# taz.de -- Litauen boykottiert Aufklärung: CIA-Knäste bleiben im Geheimen | |
> Erst erlaubte man der CIA, zwei klandestine Gefängnisse für | |
> Terrorverdächtige einzurichten. Nun blockiert die Regierung Ermittlungen | |
> über die Insassen. Die EU fordert Untersuchungen. | |
Bild: Aktivisten von Amnesty International organisierten diesen Protest gegen d… | |
STOCKHOLM taz | „Wer nicht sucht, der findet auch nicht“, erklärte Hélène | |
Flautre auf einer Pressekonferenz in Vilnius. Die Europaparlamentarierin | |
der französischen Grünen ist unzufrieden darüber, wie Litauen sich einer | |
weiteren Aufklärung über die geheimen Gefängnisse der CIA auf seinem | |
Territorium verweigert: „Es gibt viele offene Fragen und doch will man | |
nicht weiterermitteln.“ | |
Und Flautre kündigte an, dass das Justizkomitee des EU-Parlaments, dessen | |
sechsköpfige Delegation Litauen einen dreitägigen Besuch abgestattet hat, | |
der Regierung in Vilnius nun eine Reihe schriftlicher Fragen zur | |
Beantwortung schicken werde. | |
Die Vernebelungstaktik Litauens beim Thema CIA-Gefängnisse hat Tradition. | |
Jahrelang wurde die Existenz bestritten, und erst als Ende 2009 in | |
US-Medien sogar Bildbeweise auftauchten, wurde eine parlamentarische | |
Untersuchungskommission eingesetzt und die Staatsanwaltschaft nahm | |
Ermittlungen auf. | |
## Keine Beweise | |
Dabei kam allerdings offiziell nur heraus, was nicht mehr zu leugnen war: | |
2002 habe man der CIA eine kleinere und 2004 eine größere Anlage zur | |
Verfügung gestellt, wohin mutmaßliche Terroristen unter Umgehung der | |
Einreisekontrollen verbracht, dort festgehalten und verhört werden konnten. | |
Es habe auch zwischen 2003 und 2006 mehrere Landungen von CIA-Flugzeugen in | |
Vilnius gegeben, doch wer transportiert worden sei, wisse man nicht. Und es | |
gebe keine Beweise, dass in den Anlagen jemals Personen festgehalten, | |
verhört oder gefoltert worden seien. | |
Die Politik wollte von diesem angeblich nur zwischen den jeweiligen | |
Geheimdiensten direkt ausgehandelten Deal gar nichts gewusst haben. Und | |
auch die Rolle des damaligen litauischen Staatspräsidenten Valdas Adamkus | |
blieb im Dunkeln. Der Ex-US-Staatsangehörige und enge Freund des früheren | |
US-Präsidenten George W. Bush war in Spekulationen als möglicher Mitwisser | |
genannt worden und hatte noch kurz vor der offiziellen Bestätigung | |
behauptet, die Gefängnisse habe es nie gegeben. | |
„Abwegig“ sei eine solche Geschichte, hatte im vergangenen Jahr schon | |
Amnesty International Litauen vorgeworfen und die Regierung aufgefordert, | |
zu einer substanziellen Aufklärung beizutragen und sich nicht hinter | |
Gründen der „nationalen Sicherheit“ oder dem Schutz von Staatsgeheimnissen | |
zu verschanzen. Ähnlich lautet nun auch der Vorwurf der | |
EU-ParlamentarierInnen. Die Staatsanwaltschaft habe die Untersuchungen | |
einfach da abgebrochen, wo es um die Frage der Anwesenheit von Gefangenen | |
gegangen sei, sagt Flautre, und das ohne nachvollziehbaren Grund. | |
## Durchreisestation nach Guantánamo | |
Der staatenlose Palästinenser Abu Zubaydah sei beispielsweise laut Amnesty | |
im Februar 2005 von Marokko über Amman nach Litauen transportiert worden, | |
bevor er nach Guantánamo verbracht worden sei. Trotz solcher konkreten | |
neuen Hinweise verweigere die litauische Staatsanwaltschaft eine | |
Wiederaufnahme der Ermittlungen. Was um so weniger verständlich sei, als | |
Litauen ja das erste Land gewesen sei, das bereit war, überhaupt | |
Untersuchungen zur Frage der geheimen CIA-Gefängnisse aufzunehmen. | |
Warum frage man nicht die USA, wozu sie die Verhörzentren gebaut hätten und | |
was sich dort abgespielt habe, sagt die britische Liberale Sarah Ludford, | |
ebenfalls ein Mitglied der Parlamentsdelegation, die Litauen besuchte. | |
Weil – soweit sie wisse – die US-Regierung jegliche Informationen | |
verweigert hätte, erklärte die litauische Staatspräsidentin Dalia | |
Grybauskaite gegenüber litauischen Medien. Aber auch sie konstatiert: | |
„Rechtlich ist diese Geschichte natürlich nicht abgeschlossen.“ | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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