# taz.de -- Leiter EU-Task-Force über Griechenland: "Wir haben 929 Millionen e… | |
> Griechenland hat schon einiges erreicht, sagt Horst Reichenbach, der | |
> Leiter der EU-Task-Force. Er sieht aber auch weiterführenden Reformbedarf | |
> im Mittelmeerstaat. | |
Bild: Griechenlands A-Team heißt EU-Task-Force. Ihr Chef, Horst Breitenbach, w… | |
taz: Herr Reichenbach, Sie leiten die EU-Task-Force für Griechenland. Sind | |
Sie der Aufbaukommissar, von dem man in Berlin so oft spricht? | |
Horst Reichenbach: Nein, ich sehe meine Aufgabe als technische | |
Unterstützung. Wir helfen der Regierung in Athen dabei, die mit den | |
Hilfsprogrammen verbundenen Auflagen umzusetzen und die Nutzung der | |
EU-Strukturfonds zu beschleunigen. Wir wollen nicht die politische und | |
administrative Hoheit ersetzen. Im Gegenteil: Athen muss selbst | |
Verantwortung übernehmen. | |
Wie kann die Regierung denn Verantwortung übernehmen, wenn sie keine | |
Weichen stellen darf? Es wird doch alles von den Experten der | |
internationalen Troika vorgegeben. | |
Der Weg zum Erfolg kann nicht am neuen Anpassungsprogramm vorbeiführen. Es | |
gab dafür ja auch eine breite Mehrheit im Parlament. Im Übrigen hat | |
Griechenland bereits eine historisch ziemlich einmalige Leistung erbracht. | |
Das Primärdefizit wurde mitten in einer Rezession um 6 Prozent reduziert, | |
das hat es noch nicht gegeben. Wenn das Land mit ähnlicher Verve die | |
Strukturreformen angeht, dann ist die Zukunft gesichert. | |
Zunächst soll Griechenland weiter massiv sparen. Die Troika fordert neue | |
Kürzungen in Höhe von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wie kann da | |
überhaupt Wachstum entstehen? | |
Zur Troika möchte ich mich nicht äußern. Das zweite Anpassungsprogramm | |
enthält Annahmen zum Wachstum, ab 2014 soll es wieder aufwärtsgehen. Ich | |
hoffe sehr, dass diese Schätzung übertroffen wird. | |
Nun fordert ja auch die EU-Kommission ein Wachstumsprogramm. Wie viel Geld | |
steht dafür zur Verfügung? | |
Insgesamt sind bis 2013 aus den Strukturfonds 20 Milliarden Euro | |
vorgesehen. Davon wurden bereits 8 Milliarden Euro ausgezahlt, die Quote | |
liegt über dem EU-Durchschnitt. Wir haben 181 große Projekte identifiziert, | |
jetzt geht es um die Umsetzung. | |
Was heißt das konkret? | |
Derzeit arbeiten wir an einer EU-Mitteilung zu der Frage, wie Griechenland | |
wieder auf die Beine kommen kann. EU-Kommissionspräsident José Barroso will | |
sie Ende April herausgeben. Wir wollen noch vor den Wahlen in Griechenland | |
das politische Signal aussenden, dass es konkrete Fortschritte gibt. | |
Und wie sehen diese Fortschritte aus? | |
Bei der Steuererhebung wurde schon einiges erreicht. Im letzten Jahr haben | |
wir unser Ziel bereits übererfüllt: Statt der erwarteten 400 Millionen Euro | |
wurden 949 Millionen an Steuerrückständen eingetrieben. 2012 sollen es | |
sogar über 2 Milliarden Euro werden. Allerdings haben wir dieses Ziel noch | |
nicht erreicht. Einige Schuldner sind bankrottgegangen, andere außer | |
Landes. | |
Man spricht viel von Autobahnen und erneuerbarer Energie –wie sieht es | |
damit aus? | |
Derzeit stehen fünf große Autobahnprojekte an. Die Konzessionen wurden | |
schon vor Jahren vergeben, doch wegen der großen Rezession ist nur eins im | |
grünen Bereich. Was die Energie betrifft, so arbeiten die Behörden sehr | |
effizient, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren. | |
In Brüssel hört man oft, Griechenland sei ein „failed state“, ein | |
gescheiterter Staat, der von Grund auf neu aufgebaut werden muss. Was sagen | |
Sie dazu? | |
Griechenland muss auf breiter Front Fortschritte machen. Dazu gehören eine | |
sehr weitreichende Reform der Verwaltung, des Steuerwesens, des | |
Gesundheitswesens sowie Privatisierung, Liberalisierung und | |
Bürokratieabbau. Mit den Kapazitäten des Landes ist das nur sehr schwer zu | |
bewältigen. Das ist ein mühsamer, aber ein gangbarer Weg. Wir sind alle | |
optimistisch, dass Fortschritte erzielt werden und dass die nächsten Monate | |
einen wichtigen Umbruch bringen. | |
Was macht Sie denn so optimistisch? | |
Durch die jüngsten Beschlüsse wurde die Unsicherheit der letzten Monate | |
verringert, die in jeder Hinsicht lähmend war. Und zwar nicht nur | |
politisch, sondern auch wirtschaftlich – das Geld floss aus dem Land | |
heraus. | |
An den Märkten wird jetzt schon spekuliert, dass Griechenland im Herbst | |
doch noch pleitegehen könnte. | |
Das Land braucht jetzt Ruhe und Sicherheit und keine neuen Spekulationen. | |
Denn das richtet Schaden an, und genau das scheinen manche zu wollen. | |
23 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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