# taz.de -- 100 Tage Rot-Schwarz: Der Finanzsenator: Chef von Wowereits Gnaden | |
> Ulrich Nußbaum wirkt im Senat oft allmächtig. In Wirklichkeit hängt er | |
> vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ab. | |
Bild: Wirkt wie der starke Mann - aber nur, weil er die volle Unterstützung de… | |
Der Nußbaum will nicht. Der Nußbaum gibt kein Geld. Wenn | |
Bezirksbürgermeister oder Senatoren erklären sollen, warum sie wieder etwas | |
nicht bezahlen können, muss meistens der parteilose Finanzsenator | |
herhalten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) scheint | |
zeitweise in der Versenkung verschwunden, Ulrich Nußbaum der starke Mann in | |
der Landesregierung zu sein. Doch der Eindruck trügt: Denn nur mit | |
Rückendeckung des Regierenden kann der Finanzminister auf den Sparkurs | |
bestehen, den die rot-schwarze Koalition sich verordnet hat. Dass Wowereit | |
sich dabei zurückhält, ist nur logisch: Soll doch sein Finanzsenator die | |
Prügel einstecken – das gehört schließlich zur Jobbeschreibung. | |
Deshalb ist Nußbaum bei aller vermeintlichen Stärke auch kein möglicher | |
Nachfolger für Wowereit, falls der nach der Bundestagswahl 2013 eine | |
Anstellung im Bundeskabinett findet. Wowereit hat Nußbaum aus Bremen in den | |
Senat geholt, ohne Wowereit verlöre er seinen entscheidenden Rückhalt in | |
Berlin. Als Parteiloser hat Nußbaum keine Hausmacht in der SPD. Nüchterne | |
Pragmatiker von außerhalb mit nur lockerer Parteibindung sind in | |
Deutschland als Regierungschef generell immer noch die große Ausnahme, | |
Parteilose gab es in diesem Amt noch nie. | |
Die Sparlinie, die Nußbaum verfolgt, lautet: Pro Jahr dürfen die Ausgaben | |
nur um 0,3 Prozent wachsen – was weit unter der Inflationsrate von gut 2 | |
Prozent liegt. In diesem Rahmen bewegt sich der pro Jahr rund 22 Milliarden | |
umfassende Landeshaushalt. Darum ist es in der Regel auch nicht so, dass | |
der Finanzminister sagt: Dieses und jenes gefällt mir nicht, dafür gibt es | |
kein Geld. Auch für Nußbaum gilt, dass jeder Senator sein Ressort | |
eigenverantwortlich führt und nur der Regierende reinreden kann. Bei | |
zusätzlichen Begehren ist es an Nußbaum, die Senatoren zum Sparen im | |
eigenen Ressort zu ermahnen. | |
## Sarrazin ging noch weiter | |
Sein Vorgänger, der damals als Sanierer gefeierte Thilo Sarrazin (SPD), war | |
noch weiter gegangen: Er erlaubte sich, den Fachkollegen vorzurechnen, was | |
dieses und jenes denn tatsächlich kostet – und verglich Berlin mit Hamburg | |
als anderem Stadtstadt von Millionengröße. | |
Das aber hätte Sarrazin nicht tun können, wenn es nicht genau im Sinne | |
Wowereits gewesen wäre. Dafür steckte er auch, lange vor seiner | |
umstrittenen Buchveröffentlichung, Schmähungen ein wie: „Die Eltern | |
schrei’n, die Kinder flieh’n, da vorne kommt der Sarrazin.“ Die Macht des | |
Finanzsenators wie seiner Ministerkollegen im Bundes- und anderen | |
Länderkabinetten ist letztlich nur vom Chef geliehen. Nichts hat das jemals | |
so deutlich gemacht wie ein legendär gewordener Satz des früheren | |
Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu seinem damaligen Finanzminister Hans | |
Eichel (beide SPD): „Lass mal gut sein, Hans“, sagte der Kanzler, als | |
Eichel wieder mal an die Kassenlage erinnerte. Vorbei war es mit dem Image | |
des Sparkommissars, die Regierungskollegen bockten fortan, weil sie | |
wussten, dass der Chef nicht länger hinter Eichel stand. Die Süddeutsche | |
Zeitung schrieb damals: „Vom Spar-Hans zum Blanken Hans“. | |
9 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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