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# taz.de -- Deutscher Eiskunstlauf vor Insolvenz: Pleitegefahr dank Stasi-Train…
> Während die Athleten um Meistertitel laufen, kämpft die Deutsche
> Eislauf-Union ums nackte Überleben. Erfolgstrainer und Stasi-IM Ingo
> Steuer könnte den Verein in die Insolvenz treiben.
Bild: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy bei der Eiskunstlauf-EM in Helsinki A…
Die Besten fehlen. Paarlauf-Weltmeister Aljona Savchenko und Robin Szolkowy
sind bei den Deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf nicht am Start. Sie
wollen Olympiasieger werden. In den Grand-Prix-Wettkämpfen haben sie ihre
Programme jedoch nicht fehlerfrei präsentieren können und wurden von zwei
chinesischen Paaren geschlagen. Grund für die Chemnitzer, die Zeit lieber
zum Training zu nutzen. Den Titel hat das in Oberstdorf trainierende Paar
Maylin Hausch/Daniel Wende so gut wie sicher.
Spannend wird es bei den Männern. Die Berliner Stefan Lindemann und Peter
Liebers bewerben sich um den einzigen deutschen Startplatz bei Olympia. Der
29-jährige Lindemann, der schon sechs Mal deutscher Meister und 2004
WM-Dritter war, in den letzten beiden Jahren aber an Verletzungen
laborierte, will es noch einmal wissen. Sein acht Jahre jüngerer
Trainingskamerad Peter Liebers, der Titelverteidiger, ist wie Lindemann
sprungtechnisch stark, im künstlerischen Bereich aber meilenweit von der
Weltspitze entfernt.
Das Olympiaticket bei den Frauen hat die 16-jährige Mannheimerin Sarah
Hecken bereits in der Tasche. Sie gilt als riesiges Talent. "In Mannheim
ist sie bereits sehr bekannt", sagt Verbands-Vizechefin Elke Treitz. Ihr
ist es zu verdanken, dass die 600 Plätze in der kleinen Nebenhalle Süd der
Mannheimer Großarena nahezu ausverkauft sind. Das ist keinesfalls
selbstverständlich. Oft sind kaum mehr Menschen als die Angehörigen der
Athleten zu den Meisterschaften gekommen.
Doch Hecken ist nicht die einzige hoffnungsvolle Läuferin. Dank einer
jahrelangen Förderpolitik im Juniorenbereich geht es wieder aufwärts.
Gleich mehrere Läuferinnen zwischen 13 und 16 Jahren konnten in diesem Jahr
in internationalen Juniorenwettkämpfen dicke Ausrufezeichen setzen. Die
Titelverteidigerin Annette Dytrt hat ihre Teilnahme wegen einer Verletzung
kurzfristig abgesagt.
Die grazile 26-Jährige hat eine Ausstrahlungskraft, die ihren jüngeren
Konkurrentinnen noch fehlt. In Vancouver wollte sie ihre Karriere
eigentlich krönen, doch daraus wird nichts. Die fünffache deutsche
Meisterin scheiterte in Wettkämpfen immer wieder an ihrem schwachen
Nervenkostüm. Dytrt wird vermutlich ihre Laufbahn sang- und klanglos
beenden und als eher tragische Gestalt in die Sportgeschichte eingehen. Die
Bayerin hat keinen Beruf, finanzierte ihren Sport lange als Putzfrau, ließ
sich auch schon in Unterwäsche fotografieren.
Im Eistanzen läuft die Entscheidung auf einen Dreikampf zwischen den
Geschwisterpaaren Christina und William Beier und Carolina und Daniel
Hermann sowie der Kombination Nelly Zhiganshina/Alexander Gazsi hinaus.
Letztere haben allerdings keine Chance auf eine Olympiateilnahme, weil der
aus Russland stammenden Tänzerin der deutsche Pass fehlt.
Für die Deutsche Eislauf-Union könnten die Titelkämpfe in Mannheim trotz
sportlicher Funken am Horizont die letzten sein: Dem Verband droht die
Insolvenz. In einem außergerichtlichen Vergleich mit dem Stasi-belasteten
Trainer der Weltmeister Savchenko/Szolkowy hatte er sich 2008 bereit
erklärt, Ingo Steuer bis nächstes Frühjahr 250.000 Euro aus
Sponsorengeldern zu zahlen.
Der Grund: Das Bundesinnenministerium hat dem Verband untersagt, Steuer mit
öffentlichen Fördergeldern zu bezahlen. Davon rückt das Ministerium nicht
ab, wie eine Sprecherin der taz sagte. Derzeit bestreitet Steuer seinen
Lebensunterhalt mit dem Geld, das er als Trainer eines Schweizer und eines
ukrainischen Paares verdient.
Sponsorengelder in dieser Höhe sind in einer Randsportart allerdings eine
Illusion, sagt der Berliner Stützpunktleiter Reinhard Ketterer. Und Steuer
hat nach Angaben seiner Anwältin Karla Vogt-Röller bisher keinen einzigen
Cent davon gesehen.
Im Gegenteil: Seit mehreren Wochen würde der klamme Verband von seinem Paar
Abgaben von seinen internationalen Preisgeldern verlangen. Von diesen
hätten die beiden bisher ihren Trainer zumindest minimal bezahlen können.
Verbandssprecherin Elke Treitz weist auf die mangelnde Kooperation des
Paares bei der Wahrnehmung von Sponsorenterminen hin.
"Als ehemaliger Stasi-IM ist es derzeit leichter, in ein Parlament
einzuziehen als auf dem Eis eine bezahlte berufliche Laufbahn
einzuschlagen", sagt Vogt-Röller und sie hat noch einen anderen Vergleich:
Ein anderer deutscher Eiskunstlauftrainer wurde vor Jahren rechtskräftig
als Sexualstraftäter verurteilt. "Nach dem Verbüßen seiner Strafe hat er zu
recht eine zweite Chance verdient. Stasitätigkeit ist aber keine Straftat
und deshalb gibt es so eine Verjährung nicht", meint die Anwältin des
streitbaren Steuer.
Wenn das Geld wie erwartet nicht kommt, wird Vogt-Röller "den Vergleich
gegebenenfalls widerrufen", sagt sie der taz. Dann sei die Insolvenz des
Eislaufverbandes nicht mehr abzuwenden. Wer in einem Jahr die Deutsche
Meisterschaft austrägt, steht in den Sternen.
18 Dec 2009
## AUTOREN
Marina Mai
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