# taz.de -- Zweifel an Wallraffs Recherche: Mangelhafte Glaubwürdigkeit | |
> Der vom Journalisten Wallraff angeprangerte Geschäftsführer einer | |
> Großbäckerei wurde freigesprochen. Es habe nicht genügend Beweise | |
> gegeben, so das Gericht. | |
Bild: Günter Wallraffs Recherchen wurden von einem Gericht entkräftet. | |
BAD KREUZNACH dapd | Im Prozess um die von Journalist Günter Wallraff | |
angeprangerten Missstände in einer Großbäckerei in Stromberg im Hunsrück | |
ist der frühere Geschäftsführer freigesprochen worden. | |
In der Urteilsbegründung des Amtsgerichts Bad Kreuznach hieß es am | |
Donnerstag, dass es nicht genügend objektive Beweise dafür gegeben habe, | |
dass der Angeklagte durch unzureichende Schutzmaßnahmen fahrlässig | |
Brandverletzungen mehrerer Mitarbeiter zu verantworten hätte. | |
Die Verteidigung wertete das Urteil als Beweis für die mangelhafte | |
Glaubwürdigkeit Wallraffs. Anlass für das langwierige Strafverfahren waren | |
seine verdeckten Recherchen im Jahr 2008 in der inzwischen von dem Besitzer | |
geschlossenen Großbäckerei. | |
Danach hatte der Journalist in einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit | |
unter anderem behauptet, dass er und ein Großteil der Mitarbeiter im | |
Betrieb sich an heißen Blechen verbrannt hätten. Dies sei vor allem auf | |
zerfetzte Schutzhandschuhe und den hohen Druck auf die Arbeitnehmer seitens | |
der Geschäftsführung zurückzuführen. | |
## Gericht: Wallraff hat überzeichnet | |
In der Vernehmung der Staatsanwaltschaft und in der Zeugenaussage Wallraffs | |
vor Gericht hätten sich diese Beschreibungen der Vorfälle „ein wenig | |
anders“ dargestellt, merkte Richter Wolfram Obenauer in seiner | |
Urteilsbegründung an. Sicherlich lebe der Journalist davon, Vorfälle | |
pointiert und überzeichnet darzustellen, doch vor Gericht müsse man diese | |
Aussagen eben kritischer prüfen. | |
Demnach sei die geschilderte Vielzahl der Verletzungen „fragwürdig“, da | |
letztendlich nur wenige leichtere Brandverletzungen nachgewiesen worden | |
seien, sagte der Richter. Ob diese wiederum auf unzureichende | |
Schutzmaßnahmen zurückzuführen seien, sei nicht eindeutig nachvollziehbar. | |
„Das weiß nur der liebe Gott“, sagte Obenauer und wies darauf hin, dass die | |
Vorfälle weder Schichtleitern noch Ärzten gemeldet worden seien. Zwar habe | |
es „sicherlich diverse Dinge“ in dem Betrieb zu beanstanden gegeben. Doch | |
auch Betriebsrat und Gewerbeaufsicht hätten in ihren Mängellisten die von | |
der Staatsanwaltschaft als Ursache für die Verletzungen angeführten Gründe | |
nicht erwähnt. | |
Die Verteidigung des früheren Geschäftsführers, der selbst vor Gericht nie | |
erschien, kritisierte die Staatsanwaltschaft für ihre unzureichende | |
Anklage. Die Aussagen von Wallraff seien nicht kritisch genug geprüft | |
worden, vielmehr habe sie sich dem Druck der Öffentlichkeit gebeugt. | |
„In ganz Deutschland wäre so ein Verfahren längst eingestellt worden“, | |
sagte Anwalt Franz-Josef Schillo. Keinesfalls sei es ein „Freispruch | |
zweiter Klasse“ aufgrund des Mangels an Beweisen gegen den Angeklagten. | |
Stattdessen beantworte das Urteil „die Frage um die Glaubwürdigkeit | |
Wallraffs“, betonte der Verteidiger. | |
6 Sep 2012 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Günter Wallraff zum 70. Geburtstag: Träume eines Kämpfers | |
Sein Leben lang hat der Journalist Günter Wallraff Unrecht aufgedeckt: | |
Ausbeutung, Rassismus, Erpressung bei „Bild“. Jetzt ist er 70. | |
Debatte Wallraff: Am Ende doch ein guter Journalist | |
Hinter den Vorwürfen gegen Günter Wallraff stehen menschliche | |
Enttäuschungen, keine Skandale. Das sollte auch der "Spiegel" wissen. | |
Vorwürfe gegen Günter Wallraff: „Er wollte sein Nachfolger werden“ | |
Helmut Richard Brox, ehemaliger Weggefährte Günter Wallraffs, hält die | |
aktuellen Vorwürfe gegen den Journalisten für haltlos. Er vermutet andere | |
Hintergründe. | |
Günter Wallraff über iranische Repression: "Die meinen es todernst" | |
Stille Diplomatie werde nicht weiterhelfen, sagt Günter Wallraff. Der | |
Publizist fordert für verfolgte Künstler mehr Solidarität. Er unterstützt | |
derzeit den bedrohten Musiker Shahin Najaf. |