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# taz.de -- Ergebnis der Parlamentswahlen: Kein Frühling in Algerien
> Geringe Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe: In Algerien hat die
> Parlamentswahl wenig Neues gebracht. Die Regierungsparteien sind
> gestärkt, die Oppositionellen geschwächt.
Bild: Die Algerier sind wahlmüde: Wählerin in Algiers.
MADRID taz | Der von Präsident Abdelaziz Bouteflika versprochene
„Algerische Frühling“ bringt wenig Neues. Die Wahlen vom vergangenen
Donnerstag für ein neues Parlament, das die Verfassung überarbeiten soll,
wurden von der Nationalen Befreiungsfront (FLN) gewonnen. Die ehemalige
Einheitspartei, aus deren Reihen auch der Staatschef stammt, regiert damit
weiterhin ununterbrochen seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren.
Die FLN erzielte 220 der insgesamt 462 Parlamentssitze. Das ist ein
deutlich besseres Ergebnis als bei den letzten Wahlen 2007. Damals gewann
die FLN zwar auch, aber hatte nur knapp mehr als ein Drittel der Sitze des
alten Parlaments, das aus 389 Abgeordneten bestand.
Auf Platz 2 gelangte die ebenfalls an der Regierung beteiligten
FLN-Abspaltung Nationaldemokratische Versammlung (RND) des bisherigen
Premierministers Ahmed Ouyahia. Sie wird mit 68 Vertretern ins Parlament
einziehen, und hat damit leicht an Gewicht verloren. Enttäuschend war der
Urnengang für die islamistische „Allianz für ein Grünes Algerien“. Das
Drei-Parteien-Bündnis um die MSP-Hamas, die bis März ebenfalls in der
Regierung saß, hoffte – ähnlich wie die Islamisten in Tunesien, Marokko und
Ägypten - die Wahlen gewinnen zu können. Stattdessen gelangte die Allianz
nur auf Platz drei mit 48 Abgeordneten. MSP-Hamms und ihre beiden kleineren
Partner, Ennahda und Islah hatten im alten, wesentlich kleineren Parlament
60 Sitze inne.
Die trotzkistische Arbeiterpartei (PT), einzige Partei in Nordafrika, die
mit Louisa Hanoune von einer Frau angeführt wird, verlor ebenfalls an
Einfluss. Sie zieht mit 20 Abgeordneten in die Volksvertretung ein. Bisher
hatte sie 26. Die sozialdemokratische Front der Sozialistischen Kräfte
(FFS) kehrt mit 21 Abgeordneten ins Parlament zurück. Vor fünf Jahren hatte
die Partei des Befreiungskriegsveteranen Hocine Ait Ahmed zum Boykott
gerufen. Dieses Mal nahm sie als einzige der wenigen echten
Oppositionsparteien am Urnengang teil. Die restlichen Sitze gehen an kleine
Parteien und Liste, die nur über regionalen und lokalen Einfluss verfügen.
Insgesamt hatten sich 44 Parteien den 21,6 Millionen Wahlberechtigten
gestellt.
## Ganze Busse mit falschen Wählern
Das Ergebnis war noch nicht offiziell, als es zu ersten Beschwerden wegen
Wahlbetrugs kam. Laut der Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD), die
im Frühjahr 2011 zu zaghaften Demonstrationen für mehr Demokratie
mobilisierte, ist die Wahlbeteiligung gefälscht. Sie lag nach offiziellen
Angaben bei 42,9 Prozent und damit deutlich über der vor 5 Jahren, als
gerade einmal 35,5 Prozent zur Wahl gingen. Die Wahlmüdigkeit war dieses
Mal während des Wahlkampfs für viele Beobachter noch deutlicher zu spüren
als damals.
Die RCD will von den kommunalen Wahlbehörden Informationen bekommen haben,
nach denen die tatsächliche Beteiligung bei nur 18 Prozent gelegen haben
soll. Die Urnen seien systematisch bereits vor der Abstimmung mit
Stimmzetteln gefüllt worden, ganze Busse mit falschen Wählern seien
unterwegs gewesen und nach der Schließung der Wahllokale seien zusätzliche
Stimmen in die Urnen gelegt worden, beschwert sich die Oppositionspartei,
die selbst zum Boykott rief.
Tatsächlich berichtete die nationale und internationale Presse am Wahltag
von meist leeren Wahllokalen. Besonders auffällig war, dass so gut wie
keine jungen Menschen ihre Stimmen abgaben. Die unter 35-Jährigen machen in
Algerien zwei Drittel der Bevölkerung aus. Die Islamisten von der Allianz
für ein grünes Algerien schreiben ihr schlechtes Abschneiden ebenfalls
einem „massiven Wahlbetrug“ zu. Das bringe das Land in Gefahr, erklärte ein
Parteisprecher. „Die Grüne Allianz ist nicht verantwortlich, für das was
geschehen könnte“, schimpfte er.
11 May 2012
## AUTOREN
Reiner Wandler
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