| # taz.de -- Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen: Die Harmonie der Minderheit | |
| > Uran, Kohlekraft, Autobahnbau: Ausgerechnet ein klarer Sieg von Rot-Grün | |
| > könnte im größten Bundesland für Zoff sorgen – denn dann wachsen die | |
| > Erwartungen der Basis. | |
| Bild: Beispiellose Disziplin: Die Regierungsspitze stimmt für den abgelehnten … | |
| BERLIN/BOCHUM taz | Von ihrer rot-grünen Minderheitsregierung schwärmt | |
| Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auch nach dem | |
| Scheitern: „Für die Demokratie“ sei die Suche nach wechselnden Mehrheiten | |
| „ein Vorteil“, erklärte die Sozialdemokratin am Montag in Berlin. | |
| Bloß nicht Auftrumpfen, bloß nicht den Eindruck erwecken, sie hätte die für | |
| den 13. Mai angesetzten Neuwahlen selbst inszeniert: Das ist Krafts Linie | |
| für den Wahlkampf. Von der Selbstauflösung des Landtags vergangene Woche | |
| sei sie völlig überrascht worden, versicherte sie. „Ich habe gedacht, dass | |
| wird ein ruhiger Mittwoch.“ | |
| Dabei profitiert vorerst niemand mehr von den vorgezogenen Wahlen als Kraft | |
| selbst. Umfragen sehen ihre SPD mit 38 Prozent vorn – zusammen mit 14 | |
| Prozent der Grünen könnte Rot-Grün einen klaren Sieg einfahren. Die CDU | |
| kommt nur auf 34 Prozent, während sich ihr Spitzenkandidat Norbert Röttgen | |
| mit seiner Weigerung, bei einer Niederlage als Oppositionsführer nach | |
| Düsseldorf zu wechseln, selbst schadet. Die FDP dürfte | |
| höchstwahrscheinlich, die Linke vielleicht aus dem Landtag fliegen. Für | |
| Überraschungen wären an Rhein und Lippe dann die Piraten zuständig. | |
| Zwar halten sich führende NRW-Grüne formell alle Koalitionsmöglichkeiten | |
| offen. Von „Ausschließeritis“ halte er gar nichts, betonte | |
| Landtagsfraktionschef Reiner Priggen gerade in der taz. Doch mehr als | |
| Gedankenspiele sind das nicht: „Gerne“ solle Rot-Grün weiterregieren, | |
| wünscht sich die Vizeministerpräsidentin und grüne Spitzenkandidatin Sylvia | |
| Löhrmann. | |
| ## Minderheitenstatus sorgte für Disziplin | |
| Doch ob das mit einer klaren Mehrheit ausgestattete Duo Kraft-Löhrmann | |
| ähnlich harmonisch weiterregieren würde wie in den vergangenen zwei Jahren, | |
| ist längst nicht sicher. Bisher sorgte der Minderheitenstatus für | |
| beispiellose Koalitionsdisziplin. Konflikte wurden hinter verschlossenen | |
| Türen ausgetragen oder vertagt. Doch die ökologische Basis erhöht bereits | |
| jetzt den Druck auf ihre Partei: „Nach einem rot-grünen Sieg müssen die | |
| Grünen liefern“, fordern Vertreter von Umwelt- und Naturschutzverbänden wie | |
| der Anti-Atom-Bewegung. | |
| Erfolge wollen sie vor allem in der Energiepolitik sehen: Um endgültig aus | |
| der Atomenergie auszusteigen, müsse Deutschlands einzige | |
| Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau geschlossen werden – | |
| die SPD fürchtet Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe. Der | |
| gerichtlich beschlossene Baustopp für Klimakiller wie das Kohlekraftwerk in | |
| Datteln müsse auch politisch umgesetzt werden – Umweltschützer wie Dirk | |
| Jansen vom nordrhein-westfälischen BUND warnen bereits vor den | |
| kohlefreundlichen „alten Garden der Ruhr-SPD“. Eingeschränkt werden müsse | |
| auch der Abbau der besonders klimaschädlichen Braunkohle – im Rheinland | |
| zerstören riesige Bagger noch immer ganze Landstriche. | |
| Streit geben dürfte es auch in der Verkehrspolitik. Noch beharrt der | |
| zuständige SPD-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger auf dem Weiterbau der | |
| Autobahnen A33 und A1. Letztere soll durch den von den Grünen gefeierten | |
| Naturpark Eifel betoniert werden. Von besseren Bahnverbindungen ist dagegen | |
| angesichts knapper Kassen nichts zu sehen. | |
| Der grüne Umweltminister Johannes Remmel streitet dagegen für bessere | |
| Wasserwerke: Gerade im Ruhrgebiet fließen noch immer Industriechemikalien | |
| und Viren aus den Hähnen – doch die Revier-SPD fürchtet um die Profite | |
| ihrer Stadtwerke und damit um die Haushalte ihrer klammen Kommunen Dortmund | |
| und Bochum. Umstritten ist selbst der Nichtraucherschutz: Während die grüne | |
| Gesundheitsministerin Barbara Steffens für ein striktes Rauchverbot kämpft, | |
| mobilisiert die SPD-Basis für die Rettung der Eckkneipen. | |
| Hannelore Kraft könnte der erzwungenen Harmonie der fehlenden Mehrheit also | |
| noch nachtrauern. Ausschließen will auch die SPD-Chefin deshalb gar nichts: | |
| In Berlin betonte sie, nach der Wahl sei auch eine Minderheitsregierung | |
| möglich. | |
| 19 Mar 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| S. Reinecke | |
| A. Wyputta | |
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