| # taz.de -- Völlige Marktöffnung in Indien verschoben: Freier Handel macht arm | |
| > Die Vertragsabschluss zwischen der EU-Kommission und der indischen | |
| > Regierung zum Freihandelsabkommen wird vertagt. Der Widerstand in | |
| > Südasien ist immens. | |
| Bild: Gerade der indische Kleinhandel würde vom Freihandelsabkommen mit der EU… | |
| GENF taz | Die Unterzeichnung eines weitreichenden Freihandelsabkommens | |
| zwischen Indien und der EU, ursprünglich wichtigster Tagesordnungspunkt | |
| beim heutigen 12. Gipfeltreffen zwischen der EU-Kommission und der | |
| indischen Regierung in Neu Dheli, wird verschoben. | |
| Wegen massiver Proteste indischer StraßenhändlerInnen und KleinbäuerInnen | |
| kann die indische Regierung der Marktöffnung für europäische Groß- und | |
| Einzelhandelskonzerne sowie für Milchpulver, Geflügel und andere | |
| landwirtschaftlich Produkte nicht in dem von der EU verlangten Ausmaß | |
| zustimmen. | |
| Differenzen gibt es auch noch über die Zugangsbedingungen für europäische | |
| Autos und Maschinen auf den indischen Markt. Beim heutigen Gipfel wird | |
| vielleicht eine neue Frist für einen Vertragsabschluss vereinbart. | |
| Möglicherweise werden die Verhandlungen aber zunächst auf Eis gelegt. | |
| Im Vorgriff auf ein Freihandelsabkommen mit der EU hatte die indische | |
| Regierung Ende November beschlossen, dass europäische Groß-und | |
| Einzelhandelskonzerne künftig auch direkt an EndverbraucherInnen verkaufen | |
| dürfen. Dagegen demonstrierten Anfang Dezember in Neu Delhi und anderen | |
| indischen Großstädten mehrere hunderttausend Straßen-und Kleinhändler. | |
| ## EU besteht auf völlige Marktöffnung | |
| Daraufhin zog die Regierung ihre Entscheidung zurück. Doch die EU besteht | |
| weiterhin auf der völligen Marktöffnung für europäische Groß-und | |
| Einzelhandelskonzerne. Diese Liberalisierung würde jedoch bis zu 5,7 | |
| Millionen der rund 37 Millionen indischen Kleinhändler um ihr Einkommen | |
| bringen und sie in extreme Armut treiben, heißt es in einer Studie, die das | |
| katholische Hilfwerk Misereror, die Heinrich-Böll-Stiftung sowie die | |
| indische Nichtregierungsorganisation Third World Network im Dezember | |
| veröffentlichten. | |
| Die Studie warnt auch vor der von der EU verlangten Abschaffung aller | |
| indischen Zölle für europäische Milchpulver- und Geflügelimporte. 90 | |
| Millionen Menschen leben in Indien von der Milchwirtsschaft, über 3,5 | |
| Millionen von der Geflügelhaltung. | |
| Misereor-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer verweist darauf, dass, "in Indien | |
| schon heute 225 Millionen Menschen chronisch unterernährt sind, ein Viertel | |
| der Bevölkerung". Das geplante Freihandelsabkommen "würde die Einhaltung | |
| des Menschenrechts auf Nahrung für weitere Menschen akut gefährden". | |
| In ihrem im Januar vorgelegten Strategiepapier "Handel, Wachstum und | |
| Entwicklung" betont die EU-Kommission, dass sie von aufstrebenden Ländern | |
| wie Indien nahezu die gleichen Zollerleichterungen erwartet, wie die EU | |
| diesen Ländern gewährt. | |
| ## Gipfel in Neu Dehli | |
| Doch "in Indien leben immer noch 40 Prozent der Bevölkerung in extremer | |
| Armut, und jeder Vierte ist chronisch unterernährt. Unter so ungleichen | |
| Partnern ist eine solche 'Gleichbehandlung inakzeptabel", kritisiert | |
| Misereor-Handelsexperte Armin Paasch, der den Gipfel in Neu Delhi vor Ort | |
| beobachtet. | |
| Den Wunsch der indischen Regierung, Milchpulver , Geflügel und andere | |
| "sensible" Produkte von der geplanten Senkung oder gar völligen Abschaffung | |
| von Zöllen für europäische Importe auszunehmen, lehnt die EU-Kommission ab. | |
| Sie beruft sich dabei auf eine von ihr durchgeführte | |
| Nachhaltigkeitsuntersuchung. Danach werde das geplante Freihandelsabkommen | |
| keine negativen Auswirkungen auf die indische Bevölkerung haben. | |
| Allerdings beziehe sich diese Untersuchung der EU nur auf offizielle | |
| Wirtschaftssektoren Indiens wie zum Beispiel den Automobilbau, kritisiert | |
| Christine Chemnitz Handelsexpertin der Heinrich-Böll-Stiftung. Die | |
| inoffiziellen Sektoren, die über 90 Prozent der indischen Wirtschaft | |
| ausmachen, wurden nicht berücksichtigt. | |
| Chemnitz moniert zudem, dass die bisherigen Verhandlungen sowohl von der | |
| EU-Kommission als auch von der indischen Regierung "unter strikter | |
| Geheimhaltung" vor der jeweils eigenen Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft | |
| geführt wurden. | |
| 9 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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