch nur ansatzweise zusammenzudenken.“ Wenige Tage | |
später, beim Integrationsgipfel im Kanzleramt, zieht Friedrich Pau beiseite | |
und fragt, ob ihr Auftritt ernst war oder nur Polittheater. Richtig ernst | |
sei es ihr damit, sagt Pau. Er habe das doch gar nicht so gemeint, muss | |
Friedrich sich kleinlaut entschuldigen. | |
Längst wird in der Regierung hinter den Kulissen daran gearbeitet, Leute | |
wie Pau von der Verfassungsschutzliste zu nehmen. Und so könnte am Ende | |
ausgerechnet ein CSU-Innenminister die Linksparteibeobachtung einschränken. | |
Seit Silvester hat Marathonläufer Friedrich übrigens keinen Alkohol mehr | |
getrunken. Nicht mal ein Weißbier. | |
29 Feb 2012 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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Schwerpunkt Rechter Terror | |
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