# taz.de -- Angriffe auf die Piratenpartei: Tyrannei der Wenigen | |
> Die Umfragewerte der Piraten steigen, da kläfft die FDP. Doch an ihrem | |
> Siechtum sind die Liberalen selbst Schuld. Und dass die Piraten keine | |
> fertige Partei sind, ist gut so. | |
Bild: Wenn der Shitstorm losbricht, hilft auch kein Regenschirm. | |
Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat die Piraten mal wieder | |
angegriffen. Döring warnte ja neulich im Zuge der Piraten vor der „Tyrannei | |
der Masse“, was ihm einen für die derzeitige Größe seiner Partei ganz | |
ordentlichen Shitstorm einbrachte. Nun sagte er dazu in der Berliner | |
Zeitung unter anderem: „Mir war wichtig deutlich zu machen, dass es neben | |
einem politischen Beteiligungsinstrument wie der Schwarmintelligenz etwas | |
mehr braucht, um eine politisch ernstzunehmende Kraft zu werden“. | |
Na, da hat er aber Recht, der Herr Döring. Das hat er offensichtlich aus | |
der Geschichte seiner eigenen Partei gelernt. Die FDP hat sich ja de facto | |
auf Parteispenden von Besserverdienenden als Geschäftsmodell konzentriert. | |
Angesichts der aktuellen Umfragewerte erkennen die Ex-Liberalen nun, dass | |
es schon etwas mehr braucht, um auf Dauer eine politisch ernstzunehmende | |
Kraft zu sein. | |
Drei lausige Prozent, seit Wochen konstant, hat die FDP bundesweit. Die | |
Piraten sind in der heutigen Umfrage für das ARD-Morgenmagazin um einen | |
Punkt auf 11 Prozent gestiegen und robben sich weiter an die 14 Prozent | |
starken Grünen heran. | |
Wenn die FDP ihre Glaubwürdigkeit bei den Bürgerrechten – vor allem im | |
digitalen Bereich – nicht so hätten verkommen lassen, würde man einen | |
Döring ja vielleicht ernst nehmen. Aber seit den 80ern, als sie den Schwenk | |
in der Koalition von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl (für Piratenwähler: zwei | |
wichtige deutsche Politiker aus der vor-Internet-Zeit) vollzogen, hatte die | |
FDP nun Gelegenheit, ihre politische Glaubwürdigkeit wieder aufzubauen. Und | |
hat sie ungenutzt verstreichen lassen. Es hat also im Prinzip erstaunlich | |
lange gedauert, bis die Wähler sie endlich aus den Parlamenten werfen. Drei | |
Prozent und eine Bundesjustizministerin, die als letzte Verteidigerin der | |
Bürgerrechte außer Konkurrenz läuft, reichen nicht, um ernsthaft im | |
Geschäft zu bleiben. | |
Die Piraten haben diese Glaubwürdigkeit. Weil sie aus Kampagnen zu | |
Bürgerrechten und Demokratie im Netz entstanden sind. Weil sie noch keine | |
Entscheidungen zu treffen hatten, die dieser Glaubwürdigkeit schaden hätten | |
können. Und weil die FDP und in gewissem Rahmen auch die Grünen diese | |
Themen nicht ernst genug genommen haben. | |
Natürlich sind die Piraten noch keine fertige Partei im Sinne des | |
Parlamentsbetriebs. Müssen sie auch gar nicht. Ob sie – so ein Vorwurf | |
Dörings zur angeblich bedingungslosen Transparenz der P-Partei – auch | |
Abstimmungen über vertrauliche Regierungsdinge hinter verschlossenen Türen | |
machen werden oder nicht, das müssen die Piraten entscheiden, wenn sie in | |
der Regierung sind. Das wird ja noch ein wenig dauern, weil die alten | |
Parteien ja eh nicht mit ihnen koalieren, solange sie nicht müssen. | |
Derzeit wäre es für die Demokratie doch sogar schädlich, wenn die Piraten | |
zu allem eine abgestimmte und umfragegestählte Meinung hätten. Wozu nützte | |
dann die neue Partei? Die Piraten sind dazu da, den Konkurrenten Angst vor | |
dem Entern zu machen und die Themen ihrer Wähler umzusetzen. Das geht mit | |
11 Prozent in der Opposition weitaus besser als mit drei Prozent auf Abruf | |
in der Regierung, werter Herr Generalsekretär Döring. | |
13 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
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