# taz.de -- Erinnerung an 11. März 2011: Konterrevolution statt Energiewende | |
> Die nach dem Unglück in Fukushima versprochene Energiewende kommt nicht | |
> voran, finden Umweltschützer und Politiker. Grüne und SPD fordern die | |
> sofortige Revolution in der Energiepolitik. | |
Bild: Dachte jemand, der lange Marsch für saubere Energien sei Dank eines Kanz… | |
BERLIN dapd | Ein Jahr nach dem Atomunglück im japanischen Fukushima steht | |
die Energiepolitik der Bundesregierung heftig in der Kritik. Umweltschützer | |
kritisieren ebenso wie SPD und Grüne, die Energiewende laufe zu langsam. | |
Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Ex-Umweltminister Klaus | |
Töpfer sind unzufrieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die zuständigen | |
Minister hingegen verteidigen ihr Vorgehen. Für Sonntag sind in zahlreichen | |
Städten Anti-Atom-Demonstrationen geplant. | |
Am 11. März 2011 hatte ein schweres Erdbeben mit Tsunami mehrere | |
Reaktorblöcke des japanischen Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi stark | |
beschädigt. Es kam zu Kernschmelzen, radioaktive Strahlung trat aus. In | |
Deutschland wurde wenige Monate später der Atomausstieg bis Ende 2022 | |
beschlossen. Bis dahin soll der Anteil der erneuerbaren Energien kräftig | |
ausgebaut werden. | |
SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte jedoch, die Vorbereitungen für die | |
Energiewende stünden auf Stufe Null. „Nach dem Ausstiegsbeschluss scheint | |
die Merkel-Koalition ihre Arbeit eingestellt zu haben“, sagte er der | |
Zeitung Sonntag Aktuell. Es bestehe die große Gefahr, dass der Atomausstieg | |
scheitere - mit verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen. | |
Auch den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin | |
gehen die Bemühungen der Regierung nicht weit genug. Die notwendige | |
Energiewende habe die Bundesregierung „bis heute weder eingeleitet noch | |
vollzogen“, monierten die beiden in Berlin. „Statt der von Schwarz-Gelb | |
ausgerufenen 'Revolution' deutet mehr auf eine Konterrevolution in der | |
Energiepolitik hin.“ | |
## „Atomausstieg auf die lange Bank geschoben“ | |
Der Ex-Umweltminister und frühere Chef des UN-Umweltprogramms, Töpfer | |
(CDU), kritisierte, es fehle in der Energiepolitik an Nachdruck und | |
Konsequenz. Während die Energiewende bei den Bürgern dynamisch verlaufe, | |
benötige sie in Politik und Verwaltung dringend neuen Schwung, sagte er den | |
Ruhr Nachrichten. | |
EU-Energiekommissar Oettinger (CDU) beklagte, die Regierung setze zu sehr | |
auf Freiwilligkeit. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, schaffen wir | |
gerade einmal die Hälfte unseres Zieles - nämlich 10 statt 20 Prozent | |
höhere Energieeffizienz“, sagte der frühere Ministerpräsident von | |
Baden-Württemberg dem Spiegel. | |
Der Umweltschutzverband BUND warf der Bundesregierung ebenfalls schwere | |
Fehler vor. „Die Bundesregierung hat den endgültigen Atomausstieg leider | |
auf die lange Bank geschoben“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in | |
Berlin. Das sei unverantwortlich. Die Energiewende drohe zu scheitern. Der | |
Sprecher der Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt, Jochen Stay, erinnerte | |
daran, dass hierzulande noch neun Atomkraftwerke laufen. „Damit kann es | |
jeden Tag zu einem Super-GAU kommen“, mahnte er. | |
## Merkel: Netzausbau hat absolute Priorität | |
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte hingegen, die | |
Bundesregierung habe nach Fukushima „schnell und entschlossen gehandelt“. | |
Allerdings seien die zur Energiewende gehörenden Beschlüsse „kein Endpunkt, | |
sondern ein Startpunkt“. | |
Die Bundeskanzlerin sagte in ihrer wöchentlichen Videobotschaft, mit dem | |
Atomausstieg biete sich in Deutschland die Chance, weltweit führend bei den | |
erneuerbaren Energien zu werden. Nun werde der Ausbau neuer Stromtrassen | |
angegangen. Der Netzausbau habe „absolute Priorität“, denn Deutschland | |
brauche neue, leistungsfähige Nord-Süd-Verbindungen, sagte die CDU-Chefin. | |
Der Bedarfsplan für die Netze solle Anfang Juni vorliegen, das Gesetz, das | |
den Bau anschiebe, werde Ende des Jahres fertiggestellt. | |
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler verteidigte erneut die umstrittene | |
Kürzung der Solarförderung. „Wir brauchen mehr erneuerbare Energien, wir | |
brauchen aber auch marktwirtschaftliche Prinzipien“, sagte der FDP-Chef in | |
Hameln. „Wir müssen den Marktdruck haben, sonst kommen die Asiaten und | |
machen es billiger.“ | |
11 Mar 2012 | |
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Schwerpunkt Atomkraft | |
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