# taz.de -- Die Ems ertrinkt oder erstickt: Die einfachste Lösung bleibt auße… | |
> Wegen der dauernden Überführungen riesiger Kreuzfahrtschiffe der | |
> Meyer-Werft ist die Ems in den letzten 20 Jahren zu einer gefährlichen | |
> Schlickrinne umgebaut worden. | |
Bild: Dickes Schiff auf schmalem Fluss: die "Aidamar" auf der Ems. | |
HAMBURG taz | Der Kreuzfahrer „Aidamar“, der sechste Luxusliner in der | |
Flotte der Rostocker Aida Cruises hat es am Wochenende glücklich durch die | |
Ems in die Nordsee geschafft. Die Zukunft der Ems selbst ist jedoch mehr | |
denn je ungewiss. Je nach Sichtweise droht ihr der Tod durch Ertrinken oder | |
Ersticken. Jetzt soll den Fluss die Lenkungsgruppe Ems richten – eine | |
Kooperation von Fachbehörden, Meyer-Weft, Verwaltungen und Umweltverbänden. | |
Die Gruppe hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, in der alle | |
möglichen Lösungen zur Rettung der Ems abgeklopft werden sollen. Alle? | |
Nicht alle! Die billigste und einfachste Lösung, die Verlagerung der | |
Produktion der Meyer-Werft an die Küste, bleibt weiterhin außen vor. „Meyer | |
lässt jetzt schon Bauteile in Warnemünde herstellen und schleppt sie nach | |
Papenburg“, sagt Hajo Rutenberg, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet die | |
Ems“. „Die Schiffe könnten in Emden montiert werden.“ | |
## Der Emskanal ist vom Tisch | |
Bei den technischen Vorschlägen der Lenkungsgruppe Ems geht es um viel | |
Geld. Da ist ein Staudamm zwischen Ostfriesland und den Niederlanden im | |
Gespräch, Kosten zirka drei Milliarden Euro. Eine zusätzliche Sohlsperre | |
vor dem Emssperrwerk ist mit rund 165 Millionen Euro veranschlagt. Ein | |
Versuch, den Schlick mit dem Sperrwerk bei Gandersum zu stoppen, misslang. | |
Vier Millionen Euro mussten zur Sanierung der Sperrwerkszufahrt und zum | |
Auffüllen von 14 Meter tiefen Ausspülungen ausgegeben werden. | |
Die Umweltverbände liebäugeln mit einer Verlängerung der Flut in der Ems | |
durch den Abbau eines Sperrwerkes bei Herbrum – Kosten ungewiss. Ihre | |
„Umweltidee“, parallel zur Ems zwischen Papenburg und Leer einen Kanal zu | |
bauen, ist vom Tisch. | |
Ärger erregt die Tatsache, dass der Landkreis Emsland jetzt für 2012 und | |
2014 Sondergenehmigungen für Schiffsüberführungen beantragt hat, mit denen | |
die Grenzwerte für Salz- und Sauerstoffgehalte für die Zeit der Staus außer | |
Kraft gesetzt werden sollen. „Diese Anträge zur Verschlechterung des | |
Emswassers sind schwer mit dem Niedersächsischen Wasserrecht vereinbar“, | |
ärgert sich Rutenberg von „Rettet die Ems“. | |
Als Protest gegen diese Sonderanträge fiel den Umweltverbänden BUND, WWF | |
und Nabu nichts besseres ein, als ein generelles Konzept zur Sanierung der | |
Ems bis 2014 anzumahnen. Dieses Konzept haben sie aber selbst über 20 Jahre | |
hinweg nicht auf die Beine bekommen. „Nachdem sich die Umweltverbände | |
entschlossen haben, mit Meyer zu kooperieren, liegen sie an der Kette“, | |
sagt Rutenberg. „Sie arbeiten für ihre eigenen Interessen.“ | |
Die regionale Umweltgruppe Wattenrat formuliert es schneidender: „Die | |
Verbände haben sich ihre Verantwortung abkaufen lassen“, sagt Manfred Knake | |
vom Wattenrat. | |
## Umweltverbände geknebelt | |
Um heute ein Schiff von Papenburg an die Nordsee zu bringen, reicht es | |
nicht mehr, einfach den Fluss auszubaggern. Er muss zusätzlich gestaut | |
werden. Und wenn das nicht reicht, wird noch mehr Wasser aus dem | |
Emseinzugsgebiet in den Fluss gepumpt – alles für die Meyer-Werft. | |
Um der Zerstörung der Natur Einhalt zu gebieten, sind BUND, Nabu und WWF | |
vor Jahren angetreten. Jetzt kooperieren sie in der Lenkungsgruppe Ems mit | |
der Wirtschaft und den Behörden. Ein „Generationenvertrag“ mit der | |
Meyer-Werft sollte in den nächsten 30 Jahren das Überleben des Flusses | |
sichern. „Damit haben sich die Naturschutzverbände selbst geknebelt. Sie | |
agieren im freien Raum ohne Bindung zur Basis“, kritisiert Hajo Rutenberg. | |
Im Mai 2009, bei der Überführung der „Celebrity Equinox“, hatten die | |
Verbände noch gegen einen Emsstau mitten in der Brutzeit geklagt. Im Juni | |
zogen WWF, BUND und Nabu ihre Klage zu Gunsten der Kooperation mit der | |
Werft zurück. „Bei der Überführung des Schiffes sind dann hunderte von | |
Brutgelegen und Jungvögeln abgesoffen“, erbost sich Eilert Voss, | |
Vogelschützer beim Wattenrat. Alles was über 7,15 Meter über Normal Null | |
aufgestaut oder gepumpt werde, gefährdet die Vogelwelt. | |
Alle würden uneingeschränkt das Hohe Lied auf die Meyer-Werft singen, wenn | |
die Ems nicht seit 20 Jahren zu Gunsten der Werft bebaggert, begradigt und | |
befestigt würde. Die Aufrechterhaltung des Schiffsbetriebes nach dem Ausbau | |
der Ems für die Meyer-Werft hat allein den Bund in 20 Jahren fast eine | |
halbe Milliarde Euro gekostet, wie das Bundesverkehrsministerium | |
vorrechnet. | |
165 Millionen Kubikmeter Sand mussten aus dem Fluss gebaggert und entweder | |
an Land deponiert oder im Meer verklappt werden. Allein für dieses Jahr | |
rechnet der Bund mit Baggerkosten von 32 Millionen Euro für Außen- und | |
Unterems. Dabei sollte mit dem Bau des Sperrwerkes bei Gandersum das | |
Baggern wegfallen. Tut es aber nicht. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
## TAGS | |
Niedersachsen | |
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