# taz.de -- Kampf gegen Rechtsextremismus: Nazis werden auf Vorrat gespeichert | |
> Das Bundeskabinett beschließt die Einführung einer zentralen Datei zu | |
> gewaltbereiten Neonazis. Ein "Meilenstein", findet Innenminister | |
> Friedrich. | |
Bild: Eine Datei für Glatzen soll es geben. | |
BERLIN taz | Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Entschlossenheit | |
zeigen. Zwei Monate erst sei es her, dass er einen Katalog von Maßnahmen | |
vorgelegt habe, um gewaltbereite Neonazis besser zu bekämpfen. Und nach der | |
Gründung eines gemeinsamen "Abwehrzentrums" im Dezember könne er nun einen | |
weiteren "Meilenstein" präsentieren, so Friedrich am Mittwoch: Eine | |
zentrale Datei, in die alle Polizeibehörden und Geheimdienste von Bund und | |
Ländern Daten zu "gewaltbezogenen" Rechtsextremisten einspeisen. | |
Im vom Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedeten Gesetzentwurf, der der | |
taz vorliegt, klingt das etwas nüchterner. Die Datei diene dazu, den | |
Informationsaustausch der Behörden "effektiver zu gestalten", heißt es da. | |
Gespeichert werden dort nicht nur Neonazis, die bereits wegen einer | |
Gewalttat verurteilt wurden oder im Verdacht stehen, sich an einer | |
Terrorgruppe zu beteiligen. Auch Rechtsextreme, die zur Gewalt aufrufen | |
oder diese "unterstützen, vorbereiten, oder durch ihre Tätigkeiten | |
vorsätzlich hervorrufen", sollen erfasst werden, wie es im Entwurf heißt. | |
Dazu kommen Kontaktpersonen aus der rechten Szene, wenn sie mehr als | |
Zufallsbekanntschaften sind. Wie viele Personen am Ende in dem Register | |
stehen werden, vermochte Friedrich nicht zu sagen. Der Verfassungsschutz | |
geht von rund 9.500 "gewaltbereiten" Rechtsextremisten in Deutschland aus. | |
## Wie ein Verbund von Bibliotheken | |
Funktionieren wird die neue Datei so: Die jeweilige Länderpolizei oder | |
Geheimdienstbehörde kann zunächst nur auf grundlegende Angaben zugreifen, | |
also etwa Name, Adresse, Foto. Erst auf Nachfrage können weitere | |
Informationen eingeholt werden, wenn die speichernde Behörde das erlaubt: | |
Was macht diesen Neonazi gefährlich? Ist er an Waffen ausgebildet worden? | |
Treibt er sich auf Skinheadkonzerten herum? In welchem rechtsextremen | |
Verein ist er? | |
Man kann sich das Anti-Nazi-Register also vorstellen wie einen Verbund von | |
Bibliotheken. Jeder stellt in das zentrale System nur die Eckinformationen | |
ein, wenn man alles lesen will, muss man das ganze Buch bestellen. | |
Vorbild ist die 2007 geschaffene gemeinsame Antiterrordatei, die der | |
Bekämpfung des islamistischen Terrorismus dienen soll. Doch an einer Stelle | |
geht die Neonazidatei über diese hinaus: Für zeitlich begrenzte Recherchen | |
in der rechtsextremen Szene sollen die Behörden eine "erweiterte | |
Datennutzung" bekommen. Als Beispiel nannte Bundeskriminalamtschef Jörg | |
Ziercke am Mittwoch die gezielte Analyse, ob es in bestimmten Regionen eine | |
Ballung von Waffen bei Rechtsextremen gibt. Weil das ein weitreichendes | |
Instrument ist, hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger | |
(FDP) eine Befristung bis 2016 durchgesetzt. | |
Ob mit einer solchen Neonazidatei die Taten der Zwickauer Terrorzelle | |
verhindert worden wären? Das könne man nicht definitiv sagen, räumt auch | |
Innenminister Friedrich ein. Aber er ist sich sicher: Das Trio wäre in | |
dieser Datei gelandet - spätestens nach dem Untertauchen im Januar 1998, | |
als bei ihnen in der Garage Sprengstoff gefunden wurde. | |
18 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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