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# taz.de -- Daten-Schlamperei: Patientenakten im Sperrmüll
> Der Klinikkonzern Asklepios verklappt sensible Daten von Tausenden
> Patienten im Abfallcontainer. Der Datenschutzbeauftragte ist entsetzt -
> und machtlos.
Bild: Töpfchen und Kröpfchen: Aktenordner mit Patientendaten landeten bei Ask…
HAMBURG | taz Deutschlands größter privater Krankenhauskonzern Asklepios,
der allein in Hamburg zehn Kliniken betreibt, hat höchst sensible
Patientenakten gleich kistenweise im Sperrmüllcontainer entsorgt.
Notfallberichte und Abrechnungsberichte mit Tausenden von personenbezogenen
Daten lagerten tagelang im offenen Container unter freiem Himmel, direkt
neben einem von Spaziergängern stark genutzten Wanderweg am Rande des
früheren Klinikgeländes in Hamburg-Eilbek. Hamburgs Datenschutzbeauftragter
Johannes Caspar schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Patientenakten
im Müll sind einer der größten anzunehmenden Unfälle für eine Klinik.“
Neben ausgedienten Möbeln und Schrott befanden sich in dem von der
Stadtreinigung aufgestellten Container mindestens fünf Kartons, randvoll
mit alten Notfallberichten und Abrechnungsunterlagen mehrerer
Krankenhäuser, darunter das AK Eilbek, das AK Harburg und das Klinikum
Nord/Heidberg.
In den Ordnern befinden sich Diagnosen und Krankheitsvorgeschichten von
mehreren Tausend Personen, die alle mit vollem Namen und Wohnort in den
Berichten vermerkt sind. Briefwechsel mit dem Finanzdienstleister „Aktivia“
klären darüber auf, bei welchen Patienten eine Privatinsolvenz vorliegt.
Hinweise auf Ehestreitigkeiten finden sich genauso in den Notfallberichten
wie pikante Atteste in der Korrespondenz mit den Krankenkassen, aus der man
etwa erfährt, das ein Patient aus Seevetal wohl unter einer „affektiven
Psychose“ leide.
Am Dienstag hatte ein passionierter Sperrmüllsammler die taz von der
brisanten Zwischenlagerung informiert. Der Mann hatte, wie nach seiner
Aussage auch andere Spaziergänger, einen Blick in den Container gewagt, der
zwar stattliche 2,60 Meter hoch ist, aber durch eine in dem Behälter
eingelassene Stufenleiter leicht erklimmbar ist und dessen Seitenflügel
zudem problemlos geöffnet werden kann.
Das Sperrmüllgefäß befindet sich direkt neben dem ehemaligen „Haus 33“ d…
Eilbeker Krankenhauses, in dem bis vor kurzem die Hamburger
Abrechnungsstelle von Asklepios untergebracht war. Aus ihrem Bestand
stammen nach taz-Recherchen die brisanten Unterlagen.
Während eine Sprecherin der Hamburger Gesundheitsbehörde sich am Freitag zu
dem Vorfall nicht äußern wollte, wird Caspars Stellvertreter Hans-Joachim
Menzel deutlich. „Das geht überhaupt nicht, das Patientendaten so gelagert
werden“, betont Hamburgs Datenschutz-Vize. Für einen ungehinderten Zugang
zu den sensiblen Daten habe es „kaum Schwellen“ gegeben. Menzel bewertet
die Open-Air-Lagerung als „Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht“.
Doch die wird vermutlich ungeahndet bleiben. Nachdem der
Datenschutzbeauftragte die Polizei informiert hatte, stellte diese am
Mittwoch die Akten sicher, sieht aber „keine Anhaltspunkte für eine
Straftat“, so ihr Sprecher Andreas Schöpflin.
Auch der Datenschutzbeauftragte ist weitgehend machtlos. Er prüft derzeit
„die Einleitung eines Bußgeldverfahrens“ gegen Asklepios wegen eines
eklatanten „Verstoßes gegen Datenschutzrichtlinien“, muss es aber
möglicherweise mit einer Rüge bewenden lassen. „Das ist für uns
unbefriedigend“, sagt Johannes Caspar, der einen dringenden „legislativen
Handlungsbedarf“ bei solch schwerwiegenden Verstößen gegen gültige
Datenschutzrichtlinien sieht.
Denn diese sind unbestritten. Auch Asklepios-Sprecher Rudi Schmidt
bestätigt, es seien „überwiegend Patientenunterlagen“ gewesen, die
„ungeplant“ in dem Container gelandet seien. Schmidt: „Diese waren zur
Vernichtung vorgesehen und sollten eigentlich im benachbarten
Sicherheitscontainer sein“, der fest verschlossen ist. Merkwürdig daran:
Mindestens einen Deckel der zur Sofortvernichtung vorgesehenen Ordner ziert
ein „Vorblatt für Aktenarchivierung“ mit der Aufschrift: Aufbewahrung bis
12/2013“. Warum die Dokumente im falschen Container landeten, sei „noch
nicht abschließend geklärt“, sagt Schmidt. Der Asklepios-Sprecher weiß nur:
„Da ist etwas ziemlich schief gelaufen.“
Während für sein Unternehmen der Akten-GAU wohl ohne rechtliche
Konsequenzen bleibt, übt sich der Konzern inzwischen in Drohgebärden
gegenüber denjenigen, die den Datenskandal nun ans Licht bringen. Asklepios
stellte Strafanzeige gegen den taz-Reporter, der den
Datenschutzbeauftragten informierte und Einsicht in die öffentlich
zugänglichen Unterlagen nahm. Der Vorwurf: „Ausspähen von Geheimnissen“.
30 Mar 2012
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Digitale Patientenakte
Klinik
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für immer verloren gehen und auch die Vertraulichkeit ist oftmals nicht
gewährleistet.
Datenskandal in Hamburger Klinik: Patientendaten als Sperrmüll entsorgt
Der Klinikkonzern Asklepios wirft sensible Krankenakten in den Müll. Die
taz stellt die Akten sicher und informiert Datenschützer. Ermittelt wird
gegen den Reporter.
Kommentar Pfusch mit Patientendaten: Datenschutz ohne Schutz
Dass die Verletzung des Patienten-Datenschutzes keine Straftat ist, deutet
auf Mängel im Rechtssystem hin.
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