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# taz.de -- Rechte Sprüche der Piraten: Eisberg von rechts
> Rechte Entgleisungen bei den Piraten könnten eine Chance für die
> etablierten Parteien sein. Denn sie bringen die Neulinge zum ersten Mal
> in Not.
Bild: Von links weht der Wind! Piratenfahne am Brandenburger Tor in Berlin.
BERLIN taz | Die Piraten haben „ein kleines Nazi-Problem und ein großes
Problem mit Deppen, die das ignorieren, verdrängen und beschönigen“,
twitterte der Berliner Pirat Enno Park.
Dieses Problem hat eine gewisse Tradition in der Partei: Es begann mit Bodo
Thiesens Holocaustleugnung, antiislamischen Ausfällen des damaligen
Vorstandsmitglieds Aaron König und einem Interview, das der
stellvertretende Vorsitzende Andi Popp der Jungen Freiheit gab.
Und noch immer kommt die Debatte nicht zur Ruhe: Obwohl sich der Berliner
Abgeordnete Martin Delius für seinen NSDAP-Vergleich entschuldigt hat und
die Partei in einer eigens anberaumten Konferenz gegen rechtsextreme
Tendenzen in den eigenen Reihen vorgehen will, wird das Problem der
Abgrenzung von rechts immer schärfer diskutiert.
Trotzdem ist die Zustimmung in der Bevölkerung ungebrochen: Die Piraten
kommen in den meisten Umfragen weiterhin landesweit auf mehr als 10
Prozent, der Einzug in die Landesparlamente in Schleswig-Holstein sowie in
Nordrhein-Westfalen gilt als sicher, Letzteres sehr zum Ärger der
rot-grünen Nochregierung. Zugleich gibt es einen wahren Run auf die
Parteibücher – vor zwei Wochen begrüßten die Piraten das 25.000. Mitglied
in ihren Reihen. Das ist eine Verdopplung der Mitgliederzahl seit der
Berlinwahl im September 2011.
## „Liberal in einem skandinawischen Sinn“
Warum schadet den Piraten das Ins-Fettnäpfchen-Hopsen ihres
Führungspersonals nicht, warum akzeptieren offenbar viele Wähler
rechtslastige Mitglieder? Verena Schäffer, Landtagskandidatin der Grünen in
NRW und Rechtsextremismusexpertin, zögert. „Einerseits“, sagt sie, „wird
das nicht stark genug wahrgenommen. Viele fallen auf die Erklärung der
Piratenpartei rein, dass es sich um Einzelmeinungen handle.“ Dabei habe die
Parteispitze die Aufgabe, sich von solchen Aussagen klar zu distanzieren.
Das aber geschehe nicht mit der nötigen Entschlossenheit.
Andererseits fehle das Problembewusstsein nicht nur in der Partei, sondern
auch in Teilen der Bevölkerung. „Da spiegeln sich Einstellungen der
Ungleichwertigkeit, die in der Gesellschaft vorhanden sind, und es gibt
sicher einige Wähler, die sich daran nicht stoßen.“ Aber gerade weil die
Piratenpartei immer stärker in den Fokus rücke, müssten die führenden
Parteimitglieder Verantwortung übernehmen und sich von diesen Positionen
deutlich abgrenzen.
Ähnlich sieht das auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil:
„Bisher genießen die Piraten noch eine Art Welpenschutz. Da gibt es
gegenüber solchen Fällen eine andere Toleranz als in der SPD gegen
Sarrazin.“ Das liege natürlich zum einen daran, dass sie als junge Partei
nach wie vor eine Projektionsfläche seien, aber auch an der Lockerheit im
Kommunikationsstil. „Es ist natürlich auch so, dass die Piraten für eine
andere politische Kultur stehen“, sagt Parteienforscher Carsten
Koschmieder. „Sie sind in großen Teilen liberal in einem skandinavischen
Sinn.“
In Skandinavien sei es gängiger und unproblematischer, auch abseitige
Meinungen zu tolerieren, selbst wenn man überhaupt nicht mit ihnen
übereinstimme. Man könne nicht sagen, dass die Partei ein größeres Problem
mit rechtsextremen Meinungen in den eigenen Reihen hätte als andere: „Die
Piraten haben wohl nicht signifikant mehr Unterstützer mit einem
geschlossenen rechten Weltbild.“
## Schonfrist ist vorbei
Ohnehin würden die Piraten nicht wegen ihrer Inhalte gewählt – vielmehr
vermittelten sie ein Gefühl, das gerade Wähler anziehe, die sich im
bestehenden politischen Gefüge nicht wiederfinden. Gerade diese Wähler
hätten traditionell weniger Probleme mit Tabubrüchen.
Doch zum ersten Mal könnten die aktuellen Kontroversen der Partei wirklich
schaden. „Bisher konnte man fragwürdige Äußerungen nicht zuordnen“, sagt
Koschmieder. „Wer kennt schon Hartmut Semken? Aber das könnte sich mit
zunehmender Bekanntheit ändern.“ Unter anderem auch weil die Neulinge
bisher kaum zu fassen gewesen seien.
„Die Piraten sind noch nicht wirklich greifbar“, sagt auch Klingbeil, man
habe aber gesehen, dass das bisherige pauschale Draufhauen nichts bringt,
und werde sich themenspezifisch mit ihnen auseinandersetzen. Und auch
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, erklärte, dass die
Schonfrist jetzt vorbei sei: „Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass die
Piraten sich rausreden“, so Gysi. Die Linkspartei habe bis jetzt auf
inhaltliche Auseinandersetzung verzichtet, weil man nicht neidisch wirken
und den Neuen Zeit geben wollte. Das sei jetzt vorbei.
23 Apr 2012
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