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# taz.de -- Julia Holters Album „Ekstasis“: Sehnsucht nach den simplen Ding…
> Mysteriös, weltumarmend, zielstrebig: Der jungen kalifornischen
> Popkünstlerin Julia Holter ist mit „Ekstasis“ ein fantastisches Album
> gelungen.
Bild: Mit „Ekstasis“ veröffentlicht Julia Holter binnen einem Jahr ihr zwe…
„Während des Aufnahmeprozesses bin ich immer alleine. In allen Schritten.
Ob ich Instrumente einspiele, ob ich singe, ob ich das Aufgenommene
arrangiere, ich arbeite selbstständig. Das bedeutet, ich muss mich auf
meine Vorstellungskraft verlassen und alleine mit ihr kreative Lösungen
finden.“
Ihrem Künstlerego stellt die US-Musikerin Julia Holter schon den Titel
ihres neuen Albums „Ekstasis“ entgegen. „Im Wortsinn bedeutet Ekstase
’außerhalb des Selbst‘. Und genau das mag ich an diesem Wort.“ Früher h…
Holter Musik gemacht, um sich damit an andere Orte zu imaginieren.
Inzwischen wird ihr das ein bisschen aus der Hand genommen, erzählt die
28-Jährige. Sie reist ihrer Musik hinterher um die Welt. Das sei ein
seltsames Gefühl, sagt Julia Holter am Telefon in New York, wo sie abends
ein Konzert spielen wird.
Die Dinge liegen jetzt tatsächlich anders für die Künstlerin. Im
renommierten britischen Musikmagazin The Wire ist ein großes Porträt über
Julia Holter erschienen, auch in ihrer Heimat wird sie gefeiert und erste,
auch europäische Zeitungen preisen ihre Musik. Mit „Ekstasis“
veröffentlicht Julia Holter binnen einem Jahr ihr zweites Album. Da ihr
erstes, „Tragedy“, vergangenes Jahr nur in Kleinstauflage erschienen war
und so vor allem in Musikblogs für Aufsehen sorgte, fühlt sich „Ekstasis“
nun wie ihr eigentliches Debüt an. Auch die findigsten Blogger haben nichts
daran geändert: Die Geheimnisse von Julia Holters Musik lassen sich nicht
einfach ergründen. Und genau die mysteriöse Schönheit ihrer Songs geben
einem auch den Glauben an die Bedeutung von Pop zurück.
Dementgegen beschreibt die kalifornische Musikerin ihre Arbeitsweise
nüchtern. Zurückhaltend, trotz ihres einsiedlerhaften Künstlerdaseins
zielstrebig wirkt sie. Man hat das Gefühl, Holter nutzt Pop als
Erdungskabel, so kann sie besser mit der Welt kommunizieren. Ein
Utilitarismus, der im Musikbiz und seiner Bühne für dem lauten Knall
zugetane Freaks und die Bespieler des schönen Scheins rar ist. Holters
sphärischer Avantgarde-Pop verhält sich dazu wie ein Paralleluniversum mit
gedrosselter Geschwindigkeit und höflichen Umgangsformen. Freunde schildern
die 28-Jährige als bescheiden und belesen, mit einem Interesse an
Geschichte und einem Bewusstsein für Vergänglichkeit. All das
Eigenschaften, die man hierzulande keiner Amerikanerin, schon gar keiner
Kalifornierin zugestehen würde.
## Ein perfekter Ort
Julia Holters Musik hört sich nicht nach gängigen Klischees ihrer
Heimatstadt Los Angeles an. „L.A. ist schon geografisch ziemlich
facettenreich, es grenzt an die Wüste und an den Pazifik, es gibt Downtown,
Hollywood und verschiedene kleine Künstlerenklaven. Dazwischen ist so viel
Platz, dass man zu sich selbst kommen kann. Man kann auch Eremit sein, ohne
dass sich daran jemand stört. Los Angeles ist perfekt für mich, weil ich
Zugang zu unterschiedlichen Szenen habe. Ich fühle mich nicht nur einer
Welt verpflichtet.“
Die neun Songs auf „Ekstasis“ nehmen Anleihen bei gegensätzlichen
musikalischen Welten, es gibt Anklänge an alten Folk und elektronisch
generierte Songstrukturen, frei improvisierte Parts und Gesangslinien mit
einem hohen Wiedererkennungswert. Julia Holter leistet sich den Luxus, dass
sie ausschließlich Musik macht, die ihren Klangvorstellungen verpflichtet
ist, das macht ihre Songs besonders. Sie kippen nie ins formelhafte, finden
immer wieder Auswege aus Melodien und schlüpfen elegant durch die Maschen
von Strophen und Refrains. Abseits gängiger Aufmerksamkeitsmuster kommen
die Hooklines ansatzlos von sperrig nach eingängig und wieder zurück.
Instrumentiert mit meist nicht viel mehr als dem Piano, einer Drummachine
und Holters spröder Stimme. Und mit Texten, die in der Vergangenheit
wildern, ohne nostalgisch zu sein. Die simple Wünsche äußern, eine
Sehnsucht nach Dingen und Menschen, wie in den Songs „4 Gardens“ und „In
the same Room“.
„Ja, Sehnsucht ist in meinen Texten sehr verbreitet. Ich mag die Idee, dass
man etwas will, was man nicht hat. Das ist ein klassisches Szenario, damit
lässt sich wirklich Spannung aufbauen“. Auch Holters Musik verbindet
Kontemplatives und Methodisches, sie hat so viele Bedeutungsschichten, dass
man schon sehr genau hinhören muss, um die losen Fäden aufzunehmen und
weiterzuspinnen. Analoge Instrumente und digitale Produktionsweisen werden
vermischt, genau wie das Arrangieren mit dem Logic-Programm und dem
Komponieren auf Notenpapier.
Um den Kopf frei zu bekommen, unterrichtet Julia Holter auch als
ehrenamtliche Tutorin an einer Highschool Klavier. „Wenn die Schüler meine
Ideen umsetzen und eigenständig kreativ werden, verschafft mir das
Genugtuung.“
## Julia Holter: „Ekstasis“ (Rvng Intl)
Das Video hat die Berliner Künstlerin Jana Papenbroock für die taz gemacht.
19 Mar 2012
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Kalifornien
Avantgarde
Los Angeles
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Holter ein anspielungsreiches Porträt ihrer Heimatstadt Los Angeles.
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