# taz.de -- Rassismusvorwurf in Bayern: Der geheime Humor der Polizei | |
> In einem Kalender für bayerische Beamte lassen sich rassistische | |
> Karikaturen ausmachen. Vielleicht verstehen wir da aber auch etwas nur | |
> nicht. | |
Bild: Ein unverstellter Blick auf das, was man als Polizist für lustig hält: … | |
Der Kalender gebe den Berufsjargon der bayerischen Polizisten wieder, sagt | |
der Landesvorsitzende der Bayerischen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker. | |
Das ist interessant. Heißt das doch mit anderen Worten: Die Witze, über die | |
bayerische Polizistinnen und Polizisten lachen, offenbaren einen | |
unverstellten Blick auf das, was man in diesem Beruf für lustig hält. | |
Einen Schwarzen zum Beispiel, überzeichnet dargestellt mit wulstigen Lippen | |
und muskelbepackt, der nur gebrochen Deutsch spricht und sich ob seiner | |
Festnahme im Polizeigriff über den Begriff „Verdunkelungsgefahr“ als | |
rassistische Anspielung echauffiert. | |
In einer anderen Zeichnung weisen zwei PolizistInnen drei Araber darauf | |
hin, dass sie Exkremente, die ihre Kamele im Park hinterlassen haben, | |
ebenso aufzusammeln haben wie jeder deutsche Hundebesitzer. Will heißen: | |
Den „drei Weisen aus dem Morgenland“ muss man die Verhaltensregeln | |
hierzulande erklären, denn hier herrschen andere Sitten als daheim, wo es | |
keine Grünanlagenverordnung gibt und Kamele noch ungerührt auf den Rasen | |
scheißen dürfen. | |
## Humor, den Außenstehende nicht verstehen | |
„Diese Bilder persiflieren Alltagssituationen, mit denen wir tagtäglich | |
befasst sind“, sagt Benker. Es handle sich bei den Karikaturen um | |
Galgenhumor, den Außenstehende nicht verstünden und der deshalb auch nur | |
für die Kolleginnen und Kollegen der Polizei bestimmt sei. | |
Nun ist der Kalender, den die Bayerische Polizeigewerkschaft jedes Jahr in | |
einer Auflage von 3.000 Stück verteilt und deren Zeichnungen aus der Feder | |
einer Polizistin stammen, an die Öffentlichkeit geraten und sorgt dort für | |
Empörung – zu Recht. Denn das Bild des Schwarzen auf der Polizeistation | |
weckt Assoziationen mit dem Fall des Asylbewerbers Ouri Jalloh aus Sierra | |
Leone, der 2005 in Dessau festgenommen wurde und in einer | |
Ausnüchterungszelle verbrannte. Die Matratze, auf der Jalloh an Händen und | |
Füßen gefesselt lag, war unter bislang ungeklärten Umständen in Flammen | |
aufgegangen. | |
Seine Schreie aus der Zelle hörte offenbar niemand, das Signal eines | |
Rauchmelders wurde abgeschaltet. Fraglich, ob es wirklich komisch ist, sich | |
über eine Situation, die sich leicht als Anspielung auf die Umstände des | |
Todes von Ouri Jalloh lesen lässt, in einer Karikatur lustig zu machen. | |
## Unbeirrt in die falsche Richtung ermitteln | |
Auch vor dem Hintergrund der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle löst der | |
unbekümmerte Humor der Polizeigewerkschaft Unbehagen aus. Denn dass die | |
Mordserie nicht früher aufgeklärt wurde, lag zu einem Großteil daran, dass | |
die Beamten, trotz Hinweisen eines Profilers auf einen möglichen | |
rechtsradikalen Hintergrund, unbeirrt in die falsche Richtung ermittelten. | |
Jahrelang verfolgten sie nur eine These: Die Getöteten seien in mafiöse | |
Strukturen verstrickt und die Mörder deshalb ausschließlich im | |
migrantischen Milieu zu finden. Die Angehörigen der Opfer mussten so nicht | |
nur mit dem Tod eines nahen Verwandten zurechtkommen, sondern auch damit, | |
dass man ihre Familie krimineller Machenschaften beschuldigte. | |
## Kein Verständnis für den Ernst der Lage | |
Die Karikaturen offenbaren auf schockierende Weise das mangelnde | |
Problembewusstsein, das zumindest bei Teilen der Polizei offenbar noch | |
immer vorherrscht. Sie zeigen die Klischees und Stereotype, die das | |
Weltbild vieler Polizisten prägen – wesentlich auch der bayerischen, in | |
deren Bundesland fünf der insgesamt 10 Morde der NSU verübt wurden. Einige | |
der Ermordeten leben vielleicht auch deshalb nicht mehr, weil die Polizei | |
die Möglichkeit einer rechtsextremen Bedrohung nicht ernst genommen und | |
nicht angemessen verfolgt hat. | |
Der Kalender sei schon im Oktober 2011 gedruckt worden, führt der | |
Landesvorsitzende der Bayerischen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker, zur | |
Verteidigung an. Man werde im nächsten Jahr sensibler vorgehen. Gleichwohl | |
kündigt er aber an: „Auch im nächsten Jahr werden unsere Karikaturen nicht | |
allen gefallen.“ Vom Verständnis für den Ernst der Lage fehlt bei der | |
bayerischen Polizei also offensichtlich noch immer jede Spur. | |
29 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jeremy Scott designt für Adidas: Heiße Schuhe | |
In Europa hui, in den USA pfui: Adidas hat Rassismusvorwürfe an den Hacken. | |
Grund soll der „JS Roundhouse Mid trainers“ sein, denn dieser ist an Ketten | |
gelegt. | |
Polizeiliche Kontrollen in Zügen: Verdächtige Hautfarbe | |
Polizisten, die in der Bahn Kontrollen ohne konkreten Verdacht vornehmen, | |
können auch auf die Hautfarbe als Auswahlkriterium zurückgreifen. Ein | |
Gericht bestätigt jetzt diese Praxis. | |
Polizeikalender in Bayern: Rassismus, die Zweite? | |
Wieder sind rassistische Karikaturen aufgetaucht, die aus einem | |
Polizeikalender stammen sollen. Doch bei der Gewerkschaft will man davon | |
nichts wissen. | |
Online-Petition gegen Rassismus: Entnazifizierung, jetzt | |
Eine Online-Petition fordert provokant „Deutschland entnazifizieren“. Ein | |
unabhängiges Gremium solle institutionellen Rassismus untersuchen, so die | |
Petition. | |
Gedenkfeier für NSU-Opfer in Berlin: "Eine Schande für unser Land" | |
Angela Merkel kritisiert, dass rechte Gewalt zu oft verdrängt wird und ihre | |
Opfer zu schnell vergessen sind. Bei den Angehörigen der Ermordeten | |
entschuldigt sie sich. | |
Rassistische Beschimpfungen: Nur Trauern reicht nicht | |
In einer Berliner S-Bahn wurden Schüler als "Türkenpack" beschimpft. | |
Niemand griff ein - auch nicht der Fahrer. Warum Mut wichtiger ist als | |
Schweigeminuten. | |
Debatte Naziterror: Nie wieder "Döner-Morde"! | |
Bei der Neonazi-Mordserie haben auch die Medien versagt: Sie ordneten die | |
Taten unter rassistischen Gesichtspunkten ein. Konsequenzen gab es keine. |