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# taz.de -- Debatte Syrien: Verhandelt mit Assad!
> Das Blutvergießen in Syrien zu stoppen ist sehr schwer. Dem
> UN-Sondergesandten Kofi Annan fehlt dazu die notwendige internationale
> Unterstützung.
Bild: UN-Beobachter begutachten die Trümmer nach einem Anschlag in Damaskus.
Mehr als 50 Tote und fast 400 Verletzte unter Anwohnern, Passanten,
Schulkindern – die verheerenden Detonationen, die am Donnerstag vergangener
Woche Damaskus erschütterten, waren die schwersten, aber nicht die ersten
Anschläge dieser Art. Sie scheinen zu bestätigen, wovor Washingtons
Geheimdienstchef James Clapper schon Mitte Februar warnte: die zunehmende
Infiltrierung des syrischen Widerstands durch ausländische Terrornetze.
Die Schockerfahrung könnte eine Zäsur der Ereignisse in Syrien markieren.
Entweder das Land versinkt in blindwütiger Gewalt, wo Sprengfallen und
Autobomben das Geschehen diktieren. Keine der Konfliktparteien kann das
ernsthaft wollen. Oder sie entschließen sich, aufeinander zuzugehen. Den
Weg dahin weist der Stufenplan von Kofi Annan, dem Sondergesandten der
Vereinten Nationen und der Arabischen Liga.
Nach Sprache und Stil ist es ein Dokument wie aus dem Lehrbuch friedlicher
Streitbeilegung. Zunächst müssen die Waffen schweigen. Willkürlich
Inhaftierte sollen freigelassen, die Bewegungsfreiheit von Journalisten
wiederhergestellt und das Recht auf friedliche Demonstration gewährleistet
werden. Am Schluss steht ein politischer Dialogprozess, um „den
berechtigten Bestrebungen und Anliegen des syrischen Volkes Rechnung zu
tragen“. So hat es der UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossen.
Doch Annan ist nicht der Alleinautor seines Konzepts. Am deutlichsten zeigt
sich das am Kern des ganzen Plans, der Durchsetzung und Einhaltung der
Waffenruhe. Die syrische Regierung hat die Kampfhandlungen zu beenden. Das
ist kein unbilliges Verlangen.
Aber zusätzlich muss sie „sich verpflichten, zu erreichen, dass alle
Parteien die bewaffnete Gewalt in all ihren Formen effektiv einstellen“.
Wie sollte sie das bewerkstelligen, einer Vielzahl aufständischer Gruppen
gegenüber, die Gespräche mit den Machthabern in Damaskus kategorisch
ablehnt? Gleich zweimal erhebt der Text dieselbe Forderung. Sie ist
uneinlösbar.
## Zwei Resolutionsentwürfe
Zur Schlichtung eines bereits eskalierten Konflikts in der Regie der
Staatengemeinschaft gehört die Kontrolle vereinbarter Maßnahmen durch
neutrale Beobachter. Sie sollen ein umfassendes Bild der Lage vor Ort und
des Verhaltens der Kontrahenten vermitteln. Zudem soll die bloße
Anwesenheit Dritter die Konfliktseiten zur Mäßigung und Umsetzung
eingegangener Verpflichtungen anhalten.
Seit Annans Ernennung am 24. Februar ist die Aufsichtsmission für Syrien
ein Thema im Sicherheitsrat in New York. Besondere Eile hat er nicht an den
Tag gelegt. Zwei Resolutionsentwürfe standen sich gegenüber. Der eine, den
Russland einbrachte, drängte auf sofortige Entsendung. Der andere, von den
USA und den europäischen Ratsmitgliedern unterstützt, wollte die Beobachter
erst in Marsch setzen, wenn sämtliche Bestimmungen des Annan-Plans erfüllt
wären. Was hätte es dann noch zu beobachten gegeben?
## Beobachter werden scheitern
Die Mission ist auf 300 internationale Beobachter begrenzt, zu wenig für
den komplexen Auftrag. Ein vergleichbares Mandat nahm 1999 die sogenannte
Kosovo-Verifikationsmission wahr. Ihre Personalstärke betrug 2.000 Mann.
Aber Syrien ist siebzehnmal größer als das Kosovo. Im Nachbarland Libanon
hält die UNO 12.000 Soldaten bereit. Sogar die in Syrien bereits
stationierte UNO-Mission ist wesentlich umfangreicher. Auf den 1973 im
Jom-Kippur-Krieg von Israel eroberten Golanhöhen überwachen 1.000
Blauhelm-Soldaten die Waffenstillstandslinie.
Die UNO bildet die eine Bühne der internationalen Syrienpolitik. Daneben
existiert eine zweite, wichtigere. Auf ihr treffen sich von Zeit zu Zeit
die Außenminister der führenden westlichen Staaten mit ihren Kollegen aus
dem Assad-kritischen Teil der Arabischen Liga und Vertretern der syrischen
Opposition. Die Gruppe mit dem plakativen Namen „Freunde Syriens“ sieht im
syrischen Machtkampf die Abfolge einseitiger Vergehen unprovozierter Täter
an passiven Opfern. Unterstützung der Aufständischen und Schwächung des
Regimes heißt das Programm der beteiligten Regierungen. Dass sie dafür auch
militärische Mittel in Betracht ziehen, haben sie bisher nur angedeutet.
## Die falschen Freunde
Gegen Damaskus führen die Freunde Syriens eine scharfe Sprache. So
Frankreichs Expräsident Sarkozy jüngst am Rande der Pariser Tagung:
„Baschar al-Assad lügt schamlos, er will Homs ausradieren, wie es Gaddafi
mit Bengasi vorgehabt hat.“ Tatsächlich sprechen die Bilder der
Häuserruinen von Homs für sich. Hier waren nicht Ordnungskräfte am Werk,
die terrorbereite Aktivisten verfolgen. Mit schwerer Artillerie wurde eine
bewohnte Stadt in Trümmer gelegt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.
Gleichwohl trifft der Hinweis auf Bengasi einen Nerv des Problems. Von dort
begann im libyschen Bürgerkrieg der Vormarsch der Rebellenarmee auf die
Hauptstadt Tripolis. Ihre Geländegewinne erklärte sie umgehend zu
„befreiten Gebieten“, was die Nato zum Anlass nahm, die Offensive der
Regierungsgegner mit Luftangriffen zu unterstützen. Am Ende war das
Gaddafi-Regime gestürzt. Offensichtlich verfolgt die syrische Führung das
Ziel, keinen Meter Boden preiszugeben, um zu vermeiden, dass sie dasselbe
Schicksal ereilt.
Die Golfmonarchien – selbst ein Club von Autokraten – haben die Bewaffnung
des syrischen Widerstands zur politischen Pflicht erhoben. Den Worten
dürften längst Taten gefolgt sein. Die „Freie Armee Syriens“ gibt sich
damit nicht zufrieden. Sie ruft nach Luftschlägen gegen Einrichtungen der
Regierung, sei es mit oder ohne UN-Mandat.
Solange die Interventionsdrohung im Spiel ist, bleibt die Idee des
Verständigungsfriedens chancenlos. Die Furcht vor dem bewaffneten
Eingreifen von außen beflügelt das Assad-Lager und die Hoffnung darauf die
syrische Opposition, ihre Militanz noch zu steigern. Die Eskalation der
Gewalt scheint programmiert. Leidtragende wären die Menschen im Land. Und
Kofi Annan stünde als Verlierer da – wie schon einmal als
UN-Generalsekretär am Vorabend des Irakkriegs.
17 May 2012
## AUTOREN
Reinhard Mutz
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