# taz.de -- Eiskunstlauf-WM in Nizza: Kein Wurfaxel vor Gericht | |
> Bei der WM peilen Aljona Savchenko und Robin Szolkowy wieder das Podium | |
> an. Sie hätten das Zeug zum Multikulti-Traumpaar, wäre da nicht ihr | |
> Trainer. | |
Bild: Hängen zwischen Eiskunst und Vergangenheitsbewältung in der Luft: Aljon… | |
„Es wäre toll, wenn wir einen Podiumsplatz schaffen“, sagt Ingo Steuer am | |
Telefon. Er redet von der Eiskunstlauf-WM, die am Montag in Nizza beginnt | |
und von seinem Paar Aljona Savchenko/Robin Szolkowy. Die beiden Chemnitzer | |
gehen als Titelverteidiger im Paarlauf an den Start und gelten als ebenso | |
ehrgeizig wie ihr Trainer, dessen vor Anspannung verkniffenes Gesicht | |
legendär ist. | |
„Die Ausgangssituation ist schwierig“, erläutert Steuer. „Aljona war im | |
Januar verletzt. Wir konnten zur Europameisterschaft nicht antreten und | |
mussten seitdem das Training komplett neu aufbauen.“ Unter diesen Umständen | |
würde sich der überehrgeizige Steuer, der seine Sportler schon einmal für | |
wenig gelungene Wettkampfleistungen mit Missachtung gestraft hat, auch über | |
Silber oder Bronze freuen. | |
„Die Konkurrenz aus Russland und China ist ungemein stark, und wir können | |
die Leistung aus der Grand-Prix-Serie derzeit nicht abrufen“, sagt er. Die | |
hatten Savchenko/Szolkowy gewonnen. Mit einer Kür zur Musik des | |
Wim-Wenders-Films „Pina“. Sportlich soll es in Nizza eine Premiere geben: | |
Sie wollen den dreifachen Wurfaxel zeigen, den sie als einziges Paar der | |
Welt beherrschen. Im Training. Die Wettkampfpremiere steht noch aus. In der | |
Grand-Prix-Serie ist das Element mehrmals misslungen. | |
Am Donnerstag, dem Tag vor der Kürentscheidung in Nizza, hätte Robin | |
Szolkowy eigentlich einen Gerichtstermin in Chemnitz. „Den nehme ich für | |
ihn wahr“, sagt seine Anwältin Karla Vogt-Röller. „Bei Gericht wird ja ke… | |
Wurfaxel gefordert.“ Und juristische Pirouetten beherrscht die Berliner | |
Anwältin, die für den stasibelasteten Trainer Steuer schon so manche | |
Schlacht geschlagen hat. | |
## Gesicherter Lebensunterhalt über die Bundeswehr | |
Szolkowy will in die Bundeswehrförderung aufgenommen werden, um seinen | |
Lebensunterhalt bis zu den Olympischen Spielen in Sotschi abzusichern. Die | |
Bundeswehr hat das mit Verweis auf die Stasivergangenheit des Trainers | |
abgelehnt. Der Paarläufer will sich nun gerichtlich in die Truppe klagen. | |
Wäre da nicht die Stasigeschichte des Trainers, hätten Savchenko und | |
Szolkowy alle Voraussetzungen zum Vorzeigepaar mit Migrationshintergrund. | |
Aljona Savchenko ist gebürtige Ukrainerin und der sportlichen Partnerschaft | |
mit Szolkowy wegen nach Deutschland eingewandert. Sie spricht inzwischen | |
souverän Sächsisch. | |
Den deutschen Pass bekam sie nur, weil die sächsische Staatskanzlei die | |
negative Entscheidung der als beinhart bekannten Chemnitzer | |
Ausländerbehörde korrigierte. Robin Szolkowy gehört zu den binationalen | |
Kindern, die in der DDR ohne den nichtdeutschen Vater aufwachsen mussten. | |
Er wurde 1979 in Greifswald als Sohn einer deutschen Krankenschwester und | |
eines Medizinstudenten aus Tansania geboren. In der DDR durften Ausländer | |
zwar studieren, aber sich bis auf wenige Ausnahmen nicht ansiedeln. Robins | |
Vater musste nach Studienende ausreisen, der Sohn kannte ihn bis zu einem | |
Treffen im Jahr 2008 nur von Fotos. | |
## Der freiberufliche Trainer | |
Im Mai dann entscheidet der Bundesgerichtshof über die Personalie Steuer. | |
Dabei geht es generell um die Frage, ob die Bundeswehr es hinnehmen muss, | |
dass der ehemalige Stasi-IM Sportsoldaten trainiert. Zwei Instanzen hatten | |
ihm das Recht eingeräumt unter Berufung auf die Freiheit der Berufsausübung | |
eines freiberuflichen Trainers. Die Bundeswehr ist in Revision gegangen. | |
Neben seinem sportlichen Vorzeigepaar arbeitet Steuer ausschließlich mit | |
ausländischen Sportlern, für deren Verbände seine Stasivergangenheit nicht | |
von Belang ist. Bei der WM betreut er ein Nachwuchspaar aus der Schweiz. | |
Und auch die Ukrainerin Tatjana Wolososchar, mit ihrem russischen Partner | |
Maxim Trankow in Nizza ärgste Konkurrentin der Chemnitzer, gehörte bis vor | |
zwei Jahren zu Steuers Schülerinnen. | |
„Mehrere deutsche Einzel- und Paarläufer haben bereits Interesse | |
angemeldet, bei mir zu trainieren, wenn die Gerichte in meinem Sinn | |
entscheiden“, sagt Steuer der taz. | |
25 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
Marina Mai | |
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Eiskunstlauf | |
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