| # taz.de -- Landtagswahl in NRW: Röttgens verpennter Wahlkampfauftakt | |
| > Norbert Röttgen stolpert durch den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen: Er | |
| > kommt zu spät zum Parteitag und muss zuvor den Aufstand seines eigenen | |
| > Bezirks niederkämpfen. | |
| Bild: Ein hoffnungsvoller Wahlkampfauftakt sieht anders aus. | |
| MÜLHEIM/RUHR taz | In Nordrhein-Westfalen ist gerade der Abstieg eines | |
| Hoffnungsträgers zu besichtigen. Nicht einmal zum eigenen Parteitag schafft | |
| es Norbert Röttgen pünktlich. | |
| Zwar stehen die Delegierten pflichtschuldig auf, als ihr designierter, in | |
| Berlin als Bundesumweltminister dienender Spitzenkandidat mit mehr als | |
| einer halben Stunde Verspätung am Mittwochabend die | |
| CDU-„Landesvertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste“ erreicht. | |
| Trotzdem ist Röttgens Signal an seine Parteifreunde klar - der Wahlkampf im | |
| größten Bundesland scheint ihm nicht wirklich wichtig zu sein. | |
| Röttgen steht wegen seiner Weigerung, sich klar zu Nordrhein-Westfalen zu | |
| bekennen, seit Wochen unter Druck: Der Kandidat scheut bis heute das klare | |
| Bekenntnis, auch im Fall einer Niederlage als Oppositionsführer nach | |
| Düsseldorf zu wechseln – es scheint, als setze der als „Merkels Klügster�… | |
| gepriesene Umweltminister bereits selbst nicht mehr auf Sieg. Entsprechend | |
| sind die Umfragen: Die SPD liegt bei 40, die Grünen bei 12, die CDU aber | |
| nur bei 32 Prozent. | |
| Röttgen versucht deshalb, mit strategischen Inszenierungen für gute Presse | |
| zu sorgen. Immer wieder präsentiert er potenzielle Mitglieder und Berater | |
| seines Schattenkabinetts – und produziert so Flops in Serie: Zu allererst | |
| verkündete er, seine Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser solle Ministerin | |
| für Bundes- und Europa-Angelegenheiten werden – und erntete das große | |
| Gähnen: Die Kölnerin ist auch in NRW völlig unbekannt. | |
| Dann versuchte Röttgen, sich mit dem einstigen CDU-Bundestagsfraktionschef | |
| Friedrich Merz zu schmücken – doch der will in Düsseldorf als Anwalt | |
| weiterarbeiten. Für ein Landtagsmandat und erst recht für ein Ministeramt | |
| steht Merz nicht zur Verfügung. | |
| ## Die „Kassandra“ der Konservativen | |
| Am Mittwoch präsentierte Röttgen dann die parteilose Wirtschaftsprofessorin | |
| Claudia Kemfert als mögliche Chefin eines neu zu schaffenden Energie- und | |
| Klimaministeriums – dabei ist Kemfert gerade bei Konservativen als | |
| „Kassandra“ verschrien, deren Prognosen eines Ölpreises von über 200 Doll… | |
| pro Fass die Bevölkerung nur verunsicherten. Trotzdem will Röttgen allein | |
| in der nachrichtenarmen Woche nach Ostern an gleich drei Tagen weitere | |
| Schattenminister vorstellen. | |
| Auch in Mülheim schafft es Röttgen am Mittwochabend nicht, für Glanz zu | |
| sorgen. Der designierte Spitzenkandidat hält eine wirklich schlechte Rede: | |
| Immer wieder geißelt er die rot-grüne Neuverschuldung von knapp vier | |
| Milliarden Euro. In NRW herrsche das „Prinzip Griechenland“, klagt Röttgen | |
| – dass auch die bis 2010 regierende schwarz-gelbe Regierung Rüttgers 23 | |
| Milliarden neue Schulden angehäuft hat, erwähnt er nicht. Wo er sparen | |
| will, erklärt Röttgen ebenso wenig – und verspricht den nötigen, aber | |
| teuren Ausbau von Kindertagesstätten. | |
| Rot-Grün geht Röttgen hart an: „Im kollektiven Koma“ sei die Regierung | |
| Kraft, schimpft er. Nicht einmal für die Energiewende habe deren Kabinett | |
| ein Konzept – dass sein amtierender Generalsekretär Oliver Wittke bei der | |
| schwarz-gelben Regierungsübernahme 2005 über die Windenergie getönt hatte, | |
| die sei „das erste, was wir kaputtmachen“, sagt er nicht. Am Ende wird er | |
| von seinen Parteifreunden zwar abermals stehend beklatscht – der zaghafte | |
| Versuch einiger Christdemokraten aber, rhythmische „Norbert, Norbert“-Rufe | |
| zu inszenieren, geht unter. | |
| ## Der eigene Bezirk putscht | |
| Denn selbst an seiner ureigensten Basis ist Röttgen mittlerweile | |
| umstritten. Erst am Mittwochmorgen musste er einen Putschversuch seines | |
| eigenen Parteibezirks Mittelrhein niederschlagen: „Ich wäre euch dankbar, | |
| die Landesliste auf der Vertreterversammlung insgesamt abzulehnen und | |
| gegebenenfalls eure Delegierten aufzufordern, Gleiches zu tun“, hatte | |
| dessen Vorsitzender Axel Voss per SMS an seine Parteifreunde geschrieben. | |
| Der Bezirksboss ärgert sich über die mangelnde Berücksichtigung verdienter | |
| Parteifreunde – um die Frauenquote zu erfüllen und die stellvertretende | |
| Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der NRW-CDU, Serap Güler, auf | |
| Platz 14 zu hieven, tauchen die erst auf den hinteren Listenplätzen auf. | |
| Der gute Wille zur Zusammenarbeit mit Röttgen sei damit „aufgebraucht“, | |
| befand Voss – und verschwand in den Osterurlaub. | |
| Bei der CDU-Führung machte Voss trotzdem mächtig Eindruck. Aus Angst vor | |
| einem schlechten Ergebnis traute sich Röttgen nicht einmal, als | |
| Einzelkandidat anzutreten. Stattdessen hatten die Christdemokraten die | |
| Möglichkeit, allen Kandidaten der Listenplätze 1 bis 30 mit einem einzigen | |
| Kreuzchen ihre Stimme zu geben – wer nicht für Röttgen stimmen wollte, | |
| musste dagegen mühsam jedes Kreuz einzeln setzen. | |
| Produziert wurden so einheitssozialistische Ergebnisse: Röttgen erhielt | |
| 96,4 Prozent – und schnitt trotzdem schlechter ab als die Kandidaten für | |
| die Listenplätze 37 bis 114: Die wurden ebenfalls „en bloc“ gewählt – u… | |
| erhielten alle 96,7 Prozent. | |
| 5 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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