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# taz.de -- Günter Wallraff über iranische Repression: "Die meinen es toderns…
> Stille Diplomatie werde nicht weiterhelfen, sagt Günter Wallraff. Der
> Publizist fordert für verfolgte Künstler mehr Solidarität. Er unterstützt
> derzeit den bedrohten Musiker Shahin Najaf.
Bild: Der Rapper Shahin Najafi wird von islamischen Fundamentalisten bedroht.
taz: Herr Wallraff, Sie kümmern sich jetzt um den Musiker Shahin Najafi,
der aus dem Iran mit dem Tode bedroht wird. Was können Sie für ihn tun?
Günter Wallraff: Shahin Najafi hat sich an mich gewandt, und ich habe ihm
meine Hilfe angeboten. Jetzt ist er an einem sicheren Ort, an dem schon
Salman Rushdie einige Zeit verbracht hat. Wichtig ist, dass er jetzt eine
breite Unterstützung bekommt.
Konnten Sie ihm da die richtigen Kontakte verschaffen?
Das kommt teilweise von selbst. Was die Medien betrifft, kann er sich nicht
über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Aber die Solidarität seiner
deutschen Künstlerkollegen muss erst organisiert werden. Und ich warte noch
darauf, dass sich mal eine Stiftung meldet, die ihm ein Stipendium
anbietet, damit er seine Arbeit fortsetzen kann.
Gerade hat Shahin Najafi im Internet ein neues Lied veröffentlicht, in dem
er seine Lage kommentiert. War das klug?
Es gibt zwei Wege, mit so einer Situation umzugehen: Man kann sich
zurückziehen und sich raushalten. Aber damit ermutigt man diejenigen, die
einen mit dem Tode bedrohen. Rushdie hat es einst als den größten Fehler
seines Lebens bezeichnet, als er auf den Rat der Sicherheitsbehörden hin
nach Chomeinis Fatwa seine Haltung relativierte. Da wurde er erst recht
attackiert.
Die andere Möglichkeit ist, sich nicht einschüchtern zu lassen. Shahin
Najafi macht einfach seine Arbeit weiter. Das ist er nicht zuletzt auch
denen schuldig, die sich im Iran auf ihn berufen. Die Ajatollahs und die,
die hinter ihnen stehen, ehren ihn ja auf ihre Art. Es ist kein Zufall,
dass es ausgerechnet ihn getroffen hat. Islamisten und Fundamentalisten
jeder Couleur, die sich im Besitz der reinen Wahrheit wähnen, verstehen
keinen Spaß, die meinen es todernst. Deswegen sind Auch-Satiriker wie
Rushdie, der verstorbene türkische Schriftsteller Aziz Nesin oder eben
Shahin Najafi für sie solche Hassobjekte.
Wie geht es jetzt für Shahin Najafi weiter?
Er hat Einladungen aus den USA und Kanada, dort kann er unter
entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen auftreten.
Aus Deutschland noch nicht?
Bis jetzt noch nicht, da müssen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen
werden.
Was könnten Künstlerkollegen denn zum Beispiel tun?
Ein Solidaritätskonzert mit namhaften Künstlern wäre eine große Hilfe und
Schutz für ihn. Er selbst ist sehr zurückhaltend, erwartet nichts und
drängt sich keinem auf. Aber ich erwarte so etwas. Leider habe ich den
Eindruck, dass sich gerade die deutschen Stars damit schwertun.
Warum?
Aus Desinteresse und Ignoranz? Aus falscher Rücksichtnahme? Aus bequemer
Feigheit oder aus Gratisangst? Ich weiß es nicht, aber das geht einigen
offenbar total am Arsch vorbei. Ich lasse mich gerne eines Besseren
belehren. Leider hat das Tradition. Als ich damals eine Solidaritätsaktion
für Rushdie gestartet habe, da wollte ihn etwa die Lufthansa zuerst nicht
fliegen. Erst als wir mit Zeitungsannoncen einen Boykott organisiert haben,
haben sie nachgegeben.
Wie reagiert die deutsche Politik jetzt auf diesen Fall?
Einige Politiker haben sich schon zu Wort gemeldet. Aber hier sind unsere
Spitzenpolitiker gefragt. Ein Außenminister darf hier nicht schweigen, wenn
in organisierten Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Teheran die
Auslieferung von Shahin Najafi verlangt wird oder ein Mitarbeiter des
iranischen Generalkonsulats in E-Mails die Vollstreckung der Fatwas
verlangt. Da muss der iranischen Botschafter einbestellt und zur Rede
gestellt werden.
Vielleicht setzt die Bundesregierung bisher ja lieber auf stille
Diplomatie?
Stille Diplomatie wird hier nicht weiterhelfen: Die Fatwas sind in der
Welt, ein Kopfgeld ist auf ihn ausgesetzt. Soeben erst wurde im Iran ein
Killerspiel ins Netz gestellt, in dem Najafi virtuell hingerichtet werden
kann – ein „Training“, zu dem die staatliche Nachrichtenagentur FAR-News
direkt aufruft. In anderen Foren wird ausführlich darüber diskutiert, wie
man ihn am besten zur Strecke bringt. Das alles ist ernst zu nehmen,
deshalb steht er unter Polizeischutz.
Wie, glauben Sie, könnte sich sein Fall zum Guten wenden?
Die einzige Hoffnung besteht darin, dass dieses Regime im Iran seinem Ende
entgegengeht. Sonst wird es weitere Fälle wie den von Shahin Najafi geben.
Er ist jemand, der diese Hoffnung am Leben hält. Genau darum ist er ja zur
Zielscheibe geworden.
Das klingt pessimistisch.
Nein, denn dieses Regime ist überfällig. Der Iran hat eine mehrheitlich
sehr junge Bevölkerung. Und die will in einem anderen, freiheitlichen Staat
leben und sich nicht von finsteren Mullahs und religiös-faschistischen
Revolutionsgarden, Geheimdiensten das eigentliche Leben verbieten und auf
Dauer unterdrücken lassen. Davon bin ich fest überzeugt. Man muss den
Angstmachern in diesem menschenverachtenden Regime zeigen, dass sie
letztlich unterlegen sind, sich zum Idioten machen und das Gegenteil von
dem erreichen, was sie beabsichtigen.
Sie selbst haben sich ja gerade mit einem großen Paketdienst angelegt,
dessen Ausbeutungsmethoden Sie anprangern. Wie bringen Sie das alles
eigentlich unter einen Hut?
Da überlege ich nicht lange, ich mache das gerne – solange die Kräfte
reichen.
8 Jun 2012
## AUTOREN
Daniel Bax
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