# taz.de -- Griechischer Stahlarbeiter über Streik: „Marionetten der Troika�… | |
> Seit November streiken die griechischen StahlarbeiterInnen wegen | |
> deutlicher Gehaltskürzungen. Die Demonstranten, zu denen auch Panajotis | |
> Katsaros zählt, wollen die Regierung austauschen. | |
Bild: Streikende Stahlarbeiter in Athen. | |
taz: Herr Katsaros, die griechischen StahlarbeiterInnen sind seit November | |
im Dauerstreik. Was wollen Sie? | |
Panajotis Katsaros: Im Oktober forderte unser Arbeitgeber Manesis, dass die | |
Basisgewerkschaft der griechischen Stahlarbeiter neue Arbeitsverträge | |
unterzeichnet. Diese sahen eine Fünftagewoche und eine Kürzung des Gehalts | |
um 40 Prozent vor – und sollten jeweils auf drei Monate befristet sein. Auf | |
einer Generalversammlung haben wir einstimmig entschieden, dass wir das | |
nicht akzeptieren können und werden. | |
Die Quittung kam dann sofort: Ende Oktober wurden 18 Leute entlassen. Im | |
November folgten 17 weitere Entlassungen. Die ArbeiterInnen stellten | |
daraufhin die Produktion ein, versammelten sich vor der Fabrik und | |
forderten öffentlich, die neuen Arbeitsbestimmungen und die Entlassungen | |
zurückzunehmen. Von da an gab es viele erfolglose Diskussionen sowohl mit | |
dem Arbeitgeber als auch mit dem Arbeitsministerium. | |
Gegen wen genau richtet sich der Streik? | |
Gegen die Arbeitgeber, also das Kapital, gegen die Regierung und gegen die | |
Troika. Die Arbeitgeber verleugnen alle Arbeitsrechte. Die Regierung mit | |
den Parteien Nea Demokratia, Pasok und Laos unterstützt sie dabei. Und die | |
Troika finanziert die Arbeitgeber. | |
Was muss passieren? | |
Die regierenden Parteien haben unsere Verfassung verletzt. Wir haben einen | |
nicht gewählten Premierminister, und hauptsächlich agieren unsere Politiker | |
als Marionetten der Troika. Als Erstes müssten also alle drei regierenden | |
Parteien abgesetzt werden, um etwas im Land ändern zu können. | |
Von wem werden Sie unterstützt? | |
Von Anfang an waren alle Gewerkschaften, die zur kommunistischen Partei | |
gehören, auf unserer Seite. Sie haben uns und unsere Familien unterstützt | |
und unseren Kampf in der ganzen griechischen Arbeiterklasse publik gemacht. | |
Wir haben versucht, unseren Kampf auch in anderen Gesellschaftsschichten zu | |
verbreiten. Das wurde außer von der Zeitung der kommunistischen Partei aber | |
von keinem Medium unterstützt. Dabei hat die griechische Regierung alle | |
Maßnahmen, die Manesis in den Stahlwerken durchsetzen wollte, abgesegnet. | |
Also wird sie das mit anderen Vertragsneuregelungen in anderen Branchen | |
auch tun. Nachdem die Regierung die neuen Vertragsbestimmungen | |
unterzeichnet hatte, ist etwas passiert, das nicht unser Ziel war: Die | |
griechischen Stahlwerke wurden zum Symbol der Arbeiterklasse. | |
Können Sie und Ihre Kollegen sich den Streik ohne Arbeitslohn und | |
staatliche Unterstützung überhaupt leisten? | |
In Griechenland gibt es momentan viel Solidarität. Wir haben einen | |
Solidaritätsfonds, aus dem jeder Arbeitnehmer pro Woche zirka 100 Euro | |
bekommt. Wir sammeln Spenden direkt vor der Fabrik, 24 Stunden am Tag. | |
Zusätzlich gibt es ein Spendenkonto. Außerdem bekommen wir immer wieder | |
Lebensmittelspenden. | |
Im Februar ist die faschistische Organisation „Goldene Morgenröte“ im | |
Streik aufgetreten. Das hat Sie Sympathien gekostet. Was war da los? | |
Es herrschte an diesem Tag ein Durcheinander. Wir waren nur wenige | |
Stahlarbeiter – 10 bis 15 vielleicht. Die Anhänger der Xrisi Afgi sind | |
einfach so hereinspaziert, ungefähr 30 gewaltbereite Männer. Einer hat sich | |
unser Mikrofon geschnappt und eine propagandistische Rede gehalten. Der | |
Leiter des Verbands hat versucht zu antworten, und vielleicht war das der | |
Fehler. Der kurze Dialog mit der faschistischen Organisation wurde falsch | |
interpretiert. Wir haben rein gar nichts mit Extremisten, ob links oder | |
rechts, zu tun. | |
Fühlen Sie sich instrumentalisiert? | |
Die Anhänger der Xrisi Afgi haben versucht, den Kampf der Stahlarbeiter zu | |
missbrauchen. Dabei haben sie sich in der Rolle des Helfers eingeschlichen: | |
Die Männer kamen mit Lebensmitteln zu uns, bevor sie das Mikrofon | |
ergriffen. Unter den Stahlarbeitern gibt es zwei, drei rechte | |
Sympathisanten. Und ich glaube, dass diese Arbeiter den Männern der Xrisi | |
Afgi gesagt haben, wann es günstig ist aufzutauchen. Alle Kollegen, mit | |
denen ich zusammenarbeite, waren schier entsetzt, als sie von dem Vorfall | |
erfuhren. Leider interpretieren einige die Situation vom Februar immer noch | |
falsch. | |
3 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Theodora Mavropoulos | |
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