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# taz.de -- T.C. Boyle stellt sein neues Buch vor: Die One-Man-Show
> T. C. Boyle ist für seine literarische Liebe zu Umweltaktivisten,
> Marihuana und Hippies berühmt geworden. Wenn er die Bühne betritt, ist
> der Jubel groß.
Bild: Liefert eine grandiose Show: T.C. Boyle
BERLIN taz | Der große Saal in der Berliner Volksbühne ist ausverkauft,
viele schleppen Tüten vom Bücherstand im Foyer zu ihrem Platz. Sie wollen
sich deren Inhalt nach der Lesung signieren lassen, denn in der Einführung
heißt es, T. C. Boyle werde gern im Anschluss signieren. Dann aber heißt
es, allerdings nur ein Buch pro Fan, da geht ein enttäuschtes Raunen durch
den Raum. Schwamm drüber, Boyle betritt die Bühne, und das Gejohle ist
groß.
T. C. Boyle, der Popstar T. C. Boyle, der eigentlich Thomas Coraghessan
heißt und mit seiner literarischen Liebe zu Umweltaktivisten,
Marihuana-Pflanzern, Frauenbewegten und Hippies berühmt geworden ist, mit
seinen satirischen, aber stets liebevollen Beschreibungen ihrer spießigen
Sucht, alles zu umgehen, was spießig sein könnte – der große T. C. Boyle
sieht wirklich so aus, wie er auch auf Fotos aussieht. Diese seltsame
Tolle, die die Konsistenz von Zuckerwatte zu haben scheint und längst zum
Markenzeichen geworden ist. Ein hellrotes Rod-Stewart-Sakko. Dazu ein
schwarzes Tiger-Shirt und Türkiskette.
Man denkt an eine schrullige Figur aus einem Cohen-Film oder auch an einen
gescheiterten Philosophieprofessor, der jetzt ein schlecht besuchtes
Reisebüro betreibt – allerdings nur so lang, bis T. C. Boyle beginnt zu
sprechen, denn dies ist keine Lesung, dies ist von der ersten bis zur
letzten Sekunde eine Show.
Let me entertain you: T. C. Boyle, der sich selbst als „geborener Witzbold“
bezeichnet, gibt Binsenweisheiten über die Anstrengungen des Fliegens in
einer herzerfrischenden Weise von sich, dass das Publikum gar nicht anders
kann, als ihm zu Füßen zu liegen. Er erzählt irgendwas von „angry men“, …
es in Amerika so häufig gebe, hier hingegen offenbar gar nicht – und wieder
sind alle hocherfreut. Es geht weniger darum, was man erzählt, als darum,
wie man es erzählt.
## Verbohrter Tierschutz
T. C. Boyle hat die Passage, die er liest, nach genau diesem Kriterium
gewählt. Sein neues Buch „Wenn das Schlachten vorbei ist“, um das es heute
Abend geht, handelt von einem äußerst unsympathischen Rasta-Träger, der
sich auf verbohrte Weise dem Tierschutz auf der Insel Anacapa verschrieben
hat. Er kämpft gegen die Naturschützerin Alma Boyd Takesu, der er
faschistisches Denken vorwirft, da sie Anacapa von der Rattenseuche
befreien will und wieder in das einstige Vogelparadies verwandeln möchte.
Nun wäre die zwiebacktrockene Fragestellung – eine Wissenschaft, die Gott
spielt, und ein Denken, das Tiere in „bessere und schlechtere“ einteilt –
eher kein Grund, einen Roman zu lesen, der sich diese vorknöpft. Doch wie
T. C. Boyle seine Themen in Gold verwandelt – wie er es schafft, den Leser
dazu zu bringen, einem dämlichen, selbstgerechten Tierschützer zu folgen,
der über Seiten eine Kellnerin beschimpft, weil sein Toast und sein Ei
nicht so sind, wie er es mag – dies gehört nun wirklich zum Lustigsten, was
die amerikanische Gegenwartsliteratur derzeit kann.
Das Einzige, was an diesem Abend ein wenig langweilig daherkam, das war die
Auswahl der hundertprozentig berechenbar literaturbeflissenen Fragen, die
Leser der Frankfurter Rundschau, die den Abend mitveranstaltet hatten,
vorab stellen durften und die Moderator und Rundschau-Redakteur Martin
Scholz verlas. T. C. Boyle holte noch aus der blödesten Frage alles raus.
Ein Beispiel. Frage: „Warum finden Ihre Figuren keinen Seelenfrieden?“
Antwort: „Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Wir leben in einer
chaotischen Welt. Es gilt, von unseren Seelen Abschied zu nehmen.“
7 May 2012
## AUTOREN
Susanne Messmer
Susanne Messmer
## TAGS
T.C. Boyle
Schriftsteller
Umweltschutz
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