# taz.de -- Korruption in Indien: Kohleminen zum Schleuderpreis | |
> In Indien sind Kohleminen ohne Ausschreibung an Milliardäre verscherbelt | |
> worden. Verantwortlich soll Premier Singh sein. Verlust und Empörung sind | |
> groß. | |
Bild: Zwischen 2004 und 2009 sollen insgesamt 155 Kohleminen an private und sta… | |
DELHI taz | Der indische Premierminister Manmohan Singh, Begründer der | |
indischen Wirtschaftsreformen, steht im Zentrum eines neuen | |
Korruptionsverdachts. Anlass ist ein Berichtsentwurf des indischen | |
Rechnungshofes, welcher der Regierung vorwirft, dem Fiskus Verluste über | |
207 Milliarden Dollar durch den Verkauf von Kohleminen zugefügt zu haben. | |
Stimmen die Angaben des Rechnungshofes, die am Donnerstag in der Times of | |
India, der größten englischsprachigen Zeitung der Welt, veröffentlicht | |
wurden, würde es sich um den umfangreichsten Korruptionsskandal der | |
indischen Geschichte handeln. | |
Da Singh zur Zeit der Minenverkäufe zwischen 2004 und 2009 die meiste Zeit | |
auch das Amt des Kohleministers innehielt, richten sich die Anschuldigungen | |
direkt gegen ihn. Indische Medien sprachen von einem „Coalgate“ und der | |
„Plünderung des schwarzen Goldes“. | |
Die oppositionelle Bharatiya Janata Partei (BJP) unterbrach am Donnerstag | |
die Haushaltsberatungen im Parlament und forderte eine Stellungnahme | |
Singhs. „Dies ist der schlimmste aller Skandale, die Regierung raubt unser | |
Land aus“, sagte BJP-Sprecher Prakash Javedkar. Erst nach Gesprächen | |
zwischen der BJP und Singh, in denen der Premier versprach, den Bericht des | |
Rechnungshofes rasch vors Parlament zu bringen, nahmen die Abgeordneten die | |
Beratungen wieder auf. | |
## 207 Milliarden Dollar Verlust | |
Laut Rechnungshof vergab die Regierung unter Singh zwischen 2004 und 2009 | |
insgesamt 155 Kohleminen an über 100 Privatfirmen und einige staatliche | |
Konzerne. Die Vergabe der staatlichen Minen sei ohne öffentliches | |
Vergabeverfahren geschehen. Nach heutigem Wert der Minen seien dem Staat | |
dabei 207 Milliarden Dollar verloren gegangen. | |
Bereits im Dezember 2010 hatte der Rechnungshof der indischen Regierung die | |
Veruntreuung von 34 Milliarden Dollar bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen | |
vorgeworfen. Der Verdacht brachte Singhs Telekommunikationsminister hinter | |
Gitter und wurde kürzlich in einem Urteil des Obersten Gerichtshofs | |
bestätigt. Im gleichen Urteil erklärte der Oberste Gerichtshof die Vergabe | |
von Bergbaugenehmigungen ohne öffentliches Vergabeverfahren für illegal. | |
Das alles verschafft den erneuten Vorwürfen des Rechnungshofes besondere | |
Glaubwürdigkeit. Allerdings ließ der Rechnungshof am Donnerstag mitteilen, | |
dass der jetzt veröffentliche Entwurf keine endgültige Version sei. | |
Hauptnutznießer der Minenvergabe war die Crème de la Crème der indischen | |
Industrie, angeführt von den Milliardären Ratan Tata (Tata-Gruppe), Anil | |
Agarwal (Vedanta-Gruppe) und Lakshmi Mittal (Arcellor-Mittal-Gruppe). Die | |
Mehrzahl der Minen wird bis heute nicht genutzt – nicht zuletzt, weil die | |
indischen Maoisten einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Zerstörung der | |
Lebensgebiete der indischen Ureinwohner führen, in denen sich viele Minen | |
befinden. | |
22 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
## TAGS | |
Aluminium | |
Indien | |
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