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# taz.de -- Erinnerungs(un)kultur in Steglitz: Wegweisender Antisemit
> Die Treitschkestraße in Steglitz ist nach einem Antisemiten benannt.
> Dagegen gibt es seit Jahren Protest - der Name wird trotzdem nicht
> geändert.
Bild: Innen hui, außen pfui: Einkaufszentrum "boulevard berlin".
In Steglitz ist vor einigen Tagen das Einkaufszentrum „Boulevard Berlin“
eingeweiht worden. Auf der Ankündigung war zu lesen, dass sich am
Hinterausgang die Treitschkestraße befindet. Nach diesem Mann ist heute
noch eine Straße benannt?
Der Berliner Geschichtsprofessor Heinrich von Treitschke (1834–1896) war
ein Antisemit, von ihm stammt der Spruch „Die Juden sind unser Unglück“.
Von den Nationalsozialisten aufgegriffen, fand sich dieser als Kopfzeile in
dem Nazihetzblatt Der Stürmer wieder. Nur in wenigen deutschen Städten gibt
es noch eine Treitschkestraße: in München, Karlsruhe und eben in Berlin.
Anderswo wurden diese Straßen umbenannt, in Heidelberg etwa endete der
jahrelange Kampf am 31. März 2012. Die frühere Treitschkestraße heißt jetzt
Goldschmidtstraße.
Auch in Steglitz gibt es seit Jahren eine Auseinandersetzung über diesen
Straßennamen. Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und die
Patmosgemeinde etwa haben sich für eine Umbenennung eingesetzt. In der
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) war die Straße oft Thema. Im Jahr 2008
wurde beschlossen, dort zumindest einen kritischen Hinweis anzubringen. Der
Name blieb.
## Es gibt gute Alternativen
Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Michael Karnetzki (SPD) will sich
weiter für eine Umbenennung einsetzen. Er fürchtet, dass das
Einkaufszentrum „Treitschkepassage“ genannt werden könnte. Die Stadträte
der Grünen und der CDU, die in der BVV eine Zählgemeinschaft bilden,
antworteten nicht auf eine Anfrage.
Eine Reihe von Straßenumbenennungen gab es schon in der Stadt, aber es gibt
noch viele Straßen mit äußerst fragwürdigem Namen. Einige verherrlichen die
deutsche Kolonialzeit: Lüderitzstraße, Nachtigalplatz, Petersallee – alle
im Afrikanischen Viertel im Wedding. Alternativen gibt es genug. So könnte
eine Straße nach Wilhelm Krützfeld benannt werden. Als zuständiger
Polizeioffizier hat er sich 1938 in der Reichspogromnacht der SA
entgegengestellt und die Schändung und Zerstörung der Neuen Synagoge
verhindert. An diesem Ort erinnert heute eine Gedenktafel an den mutigen
Mann. Eine Straße ist in Berlin nach ihm bislang nicht benannt.
Günther Wahrheit, 68, Pensionär aus Berlin, taz-Genosse seit 2011
14 Apr 2012
## AUTOREN
Günther Wahrheit
## TAGS
Antisemitismus
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Streit um Treitschkestraße: Antisemitismus über administrativen Aufwand
Die Treitschkestraße in Steglitz ist nach einem Antisemiten benannt. Seit
Jahren wird die Umbenennung gefordert, die CDU stellt sich erneut dagegen.
Kontra: Die Umbenennung wäre falsch
Straßennamen sind das historische Gedächtnis der Stadt. Das gilt auch für
Treitschke, einem der unappetitlichsten deutschen Historiker. Soll man eine
Straße, die seinen Namen trägt, deshalb umbenennen? Nein.
Pro: Die Umbenennung wäre ein Signal
Das unrühmliche Treitschke-Zitat "Die Juden sind unser Unglück" gehört
ebenso auf die Gedenkstele wie der Hinweis, dass die Nazis es Jahrzehnte
später für ihre Propaganda genutzt haben. Fehlt dieser Mut, hilft nur noch
eins: die Umbenennung.
Streit um nach Antisemitem benannte Straße: Kein Friede mit Treitschke
Die Treitschkestraße in Steglitz bleibt ein Dauerbrenner. Am Freitag will
Schwarz-Grün eine Stele zum umstrittenen antisemitischen Historiker
aufstellen. Die SPD sagt: Das macht alles nur noch schlimmer.
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