# taz.de -- Todesdrohungen gegen iranischen Musiker: „Ich habe kein normales … | |
> Provokation muss sein, findet der iranische Musiker Shahin Najafi. Er | |
> bricht gezielt Tabus wie Drogensucht, Sexualität, Korruption. Damit macht | |
> er sich Feinde. | |
Bild: Shahin Najafi. Die Veröffentlichung seines Liedes „Imam Naghi“ macht… | |
taz: Herr Najafi, wovon handelt Ihr Song „Imam Naghi“? | |
Shahin Najafi: Vor rund einem Jahr gab es eine humoristische | |
Facebook-Kampagne, die sich darum drehte, den 10. Imam der Vergessenheit zu | |
entreißen. Diesen Imam gibt es in der schiitischen Mythologie, aber er | |
spielt darin keine große Rolle. Das war eine reine Juxkampagne, die sich | |
ein paar Leute zum Spaß ausgedacht haben. Ich habe das aufgegriffen und | |
meinen Song als eine Art Anrufung an den Imam Naghi verfasst, er möge doch | |
bitte mit einigen politischen und gesellschaftlichen Missständen im Iran | |
aufräumen. In keiner einzigen Silbe habe ich darin die Religion beleidigt! | |
Es soll eine Fatwa des Großajatollah Ali Safi-Golpayegani geben, nach der | |
Sie wegen dieses Lieds den Tod verdient hätten. Welche Folgen befürchten | |
Sie? | |
Die Fatwa war ursprünglich gar nicht gegen mich gerichtet, sondern gegen | |
alle, die sich blasphemisch äußern. Sie hat auch gar kein Datum. Aber | |
irgendwelche Gruppen aus dem Umfeld des Regimes, genauer gesagt der | |
Revolutionsgarden, haben das aufgegriffen, und inzwischen wurde sogar ein | |
Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Wer dahintersteht, ist schwer zu sagen. Die | |
Gefahr ist aber, dass sich jetzt irgendwer berufen fühlt, dieses Urteil | |
auszuführen. | |
Für wie akut halten Sie die Gefahr? | |
Wir nehmen das sehr ernst. Ich kann jetzt kein normales Leben mehr führen | |
und mich nicht mehr frei bewegen. Mir wurde geraten, die Stadt oder sogar | |
das Land zu verlassen. Aber wohin soll ich gehen – und wie? | |
Der Song ist ja recht provokant formuliert. War Ihnen nicht klar, dass er | |
im Iran harsche Reaktionen provozieren würde? | |
Ehrlich gesagt, wir haben nicht mit solchen Reaktionen gerechnet. Der Song | |
war nicht als Provokation gedacht, auch wenn er jetzt zu einer solchen | |
stilisiert wird. Ich möchte auch betonen, dass ich nichts gegen den Islam | |
habe. Ich kämpfe nicht gegen eine Religion, sondern gegen dieses Regime. | |
Und ich finde, dass niemand dem Islam so geschadet hat wie dieses Regime. | |
Wann und wo ist der Song erschienen? | |
Er ist am 7. Mai auf meiner Facebook-Seite erschienen, die hat 200.000 | |
Fans. Aber er hat sich in Windeseile weiterverbreitet, und dann kamen auch | |
schon die ersten Beschimpfungen. Aber das gab es schon bei früheren Songs. | |
Die sind ja alle eher gesellschaftskritisch. | |
Wie erklären Sie es sich, dass Sie nun mit dem Tode bedroht werden? | |
Ich weiß es nicht. Ich denke, sie befürchten, dass ich eine zu große | |
Wirkung auf die Jugend habe. Sexualität, Homosexualität, Drogensucht – das | |
sind Themen, über die im Iran nicht geredet werden darf. Ich tue das – und | |
damit bin ich eine Bedrohung. Das ist wohl der Hauptgrund. | |
Schon das Bild, das den Song im Internet illustriert, ist provokant: Es | |
zeigt eine Moscheekuppel, die einer weiblichen Brust gleicht, und darauf | |
ist die Regenbogenfahne der Homosexuellenbewegung gehisst. Was haben Sie | |
sich dabei gedacht? | |
Das hat sich ein Zeichner ausgedacht, der sich das Lied angehört hat. Es | |
ist seine Interpretation – und eine Anspielung auf die Praxis der Zeitehe | |
im Iran, die nichts anderes als staatlich sanktionierte Prostitution ist. | |
Auch normale Muslime könnten das als Provokation empfinden. Musste das denn | |
sein? | |
Ja, es musste sein. Weil: Wenn man die Probleme im Iran nicht anspricht, | |
dann bleiben sie. Man muss aber auch dazu sagen, dass es ein persisches | |
Lied ist, dass sich an Iraner richtet. Dass es über diese Kreise hinaus | |
bekannt werden würde, war ja nicht abzusehen. | |
Sehen Sie Parallelen zwischen ihrem Fall und dem des britischen | |
Schriftstellers Salman Rushdie? | |
Ich sehe da wenig Parallelen. Der größte Unterschied für mich ist: Rushdie | |
konnte noch Bücher schreiben, nachdem er untergetaucht war. Ich dagegen | |
kann meine Arbeit nicht mehr fortsetzen, denn als Sänger und Musiker muss | |
ich auftreten. Unsere Europatournee haben wir jetzt abgesagt. Und ich habe | |
keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll. | |
In deutschsprachigen Medien wurden Sie als „iranischer Eminem“ bezeichnet. | |
Ist das eine treffende Bezeichnung? | |
Nein, denn ich bin kein Rapper, schon gar kein Gangsta-Rapper. Ich mache | |
Jazz, Rock und mache eben auch Rap. Ich sehe mich als | |
gesellschaftskritischen, nicht als politischen Musiker, denn ich fühle mich | |
keiner politischen Gruppierung zugehörig. | |
12 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
HipHop | |
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