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# taz.de -- ARD gedenkt Herman Hesse: Selbstmörder und Ersatzgott
> Zum 50. Todestag Hermann Hesses zeigt die ARD die Literaturverfilmung
> "Die Heimkehr" und die Dokumentation "Hermann Hesse Superstar".
Bild: Da ruht er, der „Herman Hesse Superstar“.
Warum nicht Damon Albarn? Der Ex-Blur-Sänger erzählt in Interviews immer
wieder von seiner Wertschätzung für Hermann Hesse und besonders für
„Siddhartha“, sein Lieblingsbuch.
Auch die amerikanischen Hippies verschlangen es einst – Hesse ist ein
internationales Phänomen. Der Titel „Hermann Hesse Superstar“ sagt es:
Superstars haben im Unterschied zu Stars internationales Format. Aber die
Interviewpartner, die Andreas Ammer für seine sehenswerte Doku aufgesucht
hat, sind ausschließlich deutscher Herkunft.
So outen sich etwa Udo Lindenberg und, wenig überraschend, Konstantin
Wecker als Hesse-Fans. Und Franz Beckenbauer, nur einen kurzen Moment lang
überraschend. Hesse habe es geschafft, seine „philosophische Neugier zu
wecken“, sagt Beckenbauer. Er sei danach „fasziniert von dieser
fernöstlichen Philosophie“ gewesen, habe gleichwohl gewusst, „dass auch der
Westen philosophisch orientiert war“, und studierte deshalb auch –
„Schopenhauer, Nietzsche, Kant, Fichtel, Hege und so weiter“.
Beckenbauer korrigiert sich sofort: „Hegel“. Ammer nähert sich dem
„Selbstmörder, Schriftsteller, Nobelpreisträger, „Ersatzgott“ mehr
augenzwinkernd als gravitätisch, er lässt seine Promis sentimental die
„Stufen“ rezitieren und befragt sie nach Hesses Aussehen: „Für meine
Verhältnisse ’n bisschen zu asketisch“, sagt der gewichtige Sternekoch
Vincent Klink.
## Die Außenseiter-Helden
Am lustigsten ist eine Archivaufnahme, in der eine Reporterin in Hesses
schwäbischer Geburtsstadt Calw unterwegs ist und eine nicht mehr ganz junge
Frau auf Hesse anspricht: „Den möge mir ned arg, auf Deutsch g’sagt.“
„Warum denn?“ „Weil mir alte Calwer sind.“ Der Spielfilm „Die Heimkeh…
macht die Auskunft der Calwerin plausibel.
Hesses Helden waren die Außenseiter und Unangepassten – deshalb erklären
die, die sich dafür halten, Hesse zu ihrem Helden. Die das nicht tun,
erklären ihn zu ihrem Feindbild. „Die Heimkehr“ – „die erste deutsche
Verfilmung eines Werkes des Literaturnobelpreisträgers“ (ARD) – handelt von
August Staudenmeyer (August Zirner), der seine TV-Puppenstuben-Heimat einst
wegen einer jugendlichen Dummheit verlassen musste.
Nun kehrt er nach Jahrzehnten als gemachter Mann zurück: „Ja, und jetzt
möcht ich was Großes aufziehn in meinem alten Gerbersau. Das ist dann meine
Rache an dieser Stadt.“ Gerbersau, das ist natürlich Calw. Vor Staudenmeyer
können nur die Aussätzigen, der lokale Hungerkünstler und die vermeintliche
Dorfschlampe (Heike Makatsch) bestehen. Alle anderen Gerbersauer verachtet
er.
## Unlustige Karikaturen
Das etwas schlichte Weltbild mag in Hesses Vorlage unvermeidlich sein –
hier geht es um den Film. Jo Baier („Schwabenkinder“), der, wie üblich,
Buch und Regie gemacht hat, zeichnet die Gerbersauer Bürger als Zerrbilder
des bigotten protestantischen Spießers. Baiers Gerbersau wird sich am Ende
als so unbewohnbar erweisen wie Michael Hanekes Eichwald. Nur dass der
Regisseur von „Das weiße Band“ in seiner Humorlosigkeit konsequent
erscheint – während Baier derbe Karikaturen zeichnet, ohne komisch zu sein
und sein zu wollen.
Heike Makatsch baut ihre Sammlung mit Rollen der Sorte „Eine taffe Frau
gibt nicht auf, obwohl die Emanzipation ja noch gar nicht stattgefunden
hat“ weiter aus, Herbert Knaup, der den Bürgermeister und amtlichen
Oberspießer spielt, darf wieder viel Dialekt sprechen, und Udo Lindenberg
singt am Ende „The River“, auf Englisch. Aber das alles macht es nicht
besser.
2 May 2012
## AUTOREN
Jens Müller
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