# taz.de -- Kommentar Salafisten: Was Demokraten zuzumuten ist | |
> Salafisten geben allen Anlass zur Kritik, aber keinen zur Panik. Sie mit | |
> Evangelikalen zu vergleichen ist zulässig und kann das Abdriften in | |
> rassistische Klischees verhindern. | |
Bild: Reaktionär – ja; Terroristen – nicht unbedingt: Salafisten verteilen… | |
Die Salafisten kommen – beziehungsweise, oh Gott! – sie sind schon da! | |
Inmitten deutscher Einkaufszonen, also im Herzen der deutschen Städte, | |
verteilen sie ungebeten den Koran. Was tun? Wegsperren? Am besten noch | |
bevor etwas passiert? | |
Konservative Politiker, allen voran Wolfgang Bosbach von der CDU, | |
profilieren sich dieser Tage eilfertig als wachsame Handlanger eines | |
starken Staates, der gerne schon jetzt zugreifen würde, allein die | |
Religionsfreiheit hierzulande erlaube nun mal das Verteilen von heiligen | |
Schriften. Das sind die Untiefen der Meinungsfreiheit, was will man da | |
machen. | |
Nicht nur Vernünftiges, sondern sogar Pionierhaftes zur Salafistenfrage | |
lieferte nun ausgerechnet das Wort zum vergangenen Sonntag. Der katholische | |
Pfarrer Wolfgang Beck aus Hannover durchbrach ein hierzulande verbreitetes | |
Denkverbot und machte unerschrocken darauf aufmerksam, dass Piusbrüder, | |
Evangelikale und Salafisten mehr gemeinsam hätten, als ihnen | |
„wahrscheinlich lieb sei". Evangelikale fühlen sich nun verunglimpft, der | |
Dachverband Evangelikaler Christen hat gestern Beschwerde beim NDR | |
eingelegt. Sollen sie. Es ihr gutes Recht. | |
Beck aber ist mit dieser Analogiebildung einer der wenigen in der deutschen | |
Öffentlichkeit, der die Salafisten nicht im Vokabular der Kriminalistik | |
beschreibt, sie mithin pauschal als Terroristen diffamiert, sondern | |
politisch kritisiert. Er setzt die ultrakonservativen und | |
männerbundtrunkenen islamischen Gottesverehrer in eine Reihe mit | |
ultrakonservativen und männerbundtrunkenen christlichen Gottesverehrern, | |
den Piusbrüdern und den Evangelikalen. Das kann man im Detail diskutieren. | |
Der Ansatz aber ist richtig. | |
Denn Beck behandelt die Salafisten mit seinem Vergleich nicht als das „Ganz | |
Andere“, also als Menschengruppe, die man hierzulande nicht nur nicht | |
kennt, sondern auch nicht verstehen kann, die einfach nicht hierher | |
gehören. Die ergo weg müssen, weit weg. Stattdessen holt der Theologe die | |
Gruppe von Religionsfanatikern näher ran, er besieht sie sich, versucht | |
ihre Denkhaltung transparent zu machen und kritisiert sie scharf. | |
Wolfgang Beck kommt mit dieser Herangehensweise dem Aufklärungsauftrag der | |
Medien nach - und Beck ist als einer der acht Sprecher des Wortes zum | |
Sonntag ja nicht nur Pfarrer, sondern auch Medienvertreter – und das ist so | |
erfreulich wie beklagenswert selten. Nicht jeder Sektenanhänger nämlich ist | |
Straftäter und (zukünftiger) Terrorist. Die Verwischung dieses | |
Unterschiedes markiert den Ausgangspunkt, an dem eine berechtigte Kritik an | |
Religionsfanatikern in Rassismus abdriftet. | |
## Rektionärer Unfug | |
Die beste Maßnahme gegen die von den Golfstaaten mit viel Geld | |
ausgestatteten und daher international zunehmend sichtbar werdenden | |
Salafisten ist nicht die uninformierte Abwehr vor Männern mit dunklem | |
Haupt- und langem Barthaar durch den Generalverdacht, es handele sich um | |
Gewalttäter. Sondern das Wissen um ihre krause Ideologie, das Wissen, dass | |
ihre Behauptung, es gäbe nur eine richtige Lesart des Koran – nämlich die | |
ihre – und damit auch nur eine richtige Lebensart – auch die ihre – | |
reaktionärer Unfug ist. | |
Und zwar schon deswegen, weil der Koran wie die Bibel als historische | |
Überlieferung unterschiedliche Auslegungen zulässt. Kurz gesagt: Keine | |
heilige Schrift legitimiert die Verletzung der Meinungsfreiheit. Das ist | |
eine Binsenweisheit, die allerdings allzu gern vergessen wird, wenn es um | |
Moslems geht und die Verlockung offenbar groß ist, sich als Mitglied der | |
christlichen Kultur als überlegen zu stilisieren. | |
Dabei führt just heute erneut ein ausgesprochen christlich überzeugter und | |
blonder Mann vor Augen, was tatsächlich Terror ist: Anders Breivik, der | |
Mörder von 77 Menschen, wird in wenigen Stunden vor dem Gericht in Oslo | |
angehört werden. Seine Rechtfertigungen werden in die Öffentlichkeit | |
finden. Auch das ist eine Zumutung, die Demokraten aushalten müssen – aber | |
im Gegensatz zu Fanatikern können die das glücklicherweise. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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