# taz.de -- Piraten-Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Der private Herr Breyer | |
> Patrick Breyer kämpft seit Jahren für strengen Datenschutz – auch im | |
> Wahlkampf bleiben Alter, Job und Familie Privatsache. Bald wird Breyer | |
> Abgeordneter in Schleswig-Holstein. | |
Bild: Fahnen für den Wahlkampf – Patrick Breyer verzichtet auf Twitter und F… | |
MELDORF taz | „Das sind meine Anträge“, sagt Patrick Breyer, noch bevor er | |
Platz genommen hat an einem Tisch beim Griechen am Bahnhof Meldorf, eine | |
Dithmarscher Kleinstadt. Er fährt mit einem Finger über zwei, drei Absätze | |
in einem vor ihm aufgeklappten Faltblatt. Es stammt von den Piraten und | |
geht um staatliche Überwachung und Privatsphäre. | |
Breyer steht auf Listenplatz 4 seine Partei bei der Wahl in | |
Schleswig-Holstein. Wenn die Piraten in den Landtag ziehen, ist er dabei. | |
Der Jurist ist ein Vorzeige-Fachpolitiker der jungen Partei, er engagiert | |
sich schon länger als Bürgerrechtler und kämpft für Datenschutz. Das nimmt | |
er ernst. Breyer arbeitet ohne Twitter und Facebook, man kann ihn anonym | |
anmailen. | |
Die sozialen Netzwerke speichern ihm zu viel. Wo er wohnt, sagt er nur | |
grob. „In Dithmarschen.“ Alter, Familienstand, Kinder? Kein Kommentar, | |
privat. In einer Liste der Landeswahlleiterin steht mehr, als er selbst | |
verrät: Jahrgang 1977, wohnhaft in Meldorf – Pflichtangaben für Kandidaten. | |
Breyer, schlank, kurze braune Haare, trägt einen orangen Wahlkampf-Pullover | |
der Piratenpartei, sein Name ist eingestickt. Er ist mit dem Fahrrad zu dem | |
Gespräch gekommen. | |
## Treibende Kraft im AK Vorrat | |
Sein politisches Engagement beginnt im Arbeitskreis Vorrat. Die Gruppe hat | |
sich Ende 2005 gegründet, um ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu | |
verhindern: Es sollte dafür sorgen, dass für sechs Monate gespeichert wird, | |
wer mit wem von wo telefoniert oder E-Mails geschrieben hat. Für Breyer ist | |
dies ein zu tiefer, unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre. | |
„In den letzten vier Jahre war Breyer einer der treibenden Kräfte im AK | |
Vorrat“, sagt Markus Beckedahl von [1][Netzpolitik.org], einem Blog zur | |
digitalen Bürgerrechtsbewegung. Es gebe wenige, die zu dem sehr | |
juristischen Thema Vorratsdatenspeicherung so viel wüssten wie Breyer. | |
Das ist schnell erklärt: Breyer promovierte über die | |
Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2004. Ein ehemaliger Landesdatenschützer | |
war sein Doktorvater. Danach schließt er sich dem AK Vorrat an. Seit der | |
ersten Demo spricht er auf Kundgebungen, baut Kontakte auf zu Presse und | |
Politik, sammelt Unterschriften. Und scheitert. Das Gesetz passiert den | |
Bundestag. | |
Für Breyer war das desillusionierend: „Wir haben gedacht, dass der | |
Bundestag sich das noch mal überleget, wenn Tausende gegen das Gesetz | |
unterschreiben.“ Aber so funktioniere der Bundestag nun mal nicht, sagt er | |
heute. Also organisiert er die Sammelbeschwerde beim | |
Bundesverfassungsgericht: 34.000 Menschen sind dabei. | |
Sie haben Erfolg. Die Karlsruher Richter kippten im März 2010 das Gesetz in | |
der bisherigen Fassung. Die Bundesregierung streitet noch heute über einen | |
neuen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Breyer prozessiert immer | |
mal wieder gegen Regelungen, auch vor dem Verfassungsgericht, die | |
Bürgerrechte seiner Meinung nach zu sehr einschränken. Oder er unterstützt | |
andere dabei. Als Schüler und Student war Breyer nicht so politisch: „Meine | |
Leidenschaft waren Computer.“ Als Schüler war er Klassensprecher, er ist | |
Fördermitglied bei Greenpeace. | |
Für wen der Jurist arbeitet, sagt er nicht. Passt das zur Transparenz, die | |
Piraten fordern? „Was wir für andere machen, muss transparent und | |
öffentlich laufen.“ Sein Job gehört für ihn zur Privatsphäre. Und was ist | |
mit Interessenkonflikten? „Wenn wir Erfolg haben, dann bin ich dort nicht | |
mehr beschäftigt.“ | |
Breyer ist einer der Gründer der Piratenpartei. In ihrem Programm fordern | |
die Piraten in Schleswig-Holstein, dass die schon bestehenden Regeln zur | |
staatliche Überwachung der Bürger zurückgenommen oder entschärft werden. | |
Ein „Freiheitspaket“ – Breyers Antrag. | |
Bei der Bundestagswahl 2009 hat er noch die FDP empfohlen. „Die zu wählen | |
war die freiheitsfreundlichste Option, weil die Piratenpartei keine Chance | |
hatte.“ Es sei darum gegangen, eine große Koalition zu verhindern. Denn die | |
sei „der GAU“ für Bürgerrechte. Volksparteien seien Staatsparteien. | |
Was wird Breyer als Erstes tun, wenn er in den Landtag kommt? Die | |
Geschäftsordnung ändern und dafür sorgen, dass die parlamentarischen | |
Geschäftsführer von Fraktionen keine Zuschläge bekommen. Deswegen werde er | |
notfalls vors Landesverfassungsgericht ziehen. „Aber ich hoffe, das geht | |
politisch.“ | |
23 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://netzpolitik.org/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
Daniel Kummetz | |
## TAGS | |
Vorratsdatenspeicherung | |
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