# taz.de -- Kolumne Alles Bio?: Und alle so: Huch? | |
> Renate Künast fiel beim Berliner Landesparteitag erst mal durch. Und alle | |
> waren überrascht. Wirklich? | |
Ich hab’s gewusst. „Wie Hunde werden sie sie zerreißen, von Realo und | |
links“, ging mir die ganze Zeit im Kopf herum. Ich war ja bei dem Verein | |
auch mal aktiv und hatte in den Tagen zuvor mitbekommen, was sich bei den | |
Berliner Grünen für Renate Künast zusammenbraute. | |
Eigentlich müsste ich mich als Geier verkleiden, dachte ich deswegen, | |
entschied mich dann aber doch für Jeansmini, groß gepunktete Strumpfhose | |
und einen mit Eulen bedruckten Kapuzenpullover. | |
Sonne, warmer Wind. Pfingstwetter. Ich spazierte zum Parteitag der Berliner | |
Grünen, dachte über meine Zeit bei den Grünen und mein Verhältnis zu Renate | |
Künast nach. | |
Lustig ist’s im Haifischbecken. Bei den Grünen knallt es gern mal, vor | |
allem, je später der Abend ist. Danach schauen sich alle betreten an und | |
sagen „Huch?“. Es wird gekichert, dann geht man Bier trinken oder ins Bett, | |
wo dann ein Spitzenpolitiker in seine Kissen weint. | |
Erst am vergangenen Montag zeigte die ARD „Schlachtfeld Politik“, eine Doku | |
über Verletzungen, die der Beruf des Politikers mit sich bringt. Über den | |
kompromisslosen Umgang mit Schwächen, wenn der Politiker dann wegsoll. Im | |
Falle Andrea Fischer deutete sich auch an, dass möglicherweise mit Sexismus | |
intrigiert wurde. | |
Gegen die hohe Kunst der Intrige ist wenig einzuwenden, also gegen die | |
Intrige als versteckte Taktik im politischen Spiel. Oft kann ein | |
politischer Erfolg nur erzielt werden, wenn die Taktik geheim bleibt. Und | |
natürlich gehört es zum innerparteilichen Wettbewerb, dass schlechte | |
Politiker abgewählt werden, damit neue, bessere an ihre Stelle rücken | |
können. | |
Auf Parteitagen funktioniert das oft so: Parteimitglieder mit Credibility, | |
gern Abgeordnete oder andere wirkmächtige Personen, „gehen durch die | |
Reihen“ der Delegierten und werben für oder gegen Kandidaten. Das kann fair | |
sein oder eben nicht. Und so kündigt sich auch was an. | |
So war das am Wochenende mit Renate Künast nicht. Auf die Frage „Und was | |
ist mit Renate?“ – hierbei versuchte ich meiner Sorge Ausdruck zu | |
verleihen, indem ich Augen wie ein niedliches, verängstigtes kleines Reh | |
machte – kam stets ein: „Was soll schon sein.“ Dass sie „unter 50 Proze… | |
kommen“ würde, schien niemand zu erwarten. | |
Aber natürlich ist eine Intrige nur erfolgreich, wenn niemand sie errät. | |
Irgendwer wird schon damit gerechnet haben, dass Künast durchfällt. Auch | |
Künast selbst schien aufgeregt und in ihrer Souveränität angekratzt: Sie | |
startete ihre Rede mit der Aussage, sie sei „aus Tempelhof-Kreuzberg“. | |
Künasts Kreisverband heißt jedoch „Tempelhof-Schöneberg“. Ob das eine | |
freudsche Fehlleistung war, die Angst vor den linken Kreuzbergern, die sie | |
eh nicht wählen würden – oder doch nur eine Verwechslung, wird sich nicht | |
mehr aufklären lassen. | |
Als es dann passiert war, schauten sich alle betreten an. Huch! | |
Sitzungsunterbrechung. Schuldzuweisungen. Habt ihr das wirklich so gewollt? | |
Nee. Die Mehrheit wohl nicht. Im zweiten Wahlgang bekam Künast dann das | |
beste Ergebnis. Beißreflex zurückgenommen. Halbintrige reicht. Biertrinken. | |
27 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Julia Seeliger | |
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