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# taz.de -- Arktisschutz wird geopfert: Ölsuche im eisigen Ökosystem
> Die Schamfrist nach dem "Deepwater Horizon"-Unglück ist vorbei. Shell und
> Co. treibt es in die Arktis, um fernab von jeder Technik zur
> Unfallbekämpfung Öl zu fördern.
Bild: Von Greenpeace geentert: Das von Shell gecharterte Bohrschiff „Noble Di…
STOCKHOLM taz | Eine halbmeterdicke Eisschicht umgibt Russlands erste
permanente Ölbohr- und Produktionsplattform in der Arktis. Aber auf der
„Prirazlomnaya“ wimmelt es nur so. Die 600 Mann starke Besatzung trifft die
letzten Vorbereitungen.
Im Spätsommer war die Plattform an ihren Standort in der Petschora-See
südlich der Insel Nowaja Semlja geschleppt worden. Seitdem wird sie fit
gemacht. Denn Ende März will die Gazprom-Tochter GazpromNeftShelf den
Betrieb aufnehmen.
Umweltschutzorganisationen sind skeptisch. Alles sei geheim, es gebe
keinerlei öffentliche Information über Katastrophenpläne, sagt Anna
Kireyeva, die für die norwegische Umweltschutzorganisation Bellona dort in
Murmansk arbeitet: „Wenn etwas passieren sollte, wird das mit Sicherheit
unter der Decke gehalten.“
Auch am anderen Ende der Arktis, vor der Küste Alaskas, soll nun gebohrt
werden. Dort ist mit der britisch-niederländischen Shell erstmals einer der
großen westlichen Konzerne am Start.
Shells Offshore-Bohrlizenzen für die Beaufort- und Tschuktschen-See lagen
wegen des im Gefolge der „Deepwater Horizon“-Katastrophe im Golf von Mexiko
von Washington verhängten Bohrmoratoriums zeitweise auf Eis. Mittlerweile
wurde die Erlaubnis erteilt, und in diesem Sommer sind fünf Bohrlöcher
geplant.
Von Warnungen über ungeklärte Risiken und inakzeptable Konsequenzen für den
Fall eines Blow-outs will man sich auch hier nicht bremsen lassen.
## Den ganzen Tag Dunkelheit
Neben extremen Wetterbedingungen und den Eisverhältnissen bewerten
Umweltschützer vor allem die Abgelegenheit der Bohrplätze weit von jeder
Verkehrsinfrastruktur als zusätzlichen Risikofaktor.
In Alaska liegt der nächste größere Hafen 2.000 Kilometer von den
Shell-Bohrfeldern entfernt. Von der Gazprom-Plattform vor Sibirien sind es
1.200 Kilometer bis zum Hafen Murmansk.
Zu weit von jeder Technik für die Bekämpfung und Sanierung eines
Ölaustritts, kritisieren Bellona, WWF und Greenpeace-Russland in einer
gemeinsamen Erklärung. Sie warnen vor allem vor Problemen im Winter, wo
praktisch den ganzen Tag Dunkelheit herrscht.
Ganz abgesehen davon, dass bislang weder technisch noch von der
ökologischen Seite her geklärt sei, wie man einen Ölteppich im Eis effektiv
sanieren könne. In Neuseeland versuchte Greenpeace im Februar mit einer
Besetzungsaktion das für die Bohrungen vor Alaska vorgesehene Bohrschiff
„Noble Discoverer“ zu stoppen.
„Wir müssen doch nicht wirklich den letzten Tropfen Öl aus den
entferntesten Gegenden der Erde heraussaugen“, erklärte
Greenpeace-Sprecherin Kelly op de Weegh.
## Protest in Finnland
Und auch in Helsinki könnte eine ähnliche Aktion anstehen. Dass
ausgerechnet Finnland, das immer großen Wert auf ein grünes Image legt, die
umstrittenen Ölbohrungen unterstützt, löst Proteste aus.
Die staatseigene Reederei Arctia-Shipping hat mit Shell für die kommenden
drei Jahre einen Leasingvertrag für zwei finnische Eisbrecher
abgeschlossen. „Fennica“ und „Nordica“ sollen die Gewässer um die
Bohrschiffe in der Beaufort- und Tschuktschensee eisfrei halten und
Eisschollen und Eisberge, die sich auf Kollisionskurs befinden, abdrängen.
Ein Einsatz, ohne den die geplanten Bohrungen nicht durchzuführen wären. In
einem offenen Brief hat Greenpeace die finnische Regierung und die
Staatsreederei nun aufgefordert, diesen Vertrag aufzukündigen.
Statt die Ölaktivitäten noch durch eigene Dienstleistungen zu ermöglichen,
solle Helsinki sich lieber an den Bemühungen um einen wirksamen
Arktisschutz beteiligen.
16 Mar 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Alaska
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