# taz.de -- Umstrittenes Pflanzenschutzmittel: Bienengift auf dem Mais-Acker | |
> Das als Bienenkiller bekannte Gift Clothianidin darf wieder eingesetzt | |
> werden. Es ist zwar nur vorübergehend erlaubt, doch das schon im dritten | |
> Jahr in Folge. | |
Bild: Kollateralopfer der Drahtwurmbekämpfung: die Biene. | |
BERLIN taz | Von Mitte März bis Mitte Juli dürfen Landwirte wieder das | |
Insektizid Clothianidin einsetzen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und | |
Lebensmittelsicherheit (BVL) hat eine befristete Zulassung für sechs | |
Bundesländer erteilt. | |
Der Wirkstoff ist umstritten: Das Julius-Kühn-Institut, das dem | |
Agrarministerium untersteht, wies nach dem Tod von Millionen Bienen im Jahr | |
2008 Clothianidin in den toten Bienen nach. Ursache des Sterbens sei eine | |
Vergiftung durch Abrieb des Pflanzenschutzmittels gewesen, so das Institut | |
damals. | |
Die nun erteilte Genehmigung ist eine sogenannte Zulassung für | |
Notfallsituationen. Die Behörde kann sie maximal für 120 Tage erteilen, | |
wenn eine „Gefahr nicht anders abzuwenden“ ist. In diesem Fall geht es um | |
den Drahtwurm im Mais. Die Anwendung ist laut BVL auf Flächen beschränkt, | |
die von Starkbefall bedroht sind. Insgesamt wurden in diesem Jahr bereits | |
acht solcher Zulassungen erteilt, im vergangenen Jahr waren es 35. Auch | |
damals war Clothianidin dabei, genauso wie im Jahr davor. | |
Diese wiederholte Notfallzulassung kritisiert das Pestizid-Aktions-Netzwerk | |
(PAN). „Unter dem Deckmantel der Notfallsituation werden Jahr für Jahr | |
Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen | |
Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt“, sagt | |
Geschäftsführerin Carina Weber. | |
## Imker hadern | |
Das Netzwerk hatte im vergangenen Jahr europaweit ausgewertet, wie die | |
Ländern mit den Notfallzulassungen umgehen. Das Ergebnis: Innerhalb von | |
vier Jahren sei die Zahl der Genehmigung von 59 auf 310 gestiegen. | |
Ausweichmöglichkeiten sieht Imker Manfred Hederer vom Deutschen Berufs- und | |
Erwerbsimkerbund nicht. „Wo sollen wir denn hin?“, fragt er. Bienen hätten | |
einen Flugradius von 3 bis 5 Kilometern, in Ausnahmen auch bis zu 10 | |
Kilometern. | |
Das BVL argumentiert, dass sich bei dem in der Vergangenheit genutzten | |
Mittel viel Staub gebildet habe, der beispielsweise auf Obstbäume gelangt | |
sei – die sind eine der Hauptnahrungsquellen der Bienen. Das sei bei dem | |
nun zugelassenen Mittel nicht zu erwarten. | |
Trotzdem gebe es Auflagen: Etwa müssten sich Landwirte eine Notwendigkeit | |
der Nutzung vom örtlichen Pflanzenschutzamt bestätigen lassen, nur dann | |
gebe es einen Berechtigungsschein zum Kauf der Substanz. Darüber hinaus | |
müssten Imker informiert werden, wenn sie in einem Umkreis von 60 Metern | |
des behandelten Feldes Bienenstände haben. | |
„Die ständige Ausweitung des Maisanbaus ist nicht akzeptabel, wenn diese | |
nur mit der Ausbringung gefährlicher Agrochemikalien möglich ist“, | |
kritisiert Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren. Der | |
Konzern produziert das nun befristet zugelassene Insektizid „Santana“, das | |
Clothianidin enthält. Auch Heberer gibt dem langjährigen Anbau in | |
Monokulturen die Schuld. Wechsle man die angebauten Pflanzen, sei der | |
Einsatz des Insektizids unnötig. | |
26 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
Svenja Bergt | |
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Schwerpunkt Bayer AG | |
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