Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Recycling von Supermarkt-Tüten: Und hält, und hält, und hält...
> Supermärkte werben damit, dass ihre Einkaufstüten kompostierbar seien.
> Stimmt nicht, kritisieren Umweltschützer. Sie seien kaum zu recyceln.
> Verbraucher würden getäuscht.
Bild: Diese Plastiktüte wird sich im Biomüll nicht zersetzen.
BERLIN taz | Die Bilder auf den Plastiktüten zeigen kleine Idyllen: ein
Marienkäfer, der einen Halm hochklettert, Gänseblümchen inmitten einer
grünen Wiese, Kühe grasend auf einer Weide. Daneben ein Verweis auf das
Material der Plastiktüte und der Hinweis „100 % kompostierbar“.
„Das ist ein besonders dreister Fall der Verbrauchertäuschung“, sagt dazu
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Denn die
Tüten seien alles andere als biologisch abbaubar. Laut Resch bestehen sie
zu 70 Prozent aus Erdöl und zu 30 Prozent aus Polymilchsäure, die aus
gentechnisch verändertem Mais gewonnen werde. Aus Rohstoffen wie Mais
hergestelltes Material wird häufig als Bioplastik bezeichnet. Das Problem
sei in diesem Fall der Mix aus einer erdölbasierten und einer aus
nachwachsenden Rohstoffen gewonnenen Substanz: Weil beide ganz
unterschiedliche Eigenschaften hätten, seien sie praktisch nicht zu
recyceln, kritisiert Resch.
## Ab in die Verbrennung
Auch Herbert Probst, Vorstand im Verband der Humus- und Erdenwirtschaft
Region Nord und selbst Betreiber von zwei Kompostanlagen, bezeichnet die
Tüten als „nicht recycelbar“. Hunderte Tüten landeten täglich mit dem
Biomüll in seinen Anlagen. Im Kompostierungsprozess, der etwa sechs Wochen
dauere, würden die Tüten nicht zersetzt, im ungünstigsten Fall blieben
Fetzen des Materials im Kompost.
Warte man, bis die Tüten zerfallen, dauere das mindestens zwölf Wochen –
doppelt so lange wie das Kompostieren in einer Anlage. Und eine
Recyclinganlage extra für Plastiktüten könne nicht das Ziel sein, meint
Resch.
Alles, was sich herausfischen lasse, werde in die Müllverbrennung gegeben,
sagt Probst. Wenn das Material – wie häufig im Biomüll – feucht ist,
erfordere das einen zusätzlichen Energieaufwand. „Es ist total falsch, wenn
dem Verbraucher suggeriert wird, er würde damit etwas Gutes für die Umwelt
tun“, so Probst. In den Biomüll gehörten die Tüten also nicht. Doch auch in
der gelben Tonne hätten sie negative Auswirkungen, so Resch. Durch den
Materialmix lösten sich einzelne Substanzen im Recyclingprozess auf – und
minderten dann die Qualität der anderen Kunststoffe.
## Hauptplayer Aldi und Rewe
Konkret prangert die DUH Tüten von Aldi und Rewe an. Beide Unternehmen
äußerten sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen und auch nicht
zu der Frage, wie groß der Anteil der angeblich kompostierbaren Tüten an
der Gesamtzahl der verkauften Plastiktüten ist. Die beiden seien nicht die
Einzigen, die solche Tüten anbieten, aber die größten Player, sagt Resch.
Die DUH fordert nun eine Abgabe auf Plastiktüten, um den Verbraucher dazu
zu bewegen, mehrfach verwendbare Einkaufsbeutel zu benutzen. Auch
rechtliche Schritte wolle man prüfen, damit die Supermärkte nicht mehr mit
der Kompostierbarkeit werben dürfen.
Möglich, dass der Verband damit Erfolg hat: Im vergangenen Jahr mahnten die
Umweltschützer schon einmal einen Fußballverein ab. Er darf die im Stadion
verwendeten Einwegbecher – ebenfalls aus einem Mix aus Erdöl und Material
aus nachwachsenden Rohstoffen – nicht mehr als „ökologisch verträglich“
bewerben.
12 Apr 2012
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Regeln fürs Recycling: Eine Tonne, viele Modelle
Spielzeug, Handys, Töpfe – was soll in die neue Wertstofftonne? Etliche
Kommunen haben probiert, was der Bundesumweltminister künftig für alle
einführen will.
Verbot in Los Angeles: „Plastiktüten? Gibt's nicht mehr...“
Jute oder Papiertüte: Vor dieser Wahl stehen Kunden bald in Los Angeles.
Denn die Millionenmetropole hat die umweltschädlichen Plastiktüten
verboten. Und folgt damit vielen anderen Städten.
„Grüne Intelligenz" auf der Hannover Messe: Holzcomputer und Bioplastik
Die weltgrößte Industrieschau setzt auf grüne Technologien. Unter dem
Leitthema „Green Intelligence“ werden ressourcenarme Häuser gezeigt – und
auch ein roter Lippenstiftfarbstoff.
Umwelthilfe mahnt Aldi und Rewe ab: Die schale Suppe hinter der Tüte
Umweltschützer gehen juristisch gegen Aldi und Rewe vor. Sie werfen den
Ketten vor, Plastiktaschen als kompostierbar zu bezeichnen, die nicht
recycelt würden.
Pascal Bruckner über Hedonismus: „In Ökologie steckt totalitäre Versuchung…
Gute Nachrichten für Hedonisten: Nicht unbedingt verzichten, aber unbedingt
mehr ökologische Konzepte entwickeln, sagt der französische Publizist
Pascal Bruckner.
Kommentar Elektroschrott: Zurücknahme braucht Recycling
In Zukunft soll in der EU weniger Elektroschrott einfach weggeschmissen
werden. Die Geräte werden vermutlich dennoch weiterhin auf Afrikas
Müllkippen landen.
Recycling und Mode: Blech am Körper
Blechdosentaschen als Einstieg in die Designerinnenexistenz: Die Künstlerin
Miss Lata verwendet alte Regenschirme, Filmdosen und Teelichter als
Rohmaterial für ihre Kollektion.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.