# taz.de -- Eurovision Song Contest in Aserbaidschan: „Boykott ist kein Thema… | |
> Kritische Journalisten leben gefährlich in Aserbaidschan. Dennoch sehen | |
> Menschenrechtler den ESC als Chance und intensivieren in die Kampagne | |
> „Sing for democracy“. | |
Bild: Hinsehen oder lieber wegsehen? Menschenrechtler wollen den ESC, bei dem R… | |
„Sing for democracy“: So lautet das Motto einer Kampgane von 30 | |
Nichtregierungsorganisationen in Aserbaidschan. Sie wollen so das | |
gewachsene internationale Interesse für ihr Land vor dem Eurovision Song | |
Contest im Mai nutzen, um auf die Situation der Menschenrechte aufmerksam | |
zu machen. | |
Und die ist, gelinde gesprochen, desolat – auch und besonders für | |
Journalisten. „Kritische Medienmacher werden systematisch unter Druck | |
gesetzt“, sagte der Vorsitzende des Clubs für Menschenrechte und | |
Koordinator der Kampagne, Rasul Jafarov, auf einer Pressekonferenz von | |
Reporter ohne Grenzen am vergangenen Freitag in Berlin. | |
Als jüngstes Beispiel nannte er den Fall der unabhängigen Journalistin | |
Chadija Ismailowa. Sie hatte vor allem über Korruption im Staatsapparat und | |
dubiose Offshore-Geschäfte von Staatspräsident Ilham Alijew berichtet. In | |
der vergangenen Woche gingen Ismailowa per Mail intimes Fotomaterial über | |
sie sowie ein Drohbrief zu. Darin wird sie aufgefordert, ihre Recherchen | |
einzustellen, andernfalls werde sie ernste Probleme bekommen. | |
Derartigen Ankündigungen folgen bisweilen Taten. Im vergangenen November | |
ermordeten Unbekannte Rafik Tagi, Mitarbeiter der Zeitung Sanat, mit einem | |
Messer. Er hatte unter anderem negativ über religiösen Fanatismus sowie die | |
aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen berichtet. Awas Sejnalli, | |
Chefredakteur der Zeitung Chural, sowie der Blogger Bachtijar Hajijew | |
wurden 2011 verhaftet. Sie sind zwei von 60 Gefangenen, die derzeit aus | |
politischen Gründen in aserbaidschanischen Gefängnissen einsitzen. Sejnalli | |
hatte den Präsidenten kritisiert, Hajijew hatte über Facebook zu | |
Demonstrationen aufgerufen. | |
## Effektive Schikanen gegen kritische Journalisten | |
Wenn Berichterstatter nicht gleich ermordet werden, gibt es genug andere | |
Möglichkeiten für effektive Schikanen in der Kaukasusrepublik, wo es gerade | |
einmal zwei oppositionelle Zeitungen und keinen unabhängigen Radio- bzw. | |
Fernsehsender gibt: Behinderung von journalistischer Arbeit – wie im | |
vergangenen Januar, als Reporter festgenommen wurden, die über Protest | |
gegen Zwangsräumungen berichten wollten –, die Beschlagnahme technischer | |
Ausstattung oder eben die Schließung des Mediums. | |
Auch auf ausländische Journalisten wird verstärkt Druck ausgeübt. So | |
berichtete Jafarov über einen norwegischen sowie einen US-amerikanischen | |
Journalisten, die bei der Beantragung eines Visums ihre Artikel vorlegen | |
mussten. Zwecks Vorortberichterstattung über den Song Contest erließ | |
Präsident Alijew unlängst ein spezielles Dekret. Eine Einreisegenehmigung | |
im Mai für die Dauer von zehn Tagen bekommt nur, wer eine Konzertkarte | |
sowie eine Einladung der European Broadcasting Union vorweisen kann. | |
## „Boykott war nie ein Thema“ | |
Dennoch: „Zu einem Boykott des Wettbewerbs aufzurufen, war für uns nie ein | |
Thema“, sagte Jafarov. Stattdessen sind jetzt im Rahmen der Kampagne eine | |
Konferenz über Menschenrechte sowie ein alternatives Musikfestival geplant. | |
Wo die Konferenz stattfindet, ist allerdings noch unklar – das erste Hotel | |
hat bereits abgesagt: auch ein gängiges Vorgehen, um die Opposition zum | |
Schweigen zu bringen. | |
In dieser Woche wird Außenminister Guido Westerwelle mit einer Delegation | |
durch den Südkausus touren. Mit von der Partie ist der | |
Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP). Er | |
sieht in dem Treffen mit den Verantwortlichen in Baku die Chance zu einem | |
Dialog, wie er am Freitag sagte. | |
Bereits im August 2011 hatte Löning in der aserbaidschanischen Hauptstadt | |
seine Aufwartung gemacht. Verbesserungen bei den Menschenrechten, so merkte | |
Jafarov an, hätten sich durch diesen Besuch jedoch nicht ergeben. | |
12 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
Barbara Oertel | |
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