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# taz.de -- Kolumne Alles Bio?: Die hören doch eh gar nicht zu
> „Nicht links, nicht rechts, sondern vorn“? Loha-Denkverweigerung für
> Fortgeschrittene!
Im Flugzeug erlebt man allerlei Dinge. Schreiende Babys – können die nicht
Schlafmittel bekommen – und Menschen, die ihre Mobilgeräte gar nicht mehr
ausmachen. Facebook ist wichtiger als die Möglichkeit, dass man eventuell,
eventuell doch etwas zu einem Absturz beiträgt. Schlimm!
Wenn man sein Handy also, anders als die gefühlt meisten, ausschaltet, so
hat man Zeit. Zeit zum Lesen. Ich erfuhr also von Robert Misik in „Marx für
Eilige“, dass der Proletarier eher so eine Idee von allem Schlechten ist,
was der Kapitalismus produziert, als eine wirkliche Person auf den
Barrikaden. Und dass es im Grunde zwei Marxe gebe. Meine wichtigsten
Erkenntnisse erntete ich aber in „Alles auf Null“ von Nils Boeing. Mein
Herz lachte: ein pestizidlinkes Pamphlet! Wie diese Kolumne!
Das Buch bekam ich von Katja aus Hamburg zum Geburtstag geschickt. Ich
versuche ja meinen Geburtstag geheim zu halten, bei Facebook habe ich die
Funktion ausgeschaltet, die dann am Geburtstag dazu führt, dass einem
Hunderte Menschen eine schnelle, unpersönliche Nachricht auf die Pinnwand
rotzen. Bei Xing habe ich ein anderes Datum als meinen offiziellen
Geburtstag eingetragen.
Aber nicht alles ist schlecht mit dem Geburtstag. Ebendieses Buch von
Katja. Ein guter, ein unnerviger Geburtstagsglückwunsch! Dadurch fiel mir
nämlich endlich auf, dass pestizidlinke Sprache und Theorie hart sein kann
und dass sich Menschen darüber aufregen können! Ich habe mich ja immer
gefragt, was diese ganzen Menschen immer haben, die Veganer, die Grünen,
die Drogenfeinde, die Bioloft-Bewohner, die Prenzlberger, die sich so sehr
über meine Kolumne aufgeregt haben. Seid beruhigt: Ich wollte ja niemand
etwas antun, sondern nur zum Nachdenken anregen! Worte töten nicht!
Zum Nachdenken anregen, das will nämlich Niels Boeing sicher auch, wenn er
die Leute in den Yogaclubs abwertet. Und seinen Lifestyle – Rauchen,
Reisen, Mathe, Sex, für etwas brennen – als richtiger hinstellt.
Doch nun wurde mir klar: Die hören gar nicht zu, die Ausgebrannten. Die
wollen glücklich sein, und das ist ja auch gut so. Für sie selbst. Für ihre
Suche nach sich selbst. Diese Lohas sind dann ja eh nicht in der Lage,
Politik zu machen, also alles in Butter. So lange sie keine Schwestern im
Geiste haben, die dies als Politik vertreten.
Solche finden sich bei den Grünen, der CDU und bei den Piraten. Gefährdet
für das Loha-Denken sind alle, die „nicht links, nicht rechts, sondern
vorn“ sein wollen. Oder sich halt „kein Linker mehr“ schimpfen. Kennt man
ja. War schon immer falsch, wird immer falsch sein.
Solche Denkweisen sind meist Ergebnis persönlicher Geschichten, man wirft
Grundsätze über Bord, erst kauft man sich ein Auto, zum Beispiel der Kinder
wegen, dann merkt man, dass auch CDUler nett sein können. Überraschung! Und
um das dann vor sich selbst zu rechtfertigen, sagt man dann eben „früher
war ich mal links, heute ist alles so unübersichtlich. Ich weiß gar nichts
mehr.“
Hört sich klinisch an. Nulldenken ist das nicht. Und politisch hilfreich
schon gar nicht.
29 May 2012
## AUTOREN
Julia Seeliger
## TAGS
Grüne
taz lab 2024
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