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# taz.de -- Kommentar Schlecker: Eine verpasste Chance
> Im Fall Schlecker verstecken sich die Parteien hinter einigen
> ordnungspolitischen Argumenten. Diese gehören aber zu einer längst
> blamierten Idee von Gesellschaft.
Bild: Während sich die „Schlecker-Tanten“ von ihren Kunden verabschieden, …
Für Tausende Beschäftigte von Schlecker ist der Vorhang gefallen, doch nun
tönt erst recht engagierte Rhetorik über die politische Bühne. Die
Liberalen, die sich eben noch als ordnungspolitische Hardliner
inszenierten, rufen dazu auf, bei Arbeitgebern im Einzelhandel die
Werbetrommel für die geschassten Mitarbeiterinnen zu rühren.
Der bayerische CSU-Ministerpräsident Seehofer klagt darüber, dass sein
FDP-Koalitionspartner die Frauen alleine gelassen habe - statt sich vorher
seiner Richtlinienkompetenz zu erinnern. SPD-Ministerpräsidenten zeigen
Schüsseln voll mit Krokodilstränen her, und Renate Künast von den Grünen
fordert eine „zentrale Aktion der Jobcenter“, damit nicht jede einzelne
Verkäuferin „sich in die Schlange stellt, eine Nummer zieht und sagt: Kann
mir hier vielleicht geholfen werden?“
Man hätte den Frauen vorher helfen müssen, nicht nur vielleicht, sondern
ganz bestimmt. Kein gegen die Transfergesellschaft in Stellung gebrachtes
Argument wiegt so schwer, als dass es ernst gemeinte Versuche der
Staatshilfe hätte verhindern können. Es fehlten dazu aber Wille und Mut,
und so endet wieder einmal die Krise eines Betriebs, ohne dass wirklich
darüber diskutiert worden wäre, ob darin nicht auch eine Chance liegt.
Nur zu Beginn der Schlecker-Pleite waren Möglichkeiten aufgeblitzt.
Einzelne Verdi-Vertreter verwiesen auf die Möglichkeit, über
Mitarbeiterbeteiligung per Genossenschaftskonstruktion den Spieß einmal
umzudrehen und das Scheitern eines Unternehmensmodells nicht den
Marktregeln zu überlassen. Schlecker-Filialen zu Tante-Emma-Läden mit
ökologischem Angebot - das mag zunächst naiv klingen, wäre aber eine
breitere Diskussion wert gewesen.
## Bedürfnisse regionaler Kundschaft
Gerade in strukturschwachen Gebieten, wo die Drogeriemärkte zu den letzten
Einkaufsstätten gehörten, könnten in regionale Wirtschaftskreisläufe
eingebettete Läden mit entsprechendem Angebot eine Lücke schließen. Und
statt auf - bei Schlecker offensichtlich gescheiterte - zentralistische
Konzernplanung zu setzen, hätten die am besten um die Bedürfnisse
regionaler Kundschaft wissenden Mitarbeiterinnen eigenverantwortlich ihre
Geschäfte führen können.
Utopisch? In einem Land, das mit staatlichen Milliarden angeblich
systemrelevante Banken rettet, wo mit Subventionen einem erneuerbaren
Energieregime zum Durchbruch verholfen wird und männliche Kernarbeitsplätze
in Luftverpestungs-branchen mit Abwrackprämien über die Krise gebracht
werden, sollte sich niemand hinter ordnungspolitischen Argumenten
verstecken, die zu einer längst blamierten Idee von Gesellschaft gehören.
Den Staat und das Geld der Steuerzahler schützt dieses Denken immer nur
dann, wenn es ihm in den Kram passt. Das Scheitern einer wenigstens
vorübergehenden Schlecker-Lösung könnte sich im Übrigen, wenn nun Tausende
Frauen erwerbslos werden, für die öffentliche Hand unter dem Strich als
ähnlich teuer erweisen wie der angebliche Präzedenzfall „Staatshilfe“, vor
dem jetzt vor allem schwarz-gelb geführte Landesregierungen und ein ums
politische Überleben kämpfender Bundeswirtschaftsminister warnten.
## Föderale Lastenverteilung
Mit parteipolitischen Schuldzuweisungen bringt man es im Fall Schlecker
aber auch nicht weit. Nüchtern betrachtet hätte eine Bürgschaft über 70
Millionen auch von einer Landesregierung allein getragen werden können,
wenn SPD und Grüne zum Beispiel in Stuttgart mehr auf Solidarität als auf
föderale Lastenverteilung gesetzt hätten.
Was fehlt, sind politische Mehrheiten, die den Anspruch auf aktive soziale
Gestaltung der Gesellschaft noch nicht aufgegeben haben. Im Fall Schlecker
wurde nicht ein Präzedenzfall verhindert, sondern eine Chance
ausgeschlagen.
30 Mar 2012
## AUTOREN
Tom Strohschneider
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