# taz.de -- Kommentar Syrien: Assads Gewalt, Syriens Hoffnung | |
> Syriens Bevölkerung ist besser für die Demokratie vorbereitet als vor | |
> einem Jahr. Die Frage ist, ob die zivile Entwicklung mit der | |
> Militarisierung des Konflikts Schritt halten kann. | |
Bild: Pro-Assad-Demonstration für Baschar al-Assad in Damaskus. | |
Stadt für Stadt, Viertel für Viertel rückt die syrische Armee gegen die | |
Protesthochburgen vor. Die vernichtende Militäroffensive in der Stadt Homs | |
ist kaum beendet, da stürmen Assads Truppen bereits die Wohnviertel des | |
nördlichen Idlib. Inzwischen sind zwei- bis dreistellige Todeszahlen pro | |
Tag Normalität in Syrien. | |
Ein Jahr nach Beginn der Proteste sucht die internationale Gemeinschaft | |
mittlerweile ernsthafter nach einer Lösung, wie das Blutvergießen beendet | |
werden kann. Eine militärische Intervention steht trotzdem nicht zur | |
Debatte. | |
Dafür werden die Rufe lauter, die eine Bewaffnung der Rebellen von außen | |
fordern. Doch die Freie Armee Syriens (FAS) zählt zu den Unbekannten in der | |
syrischen Gleichung. Denn es handelt sich nicht um eine „Armee“ mit | |
zentralen Kommandostrukturen. Vielmehr ist FAS ein Sammelbegriff für lokale | |
Milizen und Bürgerwehren. Gerüchte, dass Al-Qaida-Kämpfer aus den | |
Nachbarländern nach Syrien eingesickert sind, haben die Zweifel an ihr noch | |
verstärkt. | |
Es ist ein Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt: Derzeit kann die FAS die | |
Bevölkerung nicht schützen. Mit ihren leichten Waffen stehen die Rebellen | |
Assads Armee chancenlos gegenüber. Andererseits birgt eine Aufrüstung der | |
FAS durch politisch zweifelhafte Akteure wie die Saudis oder al-Qaida das | |
Risiko einer Ausweitung von Chaos und Gewalt. | |
Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit aber ist eine Entwicklung | |
in Gang gekommen, die Hoffnung macht: Nach Jahrzehnten der Unterdrückung | |
entwickelt sich eine erstarkende Zivilgesellschaft. Geschäftsmänner spenden | |
Geld und Hilfsgüter, Ärzte versorgen Verletzte in versteckten Kliniken, | |
Gemeindeführer arbeiten daran, konfessionelle Spannungen zu zerstreuen, | |
Frauen organisieren die Essensversorgung. | |
Inmitten all der Gewalt haben ganz normale Menschen komplexe | |
Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut. Das ist eine ungeheure Leistung. Den | |
Syrern ist es in den belagerten Städten gelungen, einen Zusammenbruch der | |
Gesellschaft zu verhindern. | |
In gewisser Weise ist Syriens Bevölkerung damit besser auf einen | |
politischen Aufbruch in Richtung Demokratie vorbereitet als noch vor einem | |
Jahr. Die Frage ist nur, ob diese zivile Entwicklung mit der | |
Militarisierung des Konflikts Schritt halten kann. Ohne Unterstützung von | |
außen stehen die Chancen dafür nicht gut. | |
13 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Gabriela Keller | |
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