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# taz.de -- Kolumne Alles bio?: Der Teufelskreis des Nichtfernsehens!
> Pizza bestellen, Fernseher an, Joint auch. Das ist doch nicht die Matrix.
> Das ist das Schlaraffenland. Gebratene Premium-Informationen fliegen
> direkt ins Gehirn.
Bild: Abschalten geht immer, entweder den Fernseher – oder den Kopf.
Nun bin ich erwachsen: Endlich besitze ich einen eigenen Fernseher. Er ist
noch nicht am Receiver angeschlossen und steht stumm, aber erwartungsvoll
auf dem Schreibtisch. Viele Stunden wird er mir fröhlich einen
Hintergrundteppich aus bunten Geräuschen und zuckenden Bildern weben.
Nebenbei-Bildung. Ein Schlaraffenland: Gebratene Premium-Informationen
fliegen ohne Anstrengung direkt ins Gehirn. Ja, ja, höhnt da der gemeine
taz-Leser. Er habe seinen Fernseher doch schon vor Jahren abgeschafft. Und
ihm fehle: nichts.
Vom Fernsehen kriegt man quadratische Augen, sagte Mama. Wir durften alles
sehen, aber nur, was wir uns selbst ausgesucht hatten. Da wir aber nichts
kannten außer der „Sendung mit der Maus“, der „Sesamstraße“ und „Ha…
Spencer“, der Augsburger Puppenkiste und „Löwenzahn“, später noch
„Mittendrin“ und „Logo“, konnten wir auch nichts anderes auswählen. Ein
Teufelskreis, der dazu führte, dass wir draußen spielten, mit den Ponys.
Dämme bauten und von Bäumen fielen. Auch: Bücher lasen.
## Sozialhilfeempfänger mit Mercedes
Und bei den Nachbarn fernsahen. Das Nachbarsmädchen war dick und baute in
der Schule ähnlich viel Scheiß wie ich. Grundsympathisch! Die Eltern waren
Sozialhilfeempfänger mit einem Mercedes. Ich mochte es bei denen und war
häufig zu Besuch. Ständig lief der Fernseher, es gab einen Videorekorder
und es wurde viel geraucht.
Dieser Lebensstil gefällt dem gemeinen taz-Leser nicht. Er gibt gern an
damit, was er gelesen hat. Meckert über „Musikantenstadl“ oder
Gerichtsshows in den Öffentlich-Rechtlichen. Und vergisst dabei, dass es
für ihn arte, 3sat, Phoenix – sowie zahlreiche Spartenkanäle von ARD und
ZDF gibt.
Und wie immer auf die Privaten geschimpft wird! Die ältere Schwester des
gemeinen taz-Lesers war in den 80ern, 90ern gut dabei, als die neuen Sender
eingeführt wurden. Klar, „Tutti Frutti“ war schon hart – das und anderes
schauten die Jungs in der Nachbarschaft, wir Mädels waren eher für Videos
von Ponyturnieren zu haben – aber die weitgehende Berlusconisierung ist ja
in Deutschland bislang nun nicht eingetreten.
## Der Reiz des Dschungelcamps
Dafür laufen auf Kabel1, Pro7 und Co. immer wieder gute Filme und Serien,
zwischendurch kann man sich in Form schöner kleiner Clips informieren, für
welche Zielgruppe das Programm eigentlich bestimmt ist. Und auch
„Dschungelcamp“, „DSDS“ und „Frauentausch“ haben zu bestimmten Uhrz…
bestimmten Geisteszuständen ihren ganz besonderen Reiz.
„Mach deinen Fernseher kaputt“ ist im Informationszeitalter keine
ernstzunehmende Parole mehr. Und auch wenn die Mediatheken einen heute vom
Diktat der Programmplanung befreit haben, so hat doch das Vorgefertigte
weiterhin seinen Reiz. Pizza bestellen, Fernseher an, Joint auch. Das ist
doch nicht die Matrix. Das ist das Schlaraffenland. Und keine Sorge, da
kommt man auch wieder raus. Abschalten geht immer, entweder den Fernseher –
oder den Kopf. Das gilt übrigens auch fürs Smartphone und das Internet.
Keine Angst vor Informationen!
Von Peter Lustig haben wir alle es ja gelernt: Und jetzt – abschalten!
9 Apr 2012
## AUTOREN
Julia Seeliger
## TAGS
Grüne
taz lab 2024
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