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# taz.de -- Yael Bartana in Berlin: Die Ästhetik der Demokratie
> Faschistoid oder verrückt? An Yael Bartana scheiden sich die Geister. Ist
> die Documenta-Teilnehmerin von 2007 eine israelische Leni Riefenstahl?
Bild: Die Deligierten des Jewish Renaissance-Movements in Poland diskutieren.
Spätestens seit die 1970 in Israel geborene Videoartistin Yael Bartana auf
der Biennale von Venedig im letzten Sommer als erste nichtpolnische
Künstlerin im polnischen Pavillon ihre Videotrilogie „… and Europe will be
stunned“ zeigte, steht sie unter Totalitarismusverdacht. Ist die
Documenta-Teilnehmerin von 2007 eine israelische Leni Riefenstahl?
Unter Bartanas Arbeiten markierte das aufsehenerregende Werk den Übergang
vom dokumentarischen zum inszenierten Video. Oberflächlich betrachtet, mag
es wie die Mimikry des Faschismus wirken, so wie im Video der „Führer“ der
fiktiven Jewish Renaissance Movement in Poland (JRMiP) in einem Warschauer
Stadion ein Manifest verliest. Doch Bartana spielt nur mit den
Versatzstücken der politischen Propaganda – vom Sozialismus bis zum
Zionismus. Denn abgesehen davon, dass der linke polnische Publizist
Slawomir Sierakowski den „Führer“ spielt, würde kein Diktator den Satz
„With one language we cannot speak“ intonieren.
Der mit einem Judenstern fusionierte polnische Adler lässt sich kaum als
Symbol einer exklusiven Heilsbewegung lesen. Und auch der provozierende
Slogan, „3,3 Millionen Juden nach Polen“ zurückholen, ist nicht wörtlich
gemeint, sondern kombiniert motivisch die Kritik am polnischen
Antisemitismus mit dem zionistischen Traum von der Rückkehr nach Israel zu
dem Symbol einer übernationalen Denkbewegung.
## Vielfalt, Zweifel und Widerspruch
Der erste reale Kongress der „Bewegung“ vergangenes Wochenende im Berliner
Hebbel-Theater im Rahmen der Berlin-Biennale dürfte nun endgültig den
Argwohn zerstreut haben, die Künstlerin propagiere irgendeinen
Geschichtsrevisionismus. Statt von Jungpionieren zum Massenappell
versammelte sich eine bunte Truppe an einem runden Tisch zum
basisdemokratischen Massenpalaver. Und so wie sie sich an dem Traum von
einer Gesellschaft jenseits von Rasse, Religion, Geschlecht und
Nationalität abarbeitete, war das alles andere als effekthascherisches
Israel- oder Polen-Bashing.
Zwar waren sich die Teilnehmer des dreitägigen Marathons nicht sicher, ob
sie wirklich an einer politischen Aktion mitwirkten oder nur das Inventar
einer Installation abgaben. Aber auch ästhetisch stimmte alles: Nicht
Pathos und Überwältigung regierten das Happening, sondern Vielfalt, Zweifel
und Widerspruch. Und die Ästhetik der Demokratie zeigte sich in Reinkultur,
wenn nach ermüdender Debatte geschwächte Gestalten ihre Stimmkarten
zückren. Es war humanoid, sozusagen.
14 May 2012
## AUTOREN
Ingo Arend
Ingo Arend
## TAGS
Kunst
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