# taz.de -- UnlikeUs-Konferenz: Auf Augenhöhe mit dem Internet | |
> Gibt es eine Alternative zu Facebook? Die Kernfrage der Konferenz | |
> „UnlikeUs“ ist so absurd wie der Versuch einer Besetzung der Börsen durch | |
> die Occupy-Bewegung. | |
Bild: Bitte nicht füttern – jedenfalls nicht mit Daten. | |
Erst war der Erfolg des sozialen Netzwerkes vor allem beeindruckend. Dann | |
wurde er beängstigend. Nicht nur weil das Unternehmen Facebook sich seit 1. | |
Februar den Profiten der Börse verschrieben hat, auch die Konkurrenz ging | |
sang- und klanglos über den Jordan. Als man darüber feixte, dass StudiVZ | |
rasant die Mitglieder schwanden, hatte MySpace schon lange kapituliert und | |
seine Pforten den Facebook-Freunden geöffnet. Gibt es dazu überhaupt noch | |
eine Alternative? | |
Das ist die Kernfrage, die am Donnerstag auf der [1][UnlikeUs-Konferenz] | |
des Instituts für Netzwerkkultur in Amsterdam diskutiert werden wird. Und | |
schon jetzt weiß Geert Lovink, Direktor des Instituts, dass er auf diese | |
Frage gar keine Antwort haben will. „Wir sind zu früh dran“, sagt er, „d… | |
kritische Masse für eine Alternative hat sich noch nicht gebildet.“ | |
Noch veröffentlichen die Massen ihr Leben zufrieden bei Facebook, auch in | |
Deutschland. Laut Forsa sind 47 Prozent der deutschen Internetnutzer dort | |
angemeldet, weltweit liegt Deutschland auf Platz 10 in der Rangliste der | |
Länder mit den meisten Nutzern. Wer jetzt aber stolz sein sollte, nicht | |
Teil dieser mittelblau gefärbten Jugendbewegung mit Durchschnittsalter 38 | |
zu sein, freut sich zu früh. Denn die Logik von Facebook hat das Netzwerk | |
schon lange verlassen. Wir haben uns längst daran gewöhnt, unsere harmlosen | |
Leben bis in die Details anderen mitzuteilen. | |
Grund genug, sich kritisch mit der Plattform auseinandersetzen. Die Form | |
der Konferenz scheint dafür besser geeignet zu sein, denn nur dort gelingt | |
es, mit dem Internet auf Augenhöhe zu sein. Noch bevor man die Literatur | |
gesichtet, seine methodologischen Überlegungen festgehalten und einen | |
empirischen Datensatz erstellt hat, wurden bei Facebook Neuerungen | |
eingeführt. Das Objekt der Studie ist damit ein ganz anderes geworden. Für | |
fundierte Internetkritik ist das ein großes Problem. | |
Auf der Amsterdamer Konferenz wollen über hundert Wissenschaftler, Künstler | |
und Programmierer das Internet als öffentlichen Raum und nicht als | |
Geschäftsmodell diskutieren. Sie werden Alternativen zu Facebook zu | |
sondieren versuchen – was natürlich ebenso absurd ist wie der Versuch einer | |
Besetzung der Börsen durch die Occupy-Bewegung. Das Ende von Facebook mit | |
seinen 845 Millionen Mitgliedern scheint heute undenkbar. | |
## „Was ist eigentlich heute noch sozial?“ | |
Dass man dem sozialen Netzwerk eine reale Alternative entgegensetzen könne, | |
daran glaubt dann auch nicht einmal Geert Lovink selbst: „Mit der Konferenz | |
wollen wir natürlich für alternative Ansätze Aufmerksamkeit schaffen. Aber | |
uns ist nicht wichtig, dass es irgendwann einmal ein anderes Facebook gibt. | |
Uns geht es mit der Konferenz eher um Bewusstseinsbildung: Was ist | |
eigentlich heute noch sozial?“ Die Idee eines alternativen, offenen | |
Projektes helfe zu verstehen, was ein soziales Netzwerk für die | |
Gesellschaft bedeutet. „Im Augenblick haben wir ja noch die Wahl.“ | |
Die Regeln unserer Gesellschaften haben sich in der Tat verschoben. Mit all | |
seinen privaten Einträgen sieht Facebook verspielt und harmlos aus. Ist | |
doch toll, wenn Menschen einfach miteinander Kontakt halten können. Ist es | |
auch. Nur haben die Freunde sich diese Informationen vorher beim | |
gemeinsamen Warten an der Bushaltestelle, im Café oder auf der Straße | |
mitgeteilt. Die sind jetzt im schick zurückhaltenden Mittelblau angepinselt | |
– und gehören einer Firma namens Facebook. Kommunikation, die einst im | |
öffentlichen Raum stattfand, ist heute quasimonopolisiert und privatisiert. | |
Gefällt mir? Nein. | |
## Unsere digitalen Schatten bleiben | |
Umgekehrt wird auch vormals privater Raum in Facebook mit einem Male | |
öffentlich. Sogar auf EU-Ebene wird mittlerweile diskutiert, ob wir das | |
Recht brauchen, im Netz vergessen zu werden. Man kann sich ausdenken, dass | |
bald einige der stolz von ihren Eltern auf Facebook herumgezeigten niedlich | |
nackten Kinder dafür plädieren werden. Das Problem: Unseren digitalen | |
Schatten werden wir nur schlecht wieder los. Netzwerke wie Facebook oder | |
Google, die unsere Daten auf verschiedenen Servern abspeichern, können rein | |
technisch nur schwer die vollständige Löschung der verteilten Daten | |
garantieren. | |
„Diaspora“ dagegen ist ein alternatives Netzwerk, das die Nutzerdaten so | |
abspeichert, dass man selbst jederzeit an sie herankommt und so die Hoheit | |
über seine Daten behält. Um die 370.000 Nutzer hat die Plattform jetzt, an | |
der noch fleißig herumprogrammiert wird. Thimbl, Crabgrass, Freedom Box, | |
Secure Share oder Unhosted sind ähnliche Projekte. Ihre | |
Software-Architekturen stellen das Recht der Nutzer auf ihre Daten in den | |
Vordergrund. Ihre Plattformen bleiben damit öffentlicher und nicht privater | |
Raum. Denn Besitzverhältnisse sind in Software-Gestaltung eingeschrieben. | |
Auch wenn es für ein alternatives Facebook noch zu früh ist: Die Zeit für | |
eine Sondierung könnte nicht besser sein. Denn mittlerweile ist es schwer, | |
die politische Absurdität zu übersehen, die sich mit der New Economy | |
aufgetan hat. Während sich alternative Ansätze im Netz umgehend durch | |
abwinkende Kritik entmutigt finden, hat sich die Hoffnung freudestrahlend | |
bei den um Risikokapital pitchenden Start-ups eingenistet. Facebook ist | |
dafür ein gutes Beispiel. Dort hoffte man, ganz der Logik des | |
Digitalkapitalismus gemäß, dass eine Idee die Welt ändern könnte. Und man | |
hatte Recht. | |
Das alles muss aber nicht so bleiben. Anders als bei der Occupy-Bewegung | |
ist für UnlikeUs die Hoffnung auf Veränderung weniger aussichtslos. Die | |
Implosion von ehemals erfolgreichen Netzwerken wie MySpace oder StudiVZ hat | |
gezeigt, dass sie ebenso schnell verschwinden können, wie sie entstanden | |
sind. Und dann suchen 845 Millionen User nach einer Alternative. | |
UnlikeUs, 8. bis 10. März in Amsterdam. Videoaufzeichnungen der Konferenz | |
werden zügig ins Netz gestellt: [2][networkcultures.org/wpmu/unlikeus/] | |
7 Mar 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://networkcultures.org/wpmu/unlikeus/ | |
[2] http://networkcultures.org/wpmu/unlikeus/ | |
## AUTOREN | |
Mercedes Bunz | |
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