# taz.de -- Kommentar „Drogenkrieg“ in Mexiko: Kapitalismus weitergedreht | |
> Mit einem „Drogenkrieg“ haben die vielen Toten in Mexiko nichts mehr zu | |
> tun. Die Ziele der Kartelle sind die gleichen wie die großer | |
> internationaler Konzerne. | |
Eigentlich ist das doch gar keine Nachricht: „49 Leichen mit abgehackten | |
Köpfen und Händen von Lastwagen geworfen.“ Jedenfalls dann nicht, wenn sie | |
aus Mexiko kommt. Wir haben uns längst daran gewöhnt, so hoch ist die | |
Frequenz derartiger Meldungen nach über 50.000 Toten in den letzten sechs | |
Jahren. | |
Mit einem „Drogenkrieg“ hat das längst nichts mehr zu tun, auch wenn der | |
Drogenhandel noch immer eine wesentliche Rolle im Geschäftsportfolio der | |
Kartelle spielt. In Wirklichkeit ist das ein Krieg um wirtschaftliche Macht | |
außerhalb der Legalität, um Kontrolle über das bisschen Staat, was in | |
manchen mexikanischen Bundesstaaten noch übrig ist, Kontrolle über | |
Geschäftsfelder, die ohne organisiertes staatliches Wegsehen nicht zu | |
betreiben wären. | |
Letztlich versuchen die Kartelle mit ihre Morden nichts anderes zu | |
erreichen als andere große, insbesondere multinationale Konzerne: Sie | |
wollen ihr Geschäftsgebaren Eingriffen der öffentlichen Ordnung entziehen, | |
um ihren Profit zu mehren. | |
Ernsthafte Vorschläge, wie dieser Krieg noch einzudämmen sei, hat kaum | |
jemand, auch im mexikanischen Wahlkampf nicht. Es fehlt an einer | |
grundlegenden Reform von Polizei und Justiz, einer Säuberung der Politik | |
und Verwaltung vom Einfluss der Kartelle, an einer Steuerfahndung, die | |
diesen Namen verdient. Aber um das zu bewerkstelligen, bräuchte es einen | |
Staat, der so stark wäre, wie er überhaupt erst wieder werden müsste. Es | |
ist ein Teufelskreis. | |
Der antiregulatorische Wirtschaftsdiskurs tut dabei ein Übriges. Wo | |
Bergbaukonzerne ständig die Grenzen der Legalität überschreiten, um umwelt- | |
und sozialzerstörerische Projekte in Lateinamerika durchzusetzen, gehen die | |
Kartelle lediglich einen Schritt weiter. Der Unterschied, gemessen in | |
Todeszahlen, ist riesig, in der ideologischen Grundlage hingegen graduell. | |
Oder, in Abwandlung eines alten Antifa-Slogans: Wer vom Kapitalismus nicht | |
reden will, der soll auch vom „Drogenkrieg“ schweigen. | |
14 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
## TAGS | |
Drogenkrieg | |
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