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# taz.de -- Zielgruppengenaue Werbung im Netz: „Ziel ist der aufgeklärte Nut…
> Stephan Noller, Chef der Netz-Werbefirma nugg.ad, spricht über gezielte
> Web-Reklame und deren ethische Grenzen. Wann wird das sogenannte
> Targeting den Nutzern zu viel?
Bild: Werbung nervt die meisten Menschen, egal ob personalisiert oder nicht.
taz.de: Herr Noller, Ihre Firma betreibt ein Targeting-System, mit dem
Werbekunden Zielgruppen im Web genauer ansprechen können sollen. Sie
gehören dabei laut Eigenauskunft noch zu den „Guten“, weil Ihr Unternehmen
Nutzerprofile stark anonymisiert beziehungsweise auf Basis statistischer
Modelle erstellt. Verstehen die User, was Sie und Ihre Konkurrenten da tun?
Stephan Noller: Ja und nein. Der aufgeklärte Web-User wird zumindest ein
grobes Verständnis haben und sich vor allem bewusst sein, dass die meisten
kostenlosen Web-Angebote sich über Werbung finanzieren – häufig unter
Zuhilfenahme von Daten, um die Werbung effizienter zu machen, als andere
Medien das können. Es ist aber dennoch ein Problem, dass die
Online-Industrie es in der Vergangenheit weitgehend versäumt hat, Offenheit
und Transparenz zu praktizieren und den User gezielt aufzuklären und ihm
Informationen und Tools dafür anzubieten.
Mit nugg.ad gehen wir bereits aktiv auf den Nutzer zu und bieten ihm zum
Beispiel durch unseren „Themen-Monitor“ die Möglichkeit, zu überprüfen, …
wir über ihn wissen und welche Interessen wir ihm zuordnen. Den Zugang zu
diesem Tool findet man auf unsere Website. Weitere Aufklärungs- und
Kontrollmöglichkeiten für den Nutzer werden in naher Zukunft und auch in
gesamteuropäischer Breite folgen.
Interessanterweise sind User oftmals dann doch sehr überrascht, wie wenig
wir eigentlich über sie wissen: Keinen Namen, keine Email- oder IP-Adresse,
sondern z.B. Dinge wie Interesse an Sport-, Kosmetik- oder
Lifestyle-Themen. Unser Ziel ist bei all diesen Entwicklungen der
aufgeklärte Nutzer, der souverän mit seinen Daten umgeht.
Online-Werbetechniken werden immer aggressiver. Da gibt es zum Beispiel das
sogenannte Retargeting, bei dem Nutzer, die eine Anzeige nicht angeklickt
haben, einfach eine ganze Reihe weiterer Werbung auf anderen besuchten
Websites angezeigt bekommen – bis sie schließlich klicken. Das erleben
User, die darauf achten, zunehmend als Angriff auf ihre Privatsphäre. Wo
ist die Grenze des Targeting?
Ich gebe Ihnen Recht. Gerade Retargeting, das wir übrigens nicht anbieten,
kann wahnsinnig nerven und sorgt dadurch langfristig für eine eher
ablehnende Haltung gegenüber dem beworbenen Produkt. Es ist also auch nicht
nachhaltig. Allerdings wissen die Anbieter das selbst und arbeiten an
weniger aggressiven Varianten. Außerdem waren die Retargeter die ersten,
die Info- und Ausschalt-Optionen in die Werbung integriert haben.
Davon abgesehen müssen beim Targeting und bei Werbung generell klare
ethische und rechtliche Grenzen gezogen werden. Targeting auf sogenannte
sensitive Segmente wie Kinder, Krankheiten oder auch politische
Einstellungen wird nicht betrieben. Auch sollten verantwortungsvolle
Anbieter auf die Erhebung personenbeziehbarer Daten verzichten und sich
generell in Datensparsamkeit üben. Um das alles für unseren Dienst bei
nugg.ad sicherzustellen, lassen wir uns in regelmässigen Abständen von dem
Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein unter Thilo
Weichert überprüfen und wurden von ihm mehrfach zertifiziert.
Die Werbemöglichkeiten bei Facebook sind mittlerweile so genau geworden,
dass man seine Anzeige auf Gruppen von 20 Personen zuschneiden kann. Sie
selbst haben einmal in einem Interview gesagt, derlei Zielgruppen seien für
die Industrie schlicht uninteressant. Doch der Bedarf scheint ja vorhanden
zu sein, sonst gäbe es keine so genauen Targeting-Möglichkeiten.
Für das, was wir betreiben, sind solche geringen Größen tatsächlich völlig
uninteressant. Unser Geschäft ist die Markenwerbung für Werbetreibende wie
zum Beispiel L'Oreal oder Unilever. Diese interessieren sich nicht für 20
Personen sondern wollen eher gleich 20 Millionen erreichen. Eine grobe
Kategorisierung von Nutzergruppen in Kategorien aus Soziodemografie und
Produktinteressen ist für diese Zwecke völlig ausreichend und funktioniert
nachgewiesenermaßen sehr gut.
Dienste, die Targeting für eingeloggte User anbieten, arbeiten da
naturgemäß anders und können im Extremfall technisch bis auf eine einzelne
Person zuschneiden. Ob es dafür Anwendungsfälle gibt und die User sich das
am Ende gefallen lassen, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
nugg.ad selbst gehört seit nicht ganz zwei Jahren der Deutschen Post AG,
die sich zunehmend als Werbedienstleister versteht und über eine
gigantische Datenbank mit Privatadressen verfügt. Wie stellen Sie sicher,
dass es hier nicht irgendwann zu einer Vernetzung kommt?
Diese Vernetzung wäre schon aus Datenschutzgründen überhaupt nicht möglich,
denn jede Gesellschaft des Konzerns Deutsche Post DHL ist
datenschutzrechtlich als separate Einheit zu betrachten. Wie schon gesagt,
arbeiten wir zudem generell nicht mit personenbeziehbaren Daten. Die
Deutsche Post ist als neutraler Dienstleister in der Welt der physischen
Kommunikation etabliert. Wir gewährleisten als neutraler
Technologieanbieter eine ähnliche Dienstleistung für den Online-Werbemarkt.
Das ist ein Zukunftsmodell. Die Deutsche Post hat das erkannt und sich aus
diesem Grund für nugg.ad entschieden.
Online-Werbung wird, so klagen zumindest die Inhalte-Anbieter, zu billig
verkauft. Jede kleinste Reklamefläche tauche zum Schluss auf irgendwelchen
Ad-Marktplätzen auf, wo sie schlimmstenfalls billigst verramscht wird. Kann
es sein, dass Werbedienstleistern den Werbetreibenden schlicht zu viele
Daten liefern? Eine Print-Anzeige lässt sich ja auch nicht bis ins letzte
Detail verfolgen.
Uns reichen grobe Kriterien, um relevantere Werbung anzuzeigen. Wie bei der
Plakatwerbung oder TV-Spots geht es immer darum, dass die Werbung gesehen
wird, und zwar von den richtigen Leuten. So funktioniert Markenwerbung und
genau das setzen wir im Internet erfolgreich um. Davon abgesehen muss man
aber sehen, dass das Internet generell ein datengetriebenes Medium ist -
nicht nur im Hinblick auf Werbung. Deshalb werden wir in Zukunft eher mehr
Möglichkeiten sehen, Daten einzubeziehen, als weniger, und umso nötiger
sind natürlich die dazu passenden Kontroll- und Transparenztools für die
User.
22 May 2012
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
Werbung
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Überwachung
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