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# taz.de -- Komödie „Die Mongolettes“: Hoppla, Downsyndrom?
> Nur Ornament, nicht Thema sind die Downies in „Die Mongolettes – Wir
> wollen rocken!“. Ein Film, der alles richtig machen will – und damit
> diskriminiert.
Bild: Die Schüler mit ihrer eigenen Band, den „Mongolettes“.
„Ey Tom, werd ma’ erwachsen!“, sagt ihm einer, doch er will nur „rocken…
Die 30 hat er längst überschritten, aber über seinem Bett sieht es aus wie
in einem Jugendzimmer – da hängen die Plattencover von „The Clash“,
„Madness“ und „The Who“. Diese Namen zählen, nicht die der Frauen unte…
Bettdecke. Die kennt er so wenig wie die der Dozenten an der Uni, das
Lehramtsstudium ruht seit Jahren.
Nicht so der Gerichtsvollzieher. Tom braucht Geld, einen Job, um sie
auszulösen: „Paula – eine Gibson Les Paul Top Gold, Baujahr 56 – die
treuste Frau in meinem Leben!“ Die Einzige, die ihm etwas bedeutet. Eine
Gitarre. Also doch Musiklehrer, das Examenszeugnis stellt er sich selber
aus – „viel zu gut, um wahr zu sein“.
Tom wird gespielt von Max von Thun, Sohn von Friedrich von Thun. So
goldrichtig der Vater immer wieder für die Rolle des Grandseigneurs und
notorischen Gentlemans besetzt wird, so goldrichtig ist der Sohn für die
Rolle des Filous und liebenswerten Schwerenöters. Charme muss genetisch
sein.
## Coming of Age eines Berufsjugendlichen
Bereits nach wenigen Szenen ist klar, worauf der Film hinausläuft: auf das
Coming of Age eines Berufsjugendlichen. Auf den Entwicklungsroman im Gewand
der Filmkomödie. Lehrjahre sind keine Herrenjahre – Tom muss die eine oder
andere Prüfung bestehen, mit oder ohne Schummeln, am Ende wird er gelernt
haben, Verantwortung zu übernehmen, für sich und für andere. Die Metapher,
die der Film dafür vorsieht, geht so, dass Tom sich von Paula trennt. Für
Maria (Katharina Wackernagel), eine Frau aus Fleisch und Blut.
So weit, so gut bekannt. So harmlos, so belanglos – so nicht mehr richtig
komisch. Insbesondere auch die mal wieder aufgegossenen Versatzstücke des
Paukerfilmgenres – von „Das fliegende Klassenzimmer“ bis „Unser Lehrer
Doktor Specht“. Dazu gehört auch Toms Gegenpart, die uncoole Vorgängerin,
die nur langweilige Kirchentagsmucke kennt.
Tom ist der coole Lehrertyp, aus seiner Leidenschaft macht er bald ein
pädagogisches Konzept: „Rock bedeutet, dass man sich nicht verarschen
lässt! Es is’ egal, ob man keine Kohle hat – oder Downsyndrom, völlig ega…
Es geht nicht darum, was man hat – es geht darum, wer du bist!“
Hoppla, Downsyndrom? Ja, Downsyndrom! Das ist es, womit der Film punkten
will – sein Alleinstellungsmerkmal, seine USP. Die Schüler sind keine
„normalen“ Schüler, die Schule ist eine Förderschule. Die
Schüler-Darsteller mit Trisomie 21 treten sonst im Berliner Circus
Sonnenstich auf.
## Bloß niemanden vorführen
Offenbar sind Autor Jürgen Matthäi („Alarm für Cobra 11“) und Regisseur
Florian Gärtner („Sex Up – Jungs haben’s auch nicht leicht“; „Sex Up…
könnt’ schon wieder“) sehr skrupulöse Menschen und wollen also alles ganz
besonders richtig machen. Auf keinen Fall soll hier jemand vorgeführt
werden, sollen die Lacher auf Kosten der Behinderten gehen. Das Presseheft
sagt dazu: „Die Sat.1-Komödie stellt nicht die Behinderung in den
Vordergrund. Es geht vielmehr auch um die ganz normalen Probleme von
Teenagern – vom ersten Verliebtsein bis hin zum Ausbrechen aus festgelegten
Normen.“
Genau hier liegt das Problem. Die Behinderten sind in diesem Film nicht
Thema, sondern Ornament. Weil sie aber dabei sind, weil sich die Macher
deswegen die Glacéhandschuhe übergestreift haben, geht dem Film genau das
völlig ab, was für eine gute Komödie unabdingbar ist: Schrägheit,
Unkorrektheit, Anarchie.
Eine Komödie mit Behinderten, in der aber nicht über Behinderte, über die
Behinderung, über das Leben mit der Behinderung gelacht werden darf, ist
ein Paradoxon. Ist ein Denkfehler. Ist eine Diskriminierung. Und die USP
erweist sich als Attrappe. Was bleibt ist: harmlos, belanglos – nicht mehr
richtig komisch.
"Die Mongolettes – Wir wollen rocken!" (Dienstag, 10. April, 20.15 Uhr,
Sat.1)
10 Apr 2012
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Behinderung
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