| # taz.de -- Wahl zum DFB-Präsidenten: Reingekrochen in die Macht | |
| > Am Freitag wird der neue DFB-Präsident gewählt. Der Gegen-kandidat von | |
| > Wolfgang Niersbach macht sich ein letztes Mal Gedanken über seinen | |
| > übermächtigen Gegner. | |
| Bild: Gute Freunde kann niemand trennen. Heute macht der Weltmeister von einst … | |
| BERLIN taz | Es gibt sie, diese Leute, von denen ein ganz bestimmter Geruch | |
| ausgeht, kein angenehmer Geruch, einer, vor dem man zurückweichen muss. Es | |
| ist ein Gestank. In Bayern, erzählt man sich, hat es zu Zeiten des großen | |
| Anführers Franz Josef Strauß viele dieser stinkenden Wesen gegeben. Und | |
| jeder wusste, warum sie stinken. | |
| Wilfried Scharnagl, der jahrzehntelang Chefredakteur der CSU-Parteipostille | |
| Bayernkurier war, ist so einer gewesen. Einer, der den Arsch des großen | |
| Bosses als Eingang benutzt hat, um ganz tief hineinzukriechen in dessen | |
| Därme. Er war Strauß’ wohl größter Stinker und stolz darauf, dass er ihn | |
| als Freund bezeichnen durfte. | |
| Große Freunde hat auch Wolfgang Niersbach, der sich heute zum Präsidenten | |
| des Deutschen Fußballbundes wählen lassen will. Sie haben ihn groß gemacht, | |
| weil er sich vor ihnen kleingemacht hat. Einer seiner wichtigsten war | |
| Hermann Neuberger. Der war von 1975 bis zu seinem Tod im Jahre 1992 | |
| Präsident des Deutschen Fußballbundes. Er war ein gefürchteter | |
| Sportfunktionär, der als Vize-Präsident des Weltverbands Fifa respekt- und | |
| auch angstvoll „Hermann the German“ genannt wurde. | |
| ## Im Erholungsheim der Luftwaffe | |
| Er war ein Deutscher alten Schlags, der keine Probleme damit hatte, für die | |
| deutsche Nationalmannschaft bei der WM 1978 im von einer verbrecherischen | |
| Militär-Junta regierten Argentinien das Erholungsheim der Luftwaffe als | |
| Teamquartier zu buchen. | |
| Da durfte dann der Luftwaffenoberst Hans-Ulrich Rudel, ein Alt- und Neunazi | |
| in einem, der für die rechtsradikale DVU als Redner durch die BRD getourt | |
| ist, zur Mannschaft sprechen. Grund genug, den DFB-Chef kritisch zu | |
| begleiten. Wolfgang Niersbach aber suchte als Agenturjournalist des | |
| Sportinformationsdienstes die Nähe des verbohrten („Ich hoffe doch nicht, | |
| dass man Rudel seine Kampffliegertätigkeit während des Zweiten Weltkriegs | |
| vorwerfen will.“) Präsidenten. | |
| Der dankte es ihm. Als das Team acht Jahre später von Mexiko-Stadt zu einem | |
| WM-Spiel nach Queretaro flog, wurde nur ein einziger Journalist in den vom | |
| DFB gecharterten Hubschrauber gelassen: Wolfgang Niersbach hing längt ein | |
| unangenehmer Geruch an. | |
| Zwei Jahre später holte ihn Neuberger zum DFB. Niersbach steht in Treue | |
| fest zu Neuberger, dessen Name allgegenwärtig ist beim Verband, der am | |
| Frankfurter Stadtwald im Hermann-Neuberger-Haus residiert. Jüngst war er im | |
| Saarland, Neubergers Heimatland, und hat in der | |
| Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken die Hermann-Neuberger-Preise | |
| für herausragende Jugendarbeit des Landessportbunds verliehen. | |
| ## Durchkommerzialisierung des Fussballs | |
| Neuberger ist Niersbachs Vorbild. „Er war ein Mann, der keine Heldentaten | |
| auf der Trainerbank vollbracht hat. Auch keine spektakulären | |
| Fallrückzieher. Er war ein Funktionär, der nicht geachtet wird, wenn etwas | |
| funktioniert, sondern der beschimpft wird, wenn etwas nicht funktioniert.“ | |
| Ahnt da einer, was auf ihn zukommen könnte? | |
| Ein Vorbild ist Hermann Neuberger für Niersbach vor allem, weil es dieser | |
| war, der die Durchkommerzialisierung des Fußballs eingeleitet hat. In einer | |
| in schweren Buchdeckeln gebundenen Hagiografie über den großen Vorsitzenden | |
| Neuberger hat Niersbach das Kapitel über die wirtschaftliche Entwicklung | |
| des DFB unter dessen Ägide geschrieben. | |
| Dass mit der Einführung der Bandenwerbung bei Länderspielen das Werbeverbot | |
| der Öffentlich-Rechtlichen umgangen worden ist, erzählt Niersbach, als wäre | |
| es eine wahre Robin-Hoodiade, in der sich der gute DFB gegen das böse | |
| Fernsehen durchgesetzt hat. Niersbachs Verkäuferseele ist mit der | |
| Neubergers verwandt. Als Vize-Chef des Organisationskomitees der WM 2006 | |
| hat er das ebenso bewiesen wie in seiner Zeit als Generalsekretar des DFB, | |
| das er seit 2007 ausübt. | |
| Geschäfte machen gehört zu seinem Aufgabenfeld. Er vertickt Medien- und | |
| Vermarktungsrechte der Nationalmannschaft und der DFB-Wettbewerbe an den | |
| Meistbietenden. Das ist nicht selten ein guter Freund von Niersbach: Günter | |
| Netzer. Der Schweizer Sportrechtevermarkter Infront, an dem Günter, der | |
| Große, beteiligt ist, hat schon so manchen Zuschlag vom wackeren Niersbach | |
| bekommen. | |
| ## Lohnende Freundschaft | |
| Zurzeit vermarktet Infront die Länderspiele und die TV-Rechte des | |
| DFB-Pokals für das Ausland. Niersbach spricht über Netzer wie ein | |
| Pubertierender über seine erste Liebe: „Er ist ein Geschenk. Wir freuen uns | |
| wechselseitig auf jede Begegnung.“ Ein lohnende Freundschaft. Eine | |
| Freundschaft mit Gschmäckle. Stinkt da nicht was? | |
| Wolfgang Niersbachs Talent, sich ranzuschmeißen an die Großen, | |
| reinzukriechen in die Mächtigen, macht ihn nun selbst zu einem Großen. Das | |
| Bundesverdienstkreuz hat ihm Christian Wulff schon verliehen – für seine | |
| Verdienste „innerhalb und außerhalb des Fußballs“. Wird er DFB-Präsident, | |
| was erwartet er von denen, die dann unter ihm stehen? Hat sich schon wer in | |
| seinem Darm eingenistet? | |
| Der Größte unter den guten Freunden Niersbachs hat 1990 dem damals noch | |
| recht kleinen Pressesprecher des DFB die Siegermedaille der WM 1990 | |
| geschenkt. Franz Beckenbauers Plakette hing 20 Jahre neben dem Kamin im | |
| Hause Niersbach. Bei einem Jubiläumstreffen im vorvergangenen Jahr hat | |
| Niersbach dem Kaiser zurückgegeben, was ihm gebührt, und ihm die Medaille | |
| um den Hals gehängt. | |
| ## Argumente der Lichtgestalt | |
| Freundschaft ist in Kreisen, in denen man sich nur gut gekleidet in | |
| VIP-Bereichen begegnet, ein Geben und Nehmen. „Er ist der Beste“, hat | |
| Beckenbauer gesagt, als Niersbach nach Theo Zwanzigers Rücktritt sich für | |
| das Präsidentenamt in Stellung gebracht hat. Ein Argument für Niersbach | |
| brauchte es nun nicht mehr. Wie hat die Lichtgestalt einst gesungen? Gute | |
| Freunde kann niemand trennen. | |
| Solche Freundschaften sind gut, wenn sie sich lohnen. Wolfgang Niersbach | |
| muss schon lange nicht mehr durch dunkle Därme kriechen, um etwas für sich | |
| zu erreichen. Sauber ist er deshalb noch lange nicht. Es ist zu riechen. Es | |
| stinkt im DFB. | |
| 2 Mar 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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