# taz.de -- Kulturprojekt sucht neuen Ort: BMW verfährt sich in Kreuzberg | |
> Nach dem Rückzug des Kunstprojekts BMW Guggenheim Lab aus | |
> Berlin-Kreuzberg wird diskutiert, ob der Kiez zu einem Hort der | |
> Intoleranz geworden ist. | |
Bild: Hier sollte das Lab hin: Brache an der Cuvry-Straße. | |
Mal wieder Kreuzberg. Dauerattacken auf die Nobel-Carlofts, Steinwürfe auf | |
die O2-Arena, Hassdebatten gegen Touristen. Und nun das „BMW Guggenheim | |
Lab“, vertrieben vom Spreeufer. | |
Schon tobt die Debatte: Kreuzberg, Insel der Intoleranz? Da wettert | |
Innensenator Frank Henkel (CDU) gegen „Chaoten“ als „Standortrisiko für | |
Berlin“. Verurteilt der Regierende Klaus Wowereit (SPD) die „plumpen | |
Drohungen“ gegen ein Projekt, dem die Stadt „den roten Teppich ausrollen“ | |
müsse. Spricht Tourismuschef Burkhard Kieker von „einzelnen Kreuzberger | |
Gruppen“, die zum Problem würden. | |
Was war geschehen? Am Montagabend erklärte die New Yorker | |
Guggenheim-Stiftung den Rückzug ihres „BMW Guggenheim Lab“ aus Kreuzberg �… | |
„in Folge von Drohungen gegen das Projekt“. | |
Auf der Brachfläche Schlesische Ecke Cuvrystraße unweit der Oberbaumbrücke | |
wollte das Kulturprojekt ab dem 24. Mai neun Wochen lang mit Künstlern, | |
Architekten und Aktivisten über „urbanes Leben der Zukunft“ diskutieren. | |
Passé. Man könne das „Risiko gewalttätiger Übergriffe nicht eingehen, wie | |
sie von einer kleinen Minderheit angedroht wurden“, begründet die Stiftung | |
ihre Flucht. | |
Die Polizei konkretisiert: In einer Gefahrenanalyse habe man mitgeteilt, | |
dass aufgrund von Aufrufen im Internet mit Sachbeschädigungen, „in erster | |
Linie Farbschmierereien“, auch Steinwürfen zu rechnen sei, so ein Sprecher. | |
Man habe einen Wachschutz vorgeschlagen. Auch könnten Veranstaltungen | |
„lautstark“ gestört werden. Angriffe auf Personen seien aber nicht zu | |
erwarten. | |
Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) hätte sich von der Stiftung eine | |
andere Entscheidung gewünscht: „Ein offensiver Umgang mit der Kritik wäre | |
besser gewesen.“ Gleichzeitig hätten die Gegner „eine große Chance vertan | |
und sich selbst geschadet“. Das „Lab“ hätte eine gesamtstädtische Debat… | |
anstoßen können. Aber Kreuzberg als Hort der Intoleranz? Schulz verneint. | |
„Kritisch diskutieren ist doch etwas Positives.“ | |
Seit Wochen hatten Kreuzberger aus dem Anti-Mediaspree-Umfeld gegen das | |
„Lab“ gewettert. Das Projekt sei ohne Mitsprache der Anwohner entstanden, | |
eine „Imageveranstaltung des BMW-Konzerns“ und privatisiere ein Stück | |
Spreeufer. Den Rückzug nennt Initiativensprecher David Kaufmann nun einen | |
„super Erfolg“: „BMW hat erkannt, dass seine Show im Kiez politisch nicht | |
durchsetzbar ist.“ Dass mit körperlicher Gewalt gedroht worden sei, | |
bezeichnet Kaufmann als „Lüge, um das Gesicht zu wahren“. Intoleranz? Aber | |
ja, so Kaufmann – wenn es gegen Aufwertung und Kapitalinteressen gehe. | |
„Wenn Kreuzberg durchgentrifiziert wird, kann auf zivilen Ungehorsam nicht | |
verzichtet werden.“ Und über zukünftiges Leben diskutiere man „gerne ohne | |
BMW“. | |
Genau diese Haltung macht Christoph Tannert, Geschäftsführer des | |
Künstlerhaus Bethanien, wütend: „Es gibt in Kreuzberg eine | |
Besserwisser-Ideologie, die allen schadet.“ Er selbst verließ 2010 das | |
besetzte Bethanien im Streit mit Autonomen. Deren „Linksdogmatismus“ | |
bestimme zunehmend, welche Meinungen vertreten werden dürften. Auch Tannert | |
kritisiert das „BMW Guggenheim Lab“, das sich „mit einem | |
Weltbeglückungsanspruch in Szene“ setze. „Diese Kritik kommt aber nicht mit | |
dem Knüppel der Vertreibung daher.“ | |
Von einer „unschönen Situation“ spricht Ralf Gerlich von den Kreuzberger | |
Piraten. „Mehr Kommunikation“ hätte die verhindern können. Gerlich verwei… | |
auf den Bürgerentscheid Mediaspree. 87 Prozent der | |
Friedrichshain-Kreuzberger hatten 2008 gegen eine Spreeufer-Bebauung | |
gestimmt. "Gefolgt ist daraus nichts." Nun, so Gerlich, fühlten sich die | |
bestätigt, die auf Drohungen statt Dialog setzten. "Das hätte so nicht | |
kommen müssen." | |
Für die Guggenheim-Stiftung dürfte der Kreuzberger Aufstand ein Déjà-vu | |
sein. Schon beim Auftakt der „Lab“-Tour in New York im August 2011 gab es | |
Proteste – die Stiftung hielt sie damals aus. Man werde „auf jeden Fall“ | |
einen neuen Standort in Berlin suchen, heißt es nun. Wo, sei noch offen. | |
Diskutiert wird der Pfefferberg im Prenzlauer Berg. Den hatte die Stiftung | |
schon mal ins Auge gefasst, sich dann aber für das unangepasstere Kreuzberg | |
entschieden – zu unangepasst vielleicht. | |
20 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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