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# taz.de -- Iranische Todesdrohung wegen Satiresong: Der Imam versteht keinen R…
> Lebensgefahr wegen eines Raps: Weil er Ärger mit dem iranischen Regime
> hatte, floh Shahin Najafi nach Deutschland. Jetzt erhält er
> Todesdrohungen.
Bild: Erhält Morddrohungen, weil er den Imam rappend um Hilfe bittet: Shahin N…
BERLIN taz | Er lebt zwar in Deutschland. Doch hierzulande ist der Musiker
Shahin Najafi nahezu unbekannt. Sein Publikum hat der 31-Jährige im Iran
und unter jungen Exil-Persern, die aber noch eine Verbindung zm Iran
halten. An sie richten sich Najafis Songs, die von den Misständen in seiner
Heimat handeln, von Korruption, Gewalt und sexueller Unfreiheit.
Das Stück „We are Not Men“ kritisiert die Unterdrückung von Frauen. Und
„Neda“ widmete er jener jungen Frau, die am Rande einer Demonstration gegen
das Regime im Iran getötet wurde, und damit zum Symbol der „grünen
Bewegung“ wurde, die sich als Reaktion auf die ihrer Meinung nach
gefälschten Wahlen von 2009 formierte.
In der Provinz Gilan aufgewachsen, studierte Najafi Soziologie, bevor er
als Musiker mit provokanten Texten erste Erfolge feierte. Als der Druck im
Iran ihm zu groß wird, flieht er nach Deutschland. Vor sieben Jahren kommt
er nach Köln, wo es eine große iranische Gemeinde gibt – und macht mit
seiner Band Tapesh 2012 einfach weiter Musik. Im Iran sind seine Platten
zwar verboten. Aber weil seine Lieder aus dem Internet herunter geladen und
auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, finden sie trotzdem ein breites
Publikum. Dem islamistischen Regime ist es nicht gelungen, diesen Einfluss
zu stoppen, auch wenn es ständig versucht, kritische Webseiten und soziale
Netzwerke blockieren.
## Populär im Untergrund
Er ist kein Superstar – aber im Untergrund populär. „Er spricht eine
Sprache, die die Jugend versteht“, sagt der iranischstämmige Filmemacher
Ali Samadi, der ebenfalls in Köln lebt. Die Lieder von Shahin Najafi
gefallen ihm gut: „Provokant und fordernd“ findet er sie.
Sein neuestes Stück (Text siehe unten) hat Shahin Najafi nun allerdings
Todesdrohungen eingebracht. In dem [1][Song „Imam Naghi“] ruft Shahar
Najafi den Imam Naghi an – den zehnten der zwölf Imame, an den die Schiiten
im Iran glauben – und sagt ihm, er solle doch bitte mit den vielen
Misständen im Land aufräumen: mit Unterdrückung und sexueller Gewalt, mit
dem Trend zu Schönheitsoperationen, oder mit importierten Billigwaren aus
China, die den iranischen Markt überschwemmen. Das Lied ist deftig, aber
deutlich satirisch gemeint. Und es hat einen Nerv getroffen. Kurz, nachdem
er es im Internet veröffentlicht hatte, wurde es mehrere Hunderttausend
Male geklickt und in Internet-Foren sowie sozialen Netzwerken heiß
diskutiert.
Doch auch wütende Gegenreaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Auf
einer Webseite, die den iranischen Revolutionsgarden nahe stehen soll,
tauchten sogar Morddrohungen gegen den Musiker auf. Die Verfasser beriefen
sich auf die Fatwa eines Geistlichen, des Großayatollahs Lotfollah Safi
Golpayegani. Der 92-jährige Kleriker hatte in einer Fatwa erst kürzlich
erklärt, wer die Religion beleidige, der habe Gottes Strafe verdient.
Die Gegner von Shahin Najafi sehen darin nun einen Freibrief, den Sänger
für vogelfrei zu erklären. Unverblümt rufen sie zu seiner Ermordung auf,
ein Kopfgeld von 100 000 Dollar wurde auf ihn ausgesetzt. Der Musiker nimmt
die Drohungen sehr ernst, eine geplante Europatournee hat er abgesagt. Doch
andererseits sucht er auch bewusst die Öffentlichkeit, um nun auf seine
Bedrohung hinzuweisen.
## Erinnerungen an Rushdie
Auch wenn die Dinge anders liegen, so ruft dieser Fall doch ungute
Erinnerungen an die Affäre um den britischen Schriftsteller Salman Rushdie
wach, die im Jahr 1989 die Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen
schwer belasteten. Damals hatte der greise Revolutionsführer Ayatollah
Khomeini, Gründer und bis zu seinem Tod das unbestrittene Oberhaupt der
„Islamischen Republik Iran“, den Roman „Die Satanischen Verse“ zum Anla…
genommen, um ein Todesurteil über den Autoren zu verhängen. Zwölf Jahre
musste sich Salman Rushdie vor möglichen Häschern verstecken, bevor der
Iran erklärte, das Urteil nicht weiter zu verfolgen; bis heute steht er
aber unter Polizeischutz.
Shahin Najafi fürchtet nun ein ähnliches Schicksal. Zwar lässt sich die
Fatwa eines einzelnen Geistlichen, der nur einer von rund 30 Großayatollahs
ist, nicht mit der Haltung des gesamten Regimes gleichsetzen. Im Gegenteil:
Experten deuten die Drohungen gegen den Sänger eher als Nebenwirkung eines
Machtkampfs, der hinter den Kulissen innerhalb des Regimes tobt.
Radikale Kreise könnten damit versuchen, das Land wieder in eine
Konfrontation mit dem Westen zu treiben, nachdem es gerade erst wieder die
Atomgespräche aufgenommen hat. „Es wäre für den Iran ein riesiges Problem,
wenn die Sache jetzt eskalieren würde“, glaubt der Regisseur Ali Samadi.
„Er würde dafür zur Verantwortung gezogen“. Er fordert, die Menschenrechte
im Iran mit den Verhandlungen über das Atomprogramm zu verknüpfen.
Der Text des umstrittenen Raps „Imam Naghi“ von Shahin Najafi
(Text übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Mohammad Khazaei)
Naghi, ich flehe, bei deiner Wolllust, (1)
um die Verlorenen in der Peripherie des Exils,
bei deinem großen Glied des Lebens, (2)
das uns bedrohlich im Nacken sitzt.
Naghi, ich flehe um das Ausmaß der Sanktionen.
Es wächst ja nur der Dollar und die Knechtung.
Naghi, ich flehe um den Papp-Imam, (3)
um das im Mutterleib „Oh Ali“ rufende ungeborene Kind, (4)
um die islamische Rechtslehre im Operationssaal der
Schönheitschirurgen für Nasenkorrekturen,
um den Imam, den Rosenkranz und die aus China importierten
Gebetstücher.
Naghi, ich flehe um den Finger Shis Rezais, (5)
um religiösen Fußball und um die ausgeschiedene Religion.
Oh Naghi, nun, da Mehdi schläft, (6)
rufen wir dich, oh Naghi, an, erscheine uns, denn wir alle sind
in Leichentüchern angetreten.
Oh Naghi, ich flehe um Liebe und Viagra
um breit gemachte Beine und die Untertänigen
um Sangak (7), Hühnchen, Fleisch und Fisch
um Silikonbrüste und geflickte Hymen
Naghi, ich flehe um Golshiftehs Brüste (8)
um die nicht vorhandene Ehre, die uns abhanden kam
Naghi, ich flehe dich um den Arierstatus
um die Erkennungsmarke um den Hals
Naghi, ich flehe um Farnuds Klitoris (9)
3.000.000.000.000 Jahre unter dem blauen Himmelszelt
alles nur Märchen, von Urumiyeh bis zum Persischen Golf (10)
Wie war denn noch der Name des Anführers der Grünen Bewegung?
Oh Naghi nun, da Mehdi schläft
rufen wir Dich, oh Naghi, an, erscheine uns, denn wir alle sind in
Leichentüchern angetreten.
Oh Naghi nun, da Mehdi schläft
rufen wir Dich, oh Naghi, an, erscheine uns, denn wir alle sind in
Leichentüchern angetreten.
Oh Naghi, oh Naghi, oh Naghi
Oh Naghi, oh Naghi, oh Naghi
um den Seelenfurz für die gute Reise der Seele des Imams ins Jenseits (11)
um die fossilisierten Exilpolitiker
um die hochrangigen Witwen der Diskotheken
um die intellektuellen Diskussionen im Chat
um die ehrgeizigen Casanovas
um die unterwürfigen Frauen
um die bunte Revolution im Fernsehen
um die drei Prozent Bücherleser des Landes
Ich flehe um die verhöhnenden, hohlen Parolen
Naghi, ich flehe um die halluzinierte Menge, die
morgens es lebe ... und abends nieder mit ... schreit
um die Helden in den Phantasiemärchen
Oh Naghi nun, da Mehdi schläft
rufen wir Dich, oh Naghi, an, erscheine uns, denn wir alle sind in
Leichentüchern angetreten.
Oh Naghi nun, da Mehdi schläft
rufen wir Dich, oh Naghi, an, erscheine uns, denn wir alle sind in
Leichentüchern angetreten.
Oh Naghi, oh Naghi, oh Naghi
Oh Naghi, oh Naghi, oh Naghi
Anmerkungen
(1)Naghi war der zehnte Imam der schiitischen Muslime, verstorben 868 n.
Chr.
(2)Anspielung auf das männliche Geschlechtsteil.
(3)Im Februar 2012 wurden bei Paraden große Pappbilder von Ajatollah
Chomeini und Ajatollah Chamenei mitgeführt.
(4)Anspielung darauf, dass Chamenei bei seiner Geburt nach Imam Ali gerufen
haben soll.
(5)Iranischer Fußballspieler, der während eines Spiels seinen Mittelfinger
in den After drückte.
(6) Mehdi ist der gottgesandte Messias im Islam.
(7)Iranisches Brot.
(8)Golshifteh Farahani ist eine iranische Schauspielerin, die vor kurzem in
einem französischen Film mit nacktem Oberkörper auftrat.
(9)Farnud ist der Nachname eines Mädchens, das auf die Frage einer
TV-Moderatorin, was sie von ihrer Mutter über das Frausein gelernt hat,
antwortete: „Dass ich meine Klitoris selber waschen soll.“
(10) Stadt in Nordpersien.
(11) Alliteration: das persische Wort „jansuz“ bedeutet „verbrennende
Seele“, das persische Wort „janguz“ bedeutet „Furzen aus der Seele“.
Anmerkung vom Autor: Tatsächlich stammt die umstrittene Fatwa von dem
93jährigen Ayatollah Lotfollah Safi Golpayegani - und nicht, wie
fälschlicherweise von vielen Agenturen berichtet wurde und auch in der taz
zu lesen war, von seinem 2010 verstorbenen Bruder Ali Safi Golpayegani. Wir
bitten, diese Verwechslung zu entschuldigen. Viele Grüße, Daniel Bax
11 May 2012
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=Qd2tRSjVdaM
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Hamed Abdel-Samad
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