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# taz.de -- Kommentar Bundespräsident Gauck: Gauck, der Schüler
> Der neue Bundespräsident hat in seiner Antrittsrede deutlich gemacht,
> dass er lernen will. Dafür verdient er Respekt.
Jetzt hat das Land also einen neuen Bundespräsidenten. Und Joachim Gauck
hat mit seinen ersten Worten im Amt bewiesen, dass er aus der aufgeregten
Debatte über seine Person Schlüsse gezogen hat. Er werde, kündigte er nach
seiner Wahl an, sich neu auf Themen, auf Probleme und Personen einlassen.
Übersetzt heißt das nichts anderes als: Der Präsident will lernen.
Für diese Aussage verdient er Respekt. Ein Präsident, der seine Thesen an
neuen Erfahrungen prüfen möchte, ist allemal besser als jemand, der ein und
dasselbe ständig reproduziert. Dass Gauck dazu auch in der Praxis fähig
ist, hat er schon bewiesen.
Als sich der türkische Botschafter vor einem Monat mit Angehörigen der
Opfer der rechtsextremen Terrormorde traf, kam Gauck spontan dazu. Damit
setzte er ein richtiges Zeichen, das den Familien eher in Erinnerung bleibt
als sein dümmlich-naives Lob für Sarrazin.
Wenn ständig die Rede davon ist, dass lebenslanges Lernen notwendig sei,
muss man dies auch einem Präsidenten zugestehen. Zumal das Amt die Person
beeinflussen wird. Manches, was Gauck als Privatperson sagte, würde er als
Präsident wohl anders formulieren. Wer für alle BürgerInnen spricht, wägt
seine Worte. Wobei eine große Herausforderung für Gauck in seiner
Selbstverliebtheit liegt.
Es ist kein Zufall, dass Gauck, als er gestern vom 18. März und den ersten
freien Wahlen in der DDR sprach, fast in jedem Satz ein „Ich“ unterbrachte.
Gauck redet am liebsten von sich selbst. Wer aber lernen will, muss
zuhören. Sicher: Gauck ist im Herzen ein Konservativer, der auch dem
Liberalismus einer FDP einiges abgewinnen kann.
Er wird auch als Lernender nicht plötzlich linke Positionen entwickeln,
eine fundierte Kritik des weltweiten Finanzkarussells darf man von ihm
nicht erwarten. Während der gesellschaftliche Diskurs zunehmend nach links
rückt und selbst die CDU den Mindestlohn übernimmt, muten manche Positionen
Gaucks fast anachronistisch an. SPD und Grüne werden schnell merken, dass
sie sich keinen Gefallen getan haben.
Anders herum: Was ist so schlimm an einem Präsidenten, mit dem und über den
Linke streiten müssen? Es gibt Schlimmeres. Die peinlichen Machtspiele, die
ihn ins Amt hoben, waren ebenso wenig eine Werbung für die Demokratie wie
die Kapriolen seines Vorgängers. Ein scharfer Streit über Inhalte kann dies
sehr wohl sein.
18 Mar 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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